Aufsätze

Betriebliche Altersversorgung und Mittelstand - die wissenschaftliche Sicht

Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) spielen eine herausragende Rolle für die deutsche Volkswirtschaft. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gibt an,1) dass "im Jahre 2004 in Deutschland rund 99,7 Prozent aller deutschen Unternehmen zu den KMU zu zählen sind, die 39,8 Prozent aller Umsätze tätigen und in denen 70,8 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten angestellt sind. In kleinen und mittleren Unternehmen findet 82,9 Prozent der beruflichen Ausbildung in Deutschland statt. Zudem erwirtschaftet der Mittelstand 46,7 Prozent der Bruttowertschöpfung aller Unternehmen. Der Anteil der Familienunternehmen an der Gesamtzahl aller deutschen Unternehmen liegt bei rund 95 Prozent".

Geschäftsführung und Eigentum in einer Hand

Hinsichtlich der Größenklasse sind nach einer Kommissionsempfehlung der Europäischen Union KMU aufzufassen als wirtschaftlich weitgehend unabhängige Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu 50 Millionen Euro. Ein Großteil dieser Unternehmen sind in Deutschland klassische Familienunternehmen, die durch eine Einheit von Eigentum und Unternehmensleitung gekennzeichnet sind. Geschäftsführung und Eigentum dieser auch als Mittelstand bezeichneten Unternehmen liegen in der gleichen Hand, das heißt ein Mitglied der Eigentümerfamilie führt das Unternehmen. In vielen Fällen steht der mittelständische Unternehmer mit seinem privaten Vermögen für die Risiken aus seiner Geschäftstätigkeit ein.

Die betriebliche Altersversorgung spielt in Deutschland noch immer eine geringere Rolle. So berichtet der Sozialschutzausschuss der Europäischen Kommission in einer Studie2), dass in Deutschland nur etwa sechs Prozent der Einkommen von Personen über 65 Jahren aus der betrieblichen Altersversorgung resultieren. Die unter Federführung des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg initiierte Prosa-Kommission führt aus,3) dass in westdeutschen Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten fast alle Mitarbeiter mit einer Betriebsrente rechnen können, in ostdeutschen Unternehmen sind es zwischen 87 und 95 Prozent. Allerdings geht mit sinkender Mitarbeiterzahl die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung deutlich zurück. Bei Kleinstbetrieben mit bis zu vier Mitarbeitern erwirbt nur jeder vierte westdeutsche und lediglich jeder fünfte ostdeutsche Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine betriebliche Zusatzversorgung.

Möchte man also verstehen warum die betriebliche Altersversorgung in Deutschland eine derart geringe Rolle spielt und sucht man nach Ansätzen, um dieses Problem zu lösen, muss man sich mit dem Thema betriebliche Altersversorgung und Mittelstand auseinandersetzen. In diesem Artikel wird versucht, Antworten und Lösungsvorschläge auf diese Fragen zu geben.

bAV als Instrument der kapitalgedeckten Alterssicherung

Aus einer ökonomischen Betrachtung handelt es sich bei der betrieblichen Altersversorgung um ein Instrument der kapitalgedeckten Altersversorgung. Letztere ist ein systematischer und zweckorientierter Spar- und Entnahmeprozess: Der Bürger baut während der Akkumulationsphase, die gewöhnlich mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben endet, einen individuellen Kapitalstock auf. In der sich an das Erwerbsleben anschließenden Leistungsphase wird aus dem aufgebauten Kapitalstock der Lebensunterhalt finanziert.

Im Rahmen der privaten Alterssicherung verwendet der Arbeitnehmer selbstständig, also ohne Einbeziehung des Arbeitgebers, Teile seines Einkommens, um es in bestimmte Altersversorgungsprodukte anzulegen. Bei der betrieblichen Altersversorgung ist stets der Arbeitgeber an dem Vorsorgeprozess mit involviert. Der Arbeitgeber behält auf Wunsch des Mitarbeiters einen Teil des Arbeitslohns ein (Entgeltumwandlung) und/oder gibt aus eigenen Mitteln einen Zuschuss, um damit ein bestimmtes betriebliches Altersversorgungssystem zugunsten des Beschäftigten zu finanzieren.

