Gespräch des Tages

DAI - Über die Aktionärszahlen hinaus

"Die Aktie ist ein attraktives Finanzierungsinstrument für Unternehmen, das breiten Bevölkerungsschichten die Chance bietet, sich direkt am Wachstum der Wirtschaft zu beteiligen. Weil Deutschland diesbezüglich freilich noch immer nicht den Stellenwert vergleichbarer westlicher Industrieländer hat, ist es das wichtigste Ziel des Deutschen Aktieninstituts, auch hierzulande eine breit getragene Aktienkultur zu entwickeln". An diesem Anspruch gemessen, wie er fast wörtlich in der Hinführung zu einer Imagebroschüre formuliert ist, ist das DAI beim reinen Blick auf die Aktionärsstatistik nur begrenzt erfolgreich gewesen. Denn auch unabhängig von den aktuellen Verunsicherungen durch die Folgen der Subprime-Krise ist die Zahl der direkten Aktienbesitzer in den vergangenen Jahren rückläufig. Der Höchststand von 6,2 Millionen Aktionären oder 9,7 Prozent der Bevölkerung im Jahre 2000 wird den derzeitigen Zahlen nach um satte 40 Prozent unterschritten (Kreditwesen 3-2008).

Den Erfolg der Arbeit des Verbandes allein an dieser einen Zahl festzumachen, greift freilich zu kurz. Denn zum einen ist das DAI in seinen weiteren Zielsetzungen - etwa einer Stärkung der Position Deutschlands als Standort für Finanzdienstleistungen im internationalen Wettbewerb ebenso deutlich wahrnehmbar wie mit seinen Denkanstößen zur Weiterentwicklung der kapitalmarktpolitischen Rahmenbedingungen und der Verbesserung der Unternehmensfinanzierung in Deutschland. Und zum zweiten ist hierzulande das Umfeld zur Förderung der Aktienkultur eindeutig schwieriger als in anderen Ländern. Dass die historisch gewachsene Ausgestaltung der Altersvorsorge mit ihrem Schwerpunkt auf dem umlagebasierten System der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland Aktieninvestments in der Vergangenheit nicht gerade gefördert hat, ist schon oft genug betont worden. Aber auch in der heutigen Phase, in der immerhin in breiten Kreisen der Bevölkerung die Einsicht in die Notwendigkeit einer Stärkung der Eigenvorsorge durchaus angekommen ist, gibt es gleich mehrere Hindernisse für ein Aufblühen der Aktienkultur.

So ist es - anders als in anderen Ländern - politisch nur in Maßen erwünscht oder umsetzbar, die Altersvorsorge über Aktiensparen steuerlich zu fördern. Und wenn das wie in den Durchführungswegen des Betriebsrentengesetzes für die bAV doch geschieht, so werden solche Maßnahmen sehr zum Leidwesen diverser Interessenverbände durch andere gesetzliche Regelungen oft konterkariert - etwa durch die Halbierung des Steuerfreibetrags auf Kapitaleinkommen. Zu den erschwerten Bedingungen auf dem mühsamen Weg zu einem Volk der Aktionäre zählt ferner der zumindest gefühlte und wahrscheinlich auch empirisch belegbare Anstieg der Volatilität an den (Aktien-)Märkten. Die Gelassenheit, für ihre Altersvorsorge auch in Schwächephasen auf die langfristige Wirkung von Aktienanlagen zu setzen, haben die deutschen Anleger nie gelernt. Nicht zuletzt dürfte auch die Kombination aus historisch begründbarer Risikoscheu mit den Vertriebsmethoden der hiesigen Kreditwirtschaft einen gewichtigen Beitrag für die Beharrungstendenzen bei vergleichsweise bescheidenen Aktionärszahlen leisten. Solange die risikoaversen Anleger von den hiesigen Banken und ihren Tochtergesellschaften mit immer neuen Garantieprodukten bedient werden und sich mit häufigen Umschichtungen ihrer Portfolios auch noch recht ordentlich verdienen lässt, darf man nicht ernsthaft erwarten, an die Aktionärsstruktur anderer Länder anknüpfen zu können.

Dem DAI bleibt unter diesen Bedingungen die offensive Aufklärungsarbeit über grundsätzliche Einwände gegen die eingeschlagene Richtung (siehe Mitarbeiterbeteiligung) und/oder widersprüchliche Detailregelungen in diversen Gesetzgebungsverfahren, (etwa bei der praktischen Ausgestaltung der Abgeltungssteuer). Ruhm in der breiten Öffentlichkeit kann man sich mit der Analyse komplexer Sachverhalte selten erwerben. Aber die Stellungnahmen des DAI für die politischen Gremien (meist in Brüssel) und die Seminare, Publikationen und anderen Dienstleistungen sind Angebote zur Schärfung des Sachverstandes in den Mitgliedshäusern. Denen tut es gerade in Zeiten wie diesen gut, wenn gründlich über die Gestaltung komplizierter Dinge nachgedacht wird.

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