Aufsätze

Betreuungsmanagement im modernen Genossenschaftsverband

Die Öffentlichkeit weiß wenig über Rolle und Bedeutung der Genossenschaftsverbände. Das mag mit daran liegen, dass der Verbund für außen Stehende an sich schon ein komplexes Gebilde aus Banken, Zentralen, Verbundunternehmen, Rechenzentren, Servicegesellschaften, BVR und eben den Genossenschaftsverbänden besteht. Man will als Ganzes verstanden werden und achtet doch darauf, vor allem einzeln gesehen zu werden. Diese Vielfalt in der Einheit erschwert die Wahrnehmung und muss durch zielgerichtetere Verbundkommunikation aufgegriffen werden (etwa die Verbundbilanz).

Unternehmenspartner Genossenschaftsverband

Dagegen gibt es in der inneren Arbeit des Verbundes kaum Wahrnehmungsdefizite. Es herrscht vielmehr eine klare Aufgabenteilung zwischen dem Strategie- und Interessenvertreter der Gruppe (BVR), dem Finanzmanager und internationalen Partner (Zentralbank), den Produktlieferanten (Verbundunternehmen, Serviceleister) und dem auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen Kreditgenossenschaft fokussierten ganzheitlichen Unternehmenspartner (Genossenschaftsverband). Seine Kernleistungen sind Wirtschaftsprüfung (besonders in der Form des gesetzlichen Auftrags), die aus der Satzung abgeleitete Unternehmens- und Personalberatung (Qualifizierung) sowie die Unterhaltung von Einrichtungen zur Wahrnehmung von Gemeinschaftsaufgaben (etwa Fonds für Werbung, Akademien, Stiftungen). Natürlich zählt auch Lobbyarbeit zu den Aufgaben der Genossenschaftsverbände - jedoch primär auf Landesebene, flankierend zum BVR.

Die Prüfung konstituiert aufgrund der gesetzlichen Normierung eine besondere Beziehung zum Mitglied, aber sie reicht keineswegs aus, um dem Schutz und der "Mutterfunktion" von Primärinstituten im Verbund selbstständiger Einheiten gerecht zu werden. Vielmehr verlangt das vom Genossenschaftsverband abgeforderte, breite Aufgabenspektrum eine Fokussierung all seiner Funktionen in eine auf das einzelne Mitglied konzentrierte Betreuung.

Am Mitglied orientiert, der Gruppe verpflichtet

Der moderne Genossenschaftsverband ist ein unternehmerischer Verband, weil von ihm eine konkret-individuelle Leistung erwartet wird. Seine diesbezügliche Wertschöpfung erwächst aus der Qualität der Einzelleistung und der Intensität seiner individuellen Betreuung. Der Verband ist am einzelnen Mitglied orientiert, dabei aber auch der Gruppe verpflichtet: Durch sein Betreuungsmanagement hat er die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Kreditgenossenschaft zu dessen Mitglied (gesetzlicher Förderauftrag) und zum Verbund im Sinne der Leistungsfähigkeit der Gruppe zu fördern.

Gegenüber den Organen seiner Mitgliedsinstitute obliegt dem Verband eine Initiativfunktion, damit notwendige Veränderungen frühzeitig - und nicht erst wenn es brennt - angepackt und umgesetzt werden. Hieraus leitet sich letztendlich die Betreuung ab. Der Verband muss dabei einwirken ohne anzuordnen. Nur so macht die durch das Genossenschaftsgesetz begründete Pflichtmitgliedschaft Sinn. Es gilt, die Autonomie der Genossenschaft und die Wahrnehmung der unternehmerischen Verantwortung zu stärken. Die in diesem Zusammenhang zu erbringenden individuellen Beratungsleistungen werden durch Gesellschaften des Verbandes oder von außen zur Verfügung gestellt. Sie gehorchen den Gesetzen des Marktes. Wobei die Erfahrung zeigt: Je mehr sich der Verband dem Markt stellt, desto produktiver wird die Beziehung zum Verbandsmitglied.

Key Account: Strukturprinzip für höchste Leistungsgüte

Betreuung ist zeitlos, ganzheitlich und aktiv. Prüfung und Beratung haben dagegen Projektcharakter, sind mit einem festen Anfang und einem definierten Ende beschrieben. Die besondere Verantwortung des Verbandes als Qualitätsanbieter erwächst aus der Tatsache, dass bei Auftragsprojekten zu der immer gegebenen Mitgliederbeziehung eine zeitlich begrenzte Mandantenverknüpfung aufgebaut wird. Voraussetzung für höchste Leistungsgüte ist dabei, die Funktionen "Betreuung" und "Projektarbeit" wirkungsvoll zu verknüpfen.