Bei Einhaltung bestimmter Kriterien unterstützt der Staat den Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung in der Regel durch eine nachgelagerte Besteuerung. Das bedeutet, die geleisteten Beiträge des Mitarbeiters erfolgen bis zu bestimmten Grenzen aus unversteuertem Einkommen beziehungsweise können vom Arbeitgeber als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Weiterhin bleiben die Erträge auf den Kapitalstock steuerfrei, wogegen die Auszahlungen in der Leistungsphase der persönlichen Einkommenssteuer unterliegen.

Beitrags- und/oder Leistungszusage

Je nachdem welche Zusagen der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern macht, können die betrieblichen Altersversorgungssysteme in zwei Kategorien eingeordnet werden. Bei der reinen Beitragszusage (englisch: defined contribution) verpflichtet sich der Arbeitgeber, regelmäßig einen vertraglich spezifizierten Betrag in das Altersvorsorgesystem einzuzahlen.

Bei der reinen Leistungszusage (englisch: defined benefit) hingegen verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Eintritt des Versorgungsfalls konkrete (Leibrenten-) Zahlungen, deren Höhe sich nach einer bestimmten Formel (in der Regel abhängig von Gehaltshöhe und Dienstzeit) berechnet. Mischformen dieser beiden Basiskategorien der betrieblichen Altersversorgung sind etwa die beitragsorientierte Leistungszusage beziehungsweise die Beitragszusage mit Mindestleistung.

Bei einer Beurteilung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Zusageformen ist von großer Bedeutung zu hinterfragen, welche Risiken entstehen und wer diese trägt. Im Vergleich zu einem staatlich organisierten Umlageverfahren sind im Rahmen eines kapitalgedeckten Alterssicherungssystems drei zentrale Risiken zu beachten4):

- Das Inflationsrisiko bezeichnet die Gefahr, dass aufgrund allgemeiner Preissteigerungen die Kaufkraft der Altersversorgungsmittel an Wert verlieren.

- Die Anlageformen, in denen die Altersversorgungsmittel investiert sind, beinhalten sowohl Ertragschancen als auch Verlustrisiken. Das Investmentrisiko bezeichnet demnach die Gefahr, dass aufgrund ungünstiger Wertentwicklungen die Altersversorgungsmittel an Wert verlieren. Dabei resultiert aus dem Fundamentalgesetz effizienter Finanzmärkte, dass höhere Ertragschancen mit höheren Risiken verbunden sind.

- Schließlich resultiert das Langlebigkeitsrisiko aus der Unsicherheit über die individuelle Lebensdauer. Da unbekannt ist, wie lange eine bestimmte Person leben wird, kann in der Entnahmephase auch nicht genau bestimmt werden, für wie viele Jahre die in der Ansparphase aufgebauten Ersparnisse reichen müssen. Aus einer finanzwirtschaftlichen Perspektive besteht damit die Gefahr, dass eine Person so alt wird, dass der dafür aufgebaute individuelle Kapitalstock noch zu Lebzeiten aufgebraucht wird.

Risikoübernahme

Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung sind bei der reinen Leistungszusage die oben aufgeführten Risiken grundsätzlich vom Arbeitgeber zu tragen, das heißt der Arbeitgeber haftet unmittelbar mit seinem Betriebsvermögen für die Erfüllung der zugesagten Leistungen. Dagegen liegen bei der reinen Beitragszusage diese Risiken grundsätzlich beim Arbeitnehmer. Es besteht jedoch für beide die Möglichkeit, diese Risiken zumindest partiell auf darauf spezialisierte Versicherungs- und Finanzinstitutionen zu transferieren. Dies setzt jedoch voraus, dass diese Institutionen bereit und in der Lage sind, entsprechende Garantien zugunsten des Arbeitgebers beziehungsweise Arbeitnehmers abzugeben.

