Aufsätze

Besser anlegen mit Derivaten - Diversifikation und Sicherheit durch Zertifikate

Immer mehr Bundesbürger investieren Kapital in derivativen Wertpapieren wie Anlagezertifikaten oder Aktienanleihen. Woraus aber speist sich dieser Wachstumstrend? Sind die Investoren mit den herkömmlichen Anlageformen nicht ausreichend gut bedient? Besitzen die neuen Instrumente einen Mehrwert, der ihren Siegeszug rechtfertigt?

Einfache Antworten auf diese Fragen sind nicht möglich, denn der Markt für verbriefte Derivate ist komplex. Trotzdem fällt die Antwort bei genauer Betrachtung der innovativen Instrumente positiv aus.

Zugang für private Investoren

Ein Derivat (derivativ, lateinisch von "derivare", "ableiten") bezeichnet eine Struktur, die von einer anderen Struktur abgeleitet ist. Derivate haben also kein Eigenleben, sondern hängen in ihrer Kursentwicklung von einer Vielzahl von Faktoren ab. Dabei treten die abgeleiteten Produkte in einer Vielzahl von Formen auf: Futures, Forwards, Optionen oder Swaps sind die bekanntesten Varianten. Hierzulande haben sich Optionsscheine, Knockouts und zuletzt immer stärker Zertifikate in den Vordergrund gespielt. Im Gegensatz zu den erstgenannten Produkten werden die verbrieften Formen nicht im Interbankenverkehr oder an Terminbörsen gehandelt, sondern haben sich an den Wertpapierbörsen etabliert. Dort treffen sie neben institutionellen auch auf private Investoren, denen der Zugang zum Interbankengeschäft nicht möglich ist und die teilweise erschwerten Zugang zu den Terminbörsen haben.

Schon zu Beginn der neunziger Jahre haben Privatanleger derivative Wertpapiere als Bereicherung für ihre Kapitalanlage entdeckt. Das Interesse hat sich in den letzten Jahren jedoch immer stärker von den spekulativen Optionsscheinen zu den konservativen Zertifikaten gewendet und beim Anlagevolumen eine ganz andere Dimension erreicht. Die Beweggründe für dieses Anlageverhalten und die empfundenen Vorteile verbriefter Derivate sind vielschichtig.

Zielgenaues Investieren und Liquiditätssteigerung

Zertifikate machen eine genaue Steuerung von Chancen und Risiken möglich. Mit ihnen können auch in seitwärts tendierenden oder leicht fallenden Märkten Renditen erzielt werden. Einige Produktvarianten bieten Sicherheitspolster und schützen teilweise vor Kursverlusten, während das Gewinnpotenzial erhalten bleibt. Viele dieser Strategien waren bisher Profis vorbehalten und wurden durch Derivate auf die Bedürfnisse des Privatanlegers herunterskaliert. Kleine Stückelungen, Best-Price-Garantien und Sparpläne runden das kleinanlegerfreundliche Angebot ab.

Bei einem derivativen Wertpapier, das aus einem Basiswert abgeleitet ist, ist die Argumentation, dass mit dem Derivat zusätzliche Liquidität geschaffen wird, zunächst nicht einleuchtend. Trotzdem existieren für die These gute Argumente. Der Emittent stellt dem Markt in seiner Funktion als Market Maker ständig Liquidität zur Verfügung und baut eigene Positionen auf. Damit und über seine Hedging-Transaktionen trägt er zu einer besseren Markttiefe des Basiswertes bei. Häufig ist zu beobachten, dass der starke Konkurrenzdruck bei Derivaten zu geringeren Spreads führt, als in den zugrunde liegenden Basiswerten. In Einzelfällen kann der Spread des Derivats bei marktengen Titeln sogar die Spanne des Basiswertes unter Druck bringen, da die Liquidität sonst ins Derivat abwandert.

Knockouts statt Futures

Mitten in der Baisse der Jahre 2000 bis 2003 ist den Emittenten von Derivaten mit der Einführung von Knockouts ein Volltreffer geglückt. Die hohen Schwankungen dieser Marktphase begünstigten die schlagartige Popularität von Barrier-Optionen bei Privatanlegern. Als nicht volatilitätssensibles "Delta-1-Produkt" versetzte es die Investoren in die Lage, gehebelt spekulieren oder absichern zu können, ohne die in der Abwärtsbewegung enorm gestiegenen Volatilitäten bezahlen zu müssen. Selbst die Gefahr des Knockouts, also eines Totalverlustes des eingesetzten Kapitals, spricht im Privatkundengeschäft für die Produktklasse, da keine Nachschusspflichten wie bei Futures entstehen können. Dem Erfolg kommt entgegen, dass für den Kauf der innovativen Produkte kein Eurex-Zugang notwendig ist.