Dafür muss der Verband Verantwortlichkeiten schaffen, die eine umfassende Ausrichtung auf das "Individuum Genossenschaft" ermöglichen. Das entsprechende organisatorische Strukturprinzip beim Genossenschaftsverband Frankfurt heißt "Key Account": Ein Mitarbeiter in leitender Funktion ist verantwortlich für das einzelne Mitglied. Seine Zuständigkeit sowohl für die Prüfung und als auch für die Betreuung der einzelnen Kreditgenossenschaft ist zwingend für seinen Erfolg. Seine Stelle wird über den Leistungsbereich und nicht über Verbandsbeiträge finanziert. Alle die Genossenschaft betreffenden Informationen laufen über den Tisch des Key Accounters, der als Drehscheibe für die Sammlung, Aufbereitung und Umsetzung mitgliederbezogener Prozesse fungiert. Be-treuungs-Management entwickelte sich so zu einem dominanten Leistungsfeld des modernen Verbandes.

Zukunftsfähigkeit sichern

Mitgliederförderung in dezentraler Struktur - das ist das Alleinstellungsmerkmal dieses Verbundes. Es erfordert die Zukunftsfähigkeit jedes einzelnen Verbundmitgliedes, um die Struktur auch morgen garantieren zu können. Der wichtigste Betreuungsansatz für den Genossenschaftsverband besteht demnach darin, die Zukunftsfähigkeit der einzelnen Volksbank und Raiffeisenbank zu erhalten und auszubauen. Zukunftsfähigkeit definiert sich letztendlich aus den Fähigkeiten, Gewinne zu schöpfen (Gewinnfähigkeit), Märkte an sich binden (Wettbewerbsfähigkeit) und schnell auf neue Herausforderungen (Veränderungsfähigkeit) reagieren zu können. Für Genossenschaften gilt es außerdem, auch die Förderfähigkeit zu operationalisieren.

Die Komponenten wirken zeitlich unterschiedlich (Abbildung 1). Sie folgen außerdem einem ganzheitlichen Unternehmensansatz. Damit sollen extreme Ausschläge in der Entwicklung der Banken vermieden und eine gleichmäßige, nach vorne gerichtete Entfaltung erreicht werden. Gerade die derzeitige Situation der Kreditgenossenschaften empfiehlt diese Gangart.

Die in den letzten drei Jahren wieder hergestellte Gewinnfähigkeit der Banken sichert nur auf kurze Sicht die Unternehmensstabilität. Sie muss jetzt mit Zielkomponenten aus der Wettbewerbs- und Veränderungsfähigkeit angereichert werden. Für jede der drei Zielfunktionen wurden im Genossenschaftsverband Frankfurt 8 bis 10 Kennziffern erarbeitet (Abbildung 2), aus denen ein Bündel von dreimal drei durch das jeweilige Management ausgewählt wird. Zu allen Kennziffern wurden Dringlichkeitsstufen definiert, und sie sind mit einem Bündel alternierender Handlungskonzepte unterlegt, die von der Bank angewandt werden können. Die durch die Betreuung initiierte individuelle Erarbeitung einer Strategie und deren nachhaltige Umsetzung werden mittelfristig spür- und messbare Effekte auf die Kennziffern haben und so die Zukunftsfähigkeit stützen. Diese messbare Verbesserung in der Zukunftsfähigkeit der Genossenschaftsbanken ist das Betreuungsprogramm des Genossenschaftsverbandes Frankfurt für die nächsten Jahre.

Dabei geht es nicht darum, den Banken ein neues System überzustülpen oder eine Begrenzung ihrer Entfaltungsmöglichkeiten vorzunehmen, wie sie durch die vielfältigen Auflagen bereits gegeben ist. Vielmehr soll angeregt werden, dass die Unternehmensleitungen autonom messbare Kriterien, an denen Markt- und Veränderungserfolge bewertet werden können, aufstellen und durch geeignete Handlungen unterlegen. Das Betreuungskonzept des Verbandes sieht vor, dass mit jeder Kreditgenossenschaft hierüber beraten und konkrete Vereinbarungen getroffen werden.

Diese Systematik zeigt, wie weit heute eine leistungsfähige Betreuung in einem Verbund reichen muss. Sie ist von der Prüfung, die primär die Vergangenheit fokussiert, zu trennen und damit auch grundsätzlich unabhängig von Prüfungshandlungen zu sehen. Auch darf es keine Verengung auf die Betreuung lediglich der schwächelnden Institute geben. Gerade in der marktnahen Prophylaxe ruht die Kraft erfolgreicher Betreuung.

Moderne Betreuung: Auch unabhängig von Prüfungshandlungen

Letztlich geht es auch um ein neueres Verständnis der Betreuung, die sich bisher primär um Kosten oder Risiko kümmerte. Die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Bank und Verband erhält ebenso ein neues Verständnis füreinander. Mehr denn je ist zielgerichtete Partnerschaft gefragt. Der Fokus rückt wieder näher zum Vertrieb/Markt. Aktivitäten der Gruppe wie Fachratskonzepte (zum Beispiel strategisches Benchmarking) des BVR lassen sich leicht integrieren.