Das typische Instrument, um das Langlebigkeitsrisiko zu transferieren, ist der Abschluss von Leibrentenverträgen, die dem Begünstigten lebenslange Zahlungen versprechen. Hauptsächliche Anbieter von Leibrentenverträgen sind Versicherungsunternehmen, welche die Möglichkeit besitzen, durch die Bildung von Kollektiven einen Ausgleich zwischen den finanziellen Konsequenzen unerwartet kurzer und langer Lebensdauern herzustellen. Doch auch die Vereinbarung eines Entnahmeplans mit bis zu einem bestimmten Lebensalter (etwa 85 Jahre wie bei Riester-Verträgen) garantierten Mindestzahlungen und anschließender Restkapitalverrentung ist eine Möglichkeit zum Transfer des Langlebigkeitsrisikos. Derartige Entnahmepläne werden neben Versicherungsunternehmen auch von Investmentgesellschaften und Banken angeboten.

Das Investment- und Inflationsrisiko kann durch die Vereinbarung von zweckmäßigen Mindestrenditegarantien an Finanz- oder Versicherungsunternehmen transferiert werden. Diese können geeignete Anlagestrategien einsetzen, um die zugesagten Anlagerenditen darzustellen. Hierbei ist das Prinzip der Diversifikation innerhalb und zwischen verschiedenen Anlageklassen wie Aktien, Zinstitel und Immobilien sowie die dynamische Anpassung der Asset-Allokation von zentraler Bedeutung.

Volatilität der Aktienmärkte

In den beiden Abbildungen soll dies verdeutlicht werden. Betrachtet werden die historischen Ablaufleistungen aller Sparpläne mit 30-jährigem Anlagehorizont, die sich von 1950 bis 2006 ergeben haben. Hierzu wird wie folgt vorgegangen: Beginnend mit dem Jahr 1950 wird bis 1979 jedes Jahr ein identischer Betrag in Höhe von 100 Euro (abzüglich fünf Prozent Ausgabeaufschlag sowie 0,5 Prozent jährlicher Verwaltungsvergütung) in den Sparplan angelegt und das Ablaufergebnis ermittelt. Anschließend werden die Ergebnisse der Sparpläne im Zeitraum 1951 bis 1980, 1952 bis 1981 und so weiter bis 1977 bis 2006 berechnet.

Drei Anlagestrategien werden analysiert: Die erste Strategie (100 Prozent Aktien) besteht in einer 100-prozentigen Anlage in Deutschen Standardaktien, repräsentiert durch die historischen Renditezeitreihen des Deutschen Aktienindex (Dax). Bei der zweiten Strategie (100 Prozent Zinstitel) werden 100 Prozent in Staatsanleihen investiert, repräsentiert durch den Deutschen Rentenindex (Rex-P).

Bei der letzten Strategie (AS-Lebenszykluskonzept) beträgt die Asset Allokation in den ersten 20 Jahren 75 Prozent Aktien und 25 Prozent Zinstitel. Zehn Jahre vor Ende des Anlagehorizonts wird die Aktienquote sukzessive um jährlich fünf Prozent reduziert, so dass am Sparplanende 25 Prozent in Aktien und 75 Prozent in Zinsanlagen investiert sind. Eine derartige Anlagestrategie mit einer maximalen und minimalen Aktienquote korrespondiert etwa mit sogenannten Altersvorsorgesondervermögen (AS-Fonds), die im Jahr 1998 in das Investmentgesetz integriert worden sind.

In Abbildung 1 sind die Ablaufergebnisse in Prozent der eingezahlten Beiträge dargestellt. Beim reinen Aktiensparplan wird die langfristig hohe Ertragskraft der Aktienmärkte deutlich, welche zu enorm hohen Anlageresultaten führen kann. Beginnt der Sparplan im Jahre 1971 und endet im Jahre 2000, hätte sich der Anleger bei einer jährlichen Sparrate von 100 Euro über ein Endvermögen von rund 42 000 Euro beziehungsweise einen Wertzuwachs von über 1 300 Prozent freuen können.