Die Globalisierung der Märkte hat zu einer deutlich stärkeren Nachfrage nach Titeln aus Emerging Markets geführt. Der Zugang zu diesen Aktien ist deutschen Anlegern häufig aber nur unter Inkaufnahme hoher Transaktionskosten möglich. Entweder werden diese in Form hoher Provisionen und fremder Spesen bei Auslandsorders bezahlt oder der Kunde kann das Papier an einer deutschen Börse zu enormen Geld-/Brief-Spannen handeln. Zertifikate auf Emerging Market Indizes bieten hier klare Kostenvorteile. Jedoch sollte der Anleger darauf achten, dass sich das Zertifikat auf einen Total Return Index bezieht. Denn sonst werden die beim Spread eingesparten Kosten schnell beim Dividendenverlust wieder eingezahlt.

Angenehmer Nebeneffekt der Entscheidung für das Index-Zertifikat ist die erreichte Diversifikation. Statt dem Risiko eines Einzeltitels, der sich aus der Ferne oft nur schwer beurteilen lässt, hat der Investor das auf die Indextitel gestreute Risiko im Depot. Ein weiterer Vorteil des Index-Investments besteht darin, dass die ständige Reallokation des Marktbarometers verhindert, auf schlecht performenden Aktien langfristig sitzen zu bleiben.

Investition in Rohstoffe

Deutsche Anleger sind in physischen Rohstoffen stark unterinvestiert und verzichten bisher auf deren risikoreduzierende Wirkung auf das Gesamtportfolio. Die bis zur Euro-Einführung restriktive Gesetzeslage trieb die Investoren in die Hände von Graumarktbrokern, die Geschäfte an britische oder amerikanische Terminbörsen vermittelten.

Noch heute beschäftigen sich deutsche Gerichte in unzähligen Verfahren mit Gebührenschinderei oder Frontrunning bei Rohstoffkontrakten. Der preiswerte und transparente Marktzugang über Derivate macht aus Rohstoffen eine willkommene Portfolio-Beimischung. Diese Entwicklung zeigt, dass liberalere Rahmenbedingungen in manchen Fällen mehr Anlegerschutz bedeuten können.

Der Verkauf von Kursinformationen ist seit langer Zeit eine wichtige Einnahmequelle der Börsen. Daran hat auch der Erfolg außerbörslicher Marktveranstaltungen bisher wenig ändern können. Resultat dieser Vermarktungsstrategie sind gut informierte institutionelle Kunden, die sich die Kursinformationen problemlos leisten können und schlecht informierte Privatanleger, die ohne genaue Kenntnis der Orderlage Limits an die Börse legen müssen.

Derivative Wertpapiere werden zwar auch an den Börsen gelistet. Allerdings hat der Emittent ein starkes Eigeninteresse, dass die Investoren jederzeit realtime über die aktuelle Quotierung informiert sind. Er verbreitet seine Quotes daher so breit und zeitnah wie möglich über Internet, Teletext oder Börseninformationssysteme. Im Falle des bei Privatanlegern so populären Teletextes hat dies sogar dazu geführt, dass der Emittent für die Verbreitung seiner Informationen Geld für die "Werbung" im Teletext bezahlt. Für die Börsen stellt dies eine schwierige Entwicklung dar, zumal die Rückrechnung von kostenfreien Derivatequotes auf die sonst kostenpflichtigen Realtime-Kurse der Basiswerte durchaus möglich ist.

Finanzplatz Deutschland profitiert

Bei den neuen derivativen Investmentalternativen erwartet den Kunden ein außergewöhnlicher Service. Für Zertifikate werden fortlaufend Preise quotiert. Der Handel ist börslich in Stuttgart und Frankfurt, aber auch außerbörslich direkt mit den Emittenten möglich. Informationen über Preise oder Ausstattungsmerkmale werden realtime und kostenfrei über das Internet, im Videotext oder über Broschüren publiziert. In Hunderten von Seminarveranstaltungen, auf Messen wie der demnächst anstehenden Invest oder mit Help Desks bemühen sich vor allem die Emittenten und Börsen um Aufklärung und Weiterbildung von Privatanlegern. Kommt es zu überraschenden Kursbewegungen an den Märkten und es sind keine passenden Zertifikate im Angebot, profitiert der Kunde von der schnellen, flexiblen Emissionspraxis der Banken.

Nicht nur die Kunden, sondern auch Medien, Politik und Regulatoren haben erkannt, dass verbriefte Derivate Mehrwert bieten. Dieser Erkenntnis ist es wahrscheinlich geschuldet, dass sich der Markt so eindeutige Alleinstellungsmerkmale herausarbeiten konnte. International bekannte Bankadressen haben sich in Frankfurt angesiedelt und für das Entstehen einer Vielzahl attraktiver Arbeitsplätze mit Zukunftschancen gesorgt. Auf diesem Erfolg lässt sich aufbauen. Bei weiterhin geschickter Standortpolitik sollte Deutschland gute Chancen haben, mit Zertifikaten zunehmend in ein internationales Geschäft hineinzuwachsen.

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