Indem der Betreuer mit dem Bankvorstand in einen Dialog zur Zukunftsfähigkeit des Instituts tritt, unterstützt er ihn bei der Wahrnehmung seiner unternehmerischen Verantwortung. Dabei zählt der Grundsatz "miss es oder vergiss es": Durch die Operationalisierung von Kennzahlen für das eigene Haus werden Notwendigkeiten transparent, die dann auch in konkretes Handeln münden.

Deshalb wird das Anforderungsprofil im Key-Account-System zukünftig noch stärker als bisher auf die Eigeninitiative des Betreuers setzen. Dieser muss aktiv werden, bevor eine Umsetzungslücke betriebswirtschaftlich schlagend wird. Dafür ist auch eine entsprechende Qualifizierung unabdingbar, denn er muss als Sparringspartner des Managements gefragt sein. Die Key Accounter unterliegen einem Management-Audit-Programm, das sich in gewissen zeitlichen Sequenzen überprüft.

Außerdem hat der Verband in seinem Organisationskonzept fixiert, dass eine qualifizierte Führungskraft für zirka 20 Kreditgenossenschaften zuständig ist, mit denen der hier beschriebene Prozess gestaltet werden kann. Das System ist so angelegt, dass intern durch entsprechende EDV-Programme ein Automatisierungsprozess der strategischen Planung zur Gesprächsvorbereitung abläuft, das Gespräch aber selbst die Individualisierung der Gegebenheiten vor Ort aufgreift. Es gilt nun einmal der Grundsatz, dass die Märkte der einzelnen Kreditgenossenschaften derart unterschiedlich sind, dass man nicht alle über einen Kamm scheren darf. Der grüne Tisch darf nicht zum dominierenden Faktor werden, sondern jedes Institut muss seine eigene Zukunftsstrategie entfalten.

Erlösströme und

Marktgerechtigkeitsprüfung

Dabei gilt es stets, die vom Markt induzierten Nachfrageveränderungen einfließen zu lassen. Die Geldströme verlagern sich derzeit massiv von den Primärbanken hin zu den Verbundunternehmen. Banken arbeiten mehr und mehr als Mittler von Finanzdienstleistungen, die sie bedarfsgerecht für ihre Kunden und Mitglieder portionieren. Die Verkürzung der Werkbank in den Kreditgenossenschaften weitet die Betreuungsfunktion des Verbandes für die Primärbanken letztendlich in Richtung Verbund aus. Die Stichworte dafür lauten Marktgerechtigkeitsprüfung für Verbundprodukte und eine die dezentrale Struktur fördernde Verteilung der Erlösströme.

So wird der Verbund dazu übergehen müssen, betriebswirtschaftlich fundierte Formen der Leistungsverrechnung zu finden, die seinen Besonderheiten mehr Rechnung tragen. Schließlich stellt die Volksbank/Raiffeisenbank Beratungs- und Vertriebskapazitäten über alle vom Markt geforderten Kanäle bereit. Dies muss einzeln bewertet und "entlohnt" werden.

Je mehr Primärinstitute und Verbundunternehmen trotz jeweils eigener Bilanzierung durch die Marktentwicklung zusammenwachsen, umso mehr braucht es auch von allen anerkannte Zielkennzahlensysteme. So muss beantwortet werden können, welches die richtige Cost Income Ratio eines Verbundunternehmens im Sinne der gemeinsamen Mitgliederförderung ist. Um ihre Rolle als Betreuer der Primärstufe gegenüber den Verbundunternehmen richtig ausfüllen zu können, müssen die Verbände aber deren Beispiel folgen und sich selbst stärker verknüpfen. Damit würden sie die Voraussetzung schaffen für eine bessere Machtbalance und eine effektivere Interessenvertretung der Primärstufe in Richtung Verbund.

Die entscheidende Herausforderung für das Betreuungsmanagement des modernen Genossenschaftsverbandes besteht darin, in einem auf Dauer angelegten Zusammenspiel zwischen Bank und Verband Motor der Veränderung zu sein. Mit der neuen Konzeption wird auf Basis managementbezogener Erkenntnisse und mit der Stringenz in der Umsetzung durch das bewährte Key-Account-System ein wesentlicher Schritt zur Fortschreibung einer symbiotischen und nach vorne gerichteten Beziehung getan. Mit anderen Worten: Je unternehmerischer eine Volksbank/Raiffeisenbank und ihr Genossenschaftsverband agieren, je ganzheitlicher ihre Managementprozesse designed sind, desto effizienter arbeitet der Verbund. In einer immer dynamischer wachsenden Wirtschaftswelt liegt darin der Schlüssel zum Erfolg.

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