Allerdings wird aus der Darstellung auch die Volatilität der Aktienmärkte deutlich. Beginnt der Sparplan 1973 und endet im Jahre 2002, beträgt die Wertsteigerung nur noch 371 Prozent. Auch wenn diese Wertsteigerung immer noch hoch ist und deutlich über dem besten Ergebnis einer reinen Anlage in Zinstitel (285 Prozent bei Ablauf im Jahre 1999) liegt, hätte ein Anleger dramatische zeitliche Wertschwankungen ertragen müssen. Wären jedes Jahr 100 Euro investiert worden, hätte sich der Anleger im Jahre 2000 (also zwei Jahre vor Sparplanende) noch über ein Vermögen von zirka 33 000 Euro freuen können, welches zwei Jahre später auf zirka 14 000 Euro zusammengeschmolzen wäre.

Diversifikation des Altersversorgungskapitals

Betrachtet man den AS-Lebenszyklusfonds, ist der Verlauf der Ablaufleistungen im Vergleich zur reinen Aktienanlage deutlich glatter und besonders in den Jahren des Zusammenbruchs der weltweiten Börsenmärkte auch auf einem höheren Niveau. Darüber hinaus übertreffen die historischen Anlageergebnisse des AS-Lebenszyklusfonds diejenigen aus reinen Staatsanleihen deutlich.

Um das zeitliche Verlustrisiko darzustellen, ist in Abbildung 2 der maximale Verlust relativ zu einem einmal erreichten Höchststand dargestellt. Im Jahr des Börsencrashs 2002 beträgt das maximale zeitliche Verlustrisiko für die reine Aktienanlage über 19 000 Euro. Der AS-Lebenszyklusfonds hätte dagegen mit einem Maximalverlust relativ zu einem erreichten Höchststand von nur etwa 1 100 Euro diese turbulenten Börsenjahre glimpflich überstanden.

Die ausschließliche Anlage in reine Zinstitel (100 Prozent Zinstitel) führt zwar zu einem zeitlich sehr stabilen Wertverlauf, bei dem einmal erreichte Anlageergebnisse kaum unterschritten werden (Abbildung 2). Die Abbildung 1 zeigt jedoch, dass diese zeitliche Stabilität mit dem hohen Preis geringer Ablaufergebnisse und damit einem geringen Versorgungsniveau erkauft wird.

Insgesamt zeigt sich, dass eine sinnvolle Diversifikation des Altersversorgungskapitals über mehrere Anlageklassen hinweg - bestehend aus Renditetreibern wie Aktien einerseits und Risikostabilisatoren wie Zinstitel oder Immobilien anderseits - der richtige Weg sind, um für die Bürger ein aus Rendite-/Risikogesichtspunkten effiziente Altersversorgung erreichen zu können.

Bestandsaufnahme der bAV in Deutschland

In Deutschland basiert die (steuerlich geförderte) betriebliche Altersversorgung auf fünf im Betriebsrentengesetz aufgeführten Durchführungswegen: Direktzusage, Unterstützungskasse, Pensionsfonds, Pensionskasse und Direktversicherung. Bei Verwendung der externen Durchführungswege Pensionskasse, Pensionsfonds und Direktversicherung sind steuerfreie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge auf aktuell 4 320 Euro beschränkt. Seit der Rentenreform 2001 hat jeder Arbeitnehmer das Recht, vom Arbeitgeber bis zu dieser Grenze eine Entgeltumwandlung zu verlangen, wobei eine der drei externen Durchführungswege zu wählen ist.

Welcher Durchführungsweg bei welchem Produktanbieter gewählt wird, entscheidet der Arbeitgeber. Alle drei externen Durchführungswege unterliegen einer strengen Staatsaufsicht, welche durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf Basis des Versicherungsaufsichtsgesetzes ausgeübt wird.

Bei Wahl der Direktzusage oder Unterstützungskasse existieren dagegen keine Beitragsgrenzen, das heißt Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerbeiträge können unbegrenzt steuerfrei dotiert werden. Der Arbeitnehmer hat jedoch bei diesen Durchführungswegen keinen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung, sondern muss dies mit seinem Arbeitgeber individuell vereinbaren. Stimmt der Arbeitgeber zu, muss er in der Bilanz Rückstellungen für die zukünftigen Leistungsverpflichtungen bilden. Eine aufsichtsrechtliche Regulierung existiert nicht, allerdings müssen Beiträge an den Pensionssicherungsverein abgeführt werden, der im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers (bis zu bestimmten Grenzen) die Pensionsansprüche übernimmt.

Direktzusage weit verbreitet - Pensionsfonds wenig beliebt

Die Direktzusage ist ein beliebtes Instrument - auch im Mittelstand - um für Führungskräfte (Vorstände, Geschäftsführer, Abteilungsleiter) und hoch qualifizierte Fachkräfte eine betriebliche Altersversorgung aufzubauen. Von den zirka 400 Milliarden Euro Deckungsmittel der betrieblichen Altersversorgung im Jahr 2005 fallen mit 230 Milliarden Euro (57 Prozent) auf die Direktzusage und weitere 34 Milliarden Euro (8,5 Prozent) auf Unterstützungskassen. Dies bedeutet, dass die externen Durchführungswege, welche insbesondere zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung für breite Arbeitnehmerschichten verwendet werden, nur 34,5 Prozent der Deckungsmittel ausmachen.

Der mit der Rentenreform 2001 eingeführte Pensionsfonds ist mit Deckungsmitteln von gerade einmal 1,2 Milliarden Euro (< 0,5 Prozent) im Gegensatz zu Direktversicherungen 46 Milliarden Euro (11,4 Prozent) und Pensionskassen 90 Milliarden Euro (22,4 Prozent) wenig beliebt. Im Gegensatz zu vergleichweise streng reglementierten Pensionskassen und Direktversicherungen, müssen beim Pensionsfonds durch den Arbeitgeber (wie bei der Direktzusage) Beiträge an den Pensionssicherungsverein geleistet werden.

Die Zahlen lassen nur eine Schlussfolgerung zu: Die Arbeitgeber des Mittelstands haben bislang wenig Anreize, sich für die flächendeckende Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung bei ihren Mitarbeitern aktiv zu engagieren. Umgekehrt zeigen auch die im Mittelstand beschäftigten Arbeitnehmer(innen) offensichtlich bislang nur eine geringe Initiative, von ihrem Recht auf Entgeltumwandlung Gebrauch zu machen. An was liegt das?

Probleme des Mittelstands mit der aktuellen Ausgestaltungsform

Aus Sicht der Arbeitnehmer haben sämtliche der oben aufgeführten Durchführungswege den Mangel einer problematischen Portabilität der erworbenen Ansprüche im Falle des Arbeitgeberwechsels. Obgleich hier (auch auf Druck der EU) an verschiedenen Erleichterungen gearbeitet wird, liegt der Kern der Problematik an dem Umstand, dass es sich bei sämtlichen Durchführungswegen um kollektive Systeme handelt. Obgleich kollektive Systeme viele Vorzüge bieten, sind sie jedoch per contructionem mit einer geringen Flexibilität ausgestattet. Dies führt in praxi regelmäßig dazu, dass ein Arbeitnehmer, der in seinem Berufsleben mehrmals den Arbeitgeber gewechselt hat, aus mehreren Quellen eine Betriebsrente bezieht.

Als problematisch aus Sicht des Arbeitnehmers ist dabei auch anzusehen, dass die (nicht verfallbaren) Betriebsrentenansprüche bei einem Arbeitgeberwechsel von dem alten Arbeitgeber auf nominaler Basis "eingefroren" werden können, das heißt nicht mehr an Inflations-/Gehaltssteigerung angepasst werden. In einer Zeit, in der der Arbeitgeberwechsel im Laufe des Berufslebens mittlerweile zur Regel geworden ist, ist die Portabilitätsfrage von zentraler Bedeutung für die Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung aus Sicht der Arbeitnehmer.

Hoher administrativer Aufwand und Haftungsrisiken

Weiterhin sind nicht alle Durchführungswege für kleine und mittelständische Betriebe aufgrund des damit verbundenen administrativen Aufwands und der resultierenden Haftungsrisiken geeignet. Denn Mittelständler und Kleinbetriebe sind (zu Recht) nicht bereit, ihre Familien der dauerhaften Gefahr von (subsidiären) Haftungsansprüchen von Mitarbeitern aus der betrieblichen Altersversorgung auszusetzen.

Im Gegensatz zu Großunternehmen, in denen ganze Abteilungen mit spezialisierten Mitarbeitern sich mit der betrieblichen Altersversorgung beschäftigen, verfügt gerade bei Kleinstbetrieben der Unternehmer meist nicht über genügend Expertise, um die aus der betrieblichen Altersversorgung entstehenden durchaus komplexen Haftungsrisiken konkret einzuschätzen. Durch die Wahl eines externen Durchführungswegs kann der Arbeitgeber zwar einen Teil der Risiken aus der betrieblichen Altersversorgung an den Produktanbieter transferieren. Allerdings entledigt er sich dadurch nicht vollständig von Haftungsrisiken, denn er steht für den Fall, dass der externe Produktanbieter seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, weiterhin subsidiär ein.

Vor- und Nachteile der Direktversicherung

Lediglich mit der Direktversicherung besteht auch für den Kleinbetrieb eine administrativ relativ einfache Möglichkeit, für seine Mitarbeiter eine betriebliche Altersversorgung aufzubauen und gleichzeitig von Haftungsrisiken - jedenfalls bei Vermeidung von zu kurzfristig gezillmerten Abschlusskosten - weitgehend verschont zu bleiben. Abführungen des Arbeitgebers an den Pensionssicherungsverein sind bei der Direktversicherung nicht zu leisten. Insofern kommt die Direktversicherung der ökonomischen Konzeption einer Beitragszusage recht nahe.

Trotz dieser unbestreitbaren Vorteile ist die klassische Direktversicherung auch mit Nachteilen verbunden. Insbesondere ist sie in ihrer gegenwärtigen Konstruktion wenig flexibel hinsichtlich der unterschiedlichen Lebensphasen eines Arbeitnehmers. So ist dieser Durchführungsweg regelmäßig mit einem Todesfallschutz ausgestattet, der insbesondere für junge Arbeitnehmer (ohne Familie, Kinder) in bestimmten Lebensphasen keinen wirtschaftlichen Nutzen hat. Dies verursacht vermeidbare, das erreichbare Versorgungsniveau reduzierende Kosten.

Weiterhin sind die Vermögensanlagen der Direktversicherung aufgrund der garantierten Verzinsungsanforderungen (aktuell 2,25 Prozent per annum) weitgehend in festverzinslichen Wertpapieren angelegt. Tatsächlich ist es jedoch für viele Arbeitnehmer ökonomisch sinnvoll, in jungen Jahren relativ hohe Aktienquoten einzugehen und diese dann mit zunehmendem Alter zugunsten weniger volatiler Anlageformen sukzessive abzubauen.

Die Vermögensanlage erfolgt bei der Direktversicherung kollektiv, die für alle Versicherungsnehmer unabhängig von Alter, Risikobereitschaft, Zeitpräferenz oder bisherigem Wertverlauf gleich ist. Flexible, auf individuelle Aspekte zugeschnittene Anlagekonzepte, wie sogenannte Lebenszyklusmodelle oder individuelle Wertsicherungsstrategien sind mit der klassischen Direktversicherung daher schwerlich umzusetzen.

Investmentbasierter Durchführungsweg im Betriebsrentengesetz?

Eine Möglichkeit, um die Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung bei den Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Mittelstand weiter zu fördern, wäre in Fortführung des Gedankens der Direktversicherung die Einführung eines weiteren investmentbasierten Durchführungswegs im Betriebsrentengesetz. Dieser Durchführungsweg ist so auszugestalten, dass er für den Arbeitgeber mit geringstem administrativen Aufwand durchführbar, möglichst frei von subsidiären Haftungsrisiken und Abführungen an den Pensionssicherungsverein ist. Aus Sicht der Arbeitnehmer sollten die Ansprüche einfach portabel sein, flexible, auf individuelle Lebensphasen zugeschnittene Anlagekonzepte erlauben und für den Kapitalmarkt unerfahrenen Arbeitnehmer prinzipielle Fehler in der Spar- und Entnahmephase vermeiden.

Um dies zu erreichen, sollten die Arbeitgeber in Absprache mit den Arbeitnehmern die Möglichkeit haben, betriebliche Altersversorgungsbeiträge auf individuelle Konten bei Banken oder Kapitalanlagegesellschaften einzuzahlen, mit denen zugunsten der Arbeitnehmer Anteile an geeigneten Investmentfonds erworben werden.

Bislang sind in Deutschland Investmentfonds in der betrieblichen Altersversorgung als selbstständiger Durchführungsweg noch nicht zugelassen, was schon aus wettbewerbspolitischen Gründen fragwürdig ist. Weiterhin steht dies im Gegensatz zu den nationalen Entwicklungen bei der Riester- und Rürup-Rente, bei denen Investmentfonds bei Einhaltung bestimmter Kriterien (etwa Beitragsgarantie, lebenslange Zahlungen) neben Lebensversicherungen als Durchführungsweg der kapitalgedeckten Altersversorgung zugelassen sind.

Auch international sind Investmentfonds ein bedeutendes Instrument in der steuerlich geförderten betrieblichen und privaten Altersversorgung. In den USA sind dies die 40-(k)-Pläne sowie die Individual Retirement Accounts (IRA), in Frankreich die 2004 eingeführten und den 40-(k)-Plänen vergleichbaren "Perco (Plan d´Épargne pour la Retraite Collectif)", in Schweden die verpflichtende Premiumrente, in Italien die 2005 reformierte TFR (Trattamento di Fine Rapporto), die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge in Österreich oder die "Personal Pension Accounts" in Großbritannien.

AS-Fonds, Beitragsgarantie und lebenslange Zahlungen Folgende drei Kriterien sollte ein investmentbasierter Durchführungsweg in der bAV erfüllen:

1. Die Auszahlungsphase sollte analog zur Riester-Rente gestaltet werden, das heißt als Leibrente beziehungsweise als Auszahlplan mit Restkapitalverrentung im Alter von 85 Jahren sowie der Möglichkeit von Einmalanlagen oder variablen Teilraten in Höhe von 30 Prozent des im Ruhestand vorhandenen Kapitals. Damit wären lebenslange Auszahlungen sichergestellt und das Langlebigkeitsrisiko auf einen staatlich regulierten und durch die BaFin überwachten Produktanbieter übertragen.

Zur Kontrolle des Investmentrisikos sollten für den neuen Durchführungsweg zwei Maßnahmen vorgesehen werden:

2. Zur Wahrung der Wertgleichheit müssen die Produktanbieter wie bei der Riester-Rente garantieren, dass zu Beginn der Auszahlungsphase mindestens die eingezahlten Beiträge zur Verfügung stehen. Die Einhaltung dieser Garantie ist durch die BaFin permanent zu überwachen und durch die Produktanbieter gegebenenfalls mit Eigenkapital zu unterlegen (vergleiche hierzu etwa das Rundschreiben BaFin 2/2007 zur Regulierung von Garantiezusagen).

3. Zugunsten der Arbeitnehmer dürfen auf den individuellen Konten nur Investmentanteile in Form von Altersvorsorgesondervermögen (AS-Fonds) gemäß §§ 87 ff. Investmentgesetz erworben werden. Hierbei handelt es sich im Investmentgesetz verankerte und vom Gesetzgeber besonders für die Altersversorgung als geeignet eingestufte Investmentfonds, die mit zusätzlichen Anlagerestriktionen versehen sind. So ist der Aktienanteil auf maximal 75 Prozent, die Investitionsanteile in Immobilien-Sondervermögen auf 30 Prozent beschränkt, gleichzeitig existieren Mindestgrenzen. Die Exponierung gegenüber Währungsrisiken ist auf 30 Prozent limitiert und derivative Finanzinstrumente können nur zu Absicherungszwecken erworben werden.

Erwünschte Diversifikation der Vermögensanlagen

Die genannten Kriterien gewährleisten eine Diversifikation der Vermögensanlagen innerhalb und über verschiedene Anlageklassen (Aktien, Anleihen, Immobilien) hinweg und bewahren den Anleger damit vor prinzipiellen Fehlentscheidungen in der Anlagepolitik. Durch den Einsatz verschiedener Altersvorsorgefonds (etwa risikoorientiert, konservativ) können die Produktanbieter gegebenenfalls in Kombination mit einer geeigneten (dynamischen) Umschichtungsstrategie die abzugebende nominale Beitragszusage verlässlich darstellen, ohne selbst in Haftungsrisiken zu gelangen.

Durch die geeignete rechtliche Separierung der Investmentanteile von Betriebsvermögen des Arbeitgebers (etwa durch ein Treuhandmodell oder durch Bildung von Rückstellungen bei Banken oder Kapitalanlagegesellschaften), sind die Ansprüche der Arbeitnehmer im Insolvenzfall des Arbeitgebers geschützt und der steuerrechtlich relevante Zufluss vermieden.

Diese dreifache Sicherung - nominale durch die BaFin überwachte Beitragsgarantie der Produktanbieter, erhöhte Sicherheit durch Beschränkung auf Altersvorsorgesondervermögen sowie Insolvenzschutz durch Separierung der Investmentanteile rechtfertigen es, den Arbeitgeber von Zahlungen an den Pensionssicherungsverein zu befreien.

Aus Sicht der Arbeitnehmer hat ein solches Konzept viele Vorteile: Zum einen wäre die Portabilität bei einem Arbeitgeberwechsel einfach und kostengünstig möglich, da die erworbenen Investmentanteile auf einen neuen Produktanbieter einfach übertragen oder die bestehenden Konten durch den neuen Arbeitgeber dotiert werden können. Flexible auf die unterschiedlichen Lebensphasen des Arbeitnehmers zugeschnittene Anlagekonzepte sind möglich.

So kann in jungen Jahren die Aktienquote relativ hoch gewählt (allerdings aus Sicherheitsgründen nur bis zu maximal 75 Prozent) und mit zunehmendem Alter zugunsten von konservativen Anlagen sukzessive abgebaut werden.

Chancengleichheit für alle Arbeitnehmer

Insgesamt ließe sich dadurch ein Kompromiss zwischen dem Interesse der Arbeitgeber nach Kalkulierbarkeit der betrieblichen Altersversorgung sowie den Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich Sicherheit, Flexibilität, Transparenz, Portabilität und der Teilhabe an den langfristig hohen Ertragschancen der internationalen Kapitalmärkte erreicht werden. Der durch staatliche Vorgaben auf kontrolliertem Sicherheitsniveau einsetzende Leistungswettbewerb zwischen den Produktanbietern würde gesteigert, was letztlich den Arbeitnehmern und Arbeitgebern, insbesondere des Mittelstands, zugutekommt. Schließlich wäre durch einen solchen Schritt auch in der betrieblichen Altersversorgung Chancengleichheit für alle Arbeitnehmer(innen) des Mittelstands geschaffen.

Fußnoten

1) Siehe Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2007): Der Mittelstand in der Bundesrepublik Deutschland: Eine volkswirtschaftliche Bestandsaufnahme, Dokumentation Nr. 561, Stand Februar 2007, Seite 16.

2) Siehe Sozialschutzausschuss der Europäischen Kommission (2004): Nachhaltigkeit der Systeme der zweiten und dritten Säule und ihr Beitrag zu einer angemessenen Alterssicherung, Vorläufiger Fragebogen der Kommission, Deutscher Beitrag vom 30. Juli 2004, Seite 12.

http://www.bmas.de/coremedia/generator/466/ren-te-fragebogen-kommission.html

3) Siehe Prosa-Kommission (2007): Bericht des Landesbeirats Prosa - Pro Sicherheit im Alter, Ministerium für Arbeit und Soziales Baden Württemberg, Stuttgart.

4) Vgl. hierzu auch Maurer (2005): Zur Rolle der Investmentfonds in der kapitalgedeckten Altersversorgung, ZfgK 24/2005, Seite 31.

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