Finanzstabilität

Edgar Meister - "Das Hilfspaket hat den Beteiligten einen Zeitgewinn verschafft"

Reformanstöße ins Stocken geraten

So wie sich die staatliche Verschuldungskrise in den letzten Wochen und Monaten in der politischen Diskussion entwickelt hat, ist es auch müßig zu fragen, ob es statt des Hilfspakets andere alternative Lösungsmöglichkeiten gegeben hätte. Die nach Verabschiedung des Rettungspakets aufgekommenen Zweifel richteten sich weniger gegen das Hilfspaket selbst, sondern fokussierten sich vor allem - wegen befürchteter Ansteckungsrisiken auf andere südeuropäischen Länder - auf die Frage: ob der Rettungsschirm eine Sicherheit dafür geben kann, dass die Griechen ihre Sparpläne tatsächlich umsetzen werden und - hier liegt das vielleicht größere Problem - ob der hohe Schuldenstand Griechenlands - trotz vorübergehender Zinssubventionen - das Land nicht dauerhaft überfordern wird.

Meines Erachtens kann das Hilfspaket, unabhängig von seiner Größenordnung, diese Sicherheit nicht geben. Dennoch ist mit dem Rettungsschirm etwas erreicht worden, was keineswegs geringfügig ist und was in einer akuten Krisenlage durchaus als Erfolg zu werten ist: es hat zunächst die Märkte beruhigt und den Beteiligten einen Zeitgewinn verschafft. Wie groß der Zeitpuffer ist, wissen wir nicht; aber für eine dauerhafte Stabilisierung des Euros dürfte es ein zweites Mal nicht ausreichen, lediglich nur das Hilfspaket aufzustocken.

Die von den G20-Treffen ausgegangenen Reformanstöße für einen weltweiten, strikteren regulatorischen Rahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte sind seit einiger Zeit irgendwie ins Stocken geraten. Unkoordinierte Vorschläge aus einigen Ländern drohen den Fortschritt hin zu gemeinsamen Regulierungsstandards zu stören. Niemand vermag so recht zu erkennen, wo die Gründe für einen solchen Strategiewechsel der Politik liegen. Vermutlich sind es Ungeduld und Frustration über das langsame Tempo der Erarbeitung und Umsetzung globaler regulatorischer Maßnahmen.

Eigentlich sollte es niemanden wirklich überrascht haben, dass die neuen Regulierungsstandards, bevor sie in Kraft treten, einer sorgfältigen Studie über ihre möglichen Auswirkungen auf die Kreditwirtschaft bedürfen. Nout Wellink, der Vorsitzende des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht hat wiederholt darauf hingewiesen, dass Klarheit bestehen sollte, welche Vorschriften international koordiniert würden, bevor auf nationaler Ebene Beschlüsse gefasst werden. Im Übrigen scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass sich auch die G20 selbst für die Implementierung globaler und nicht nationaler Standards ausgesprochen haben, wohl wissend, dass damit ein zusätzlicher Zeitaufwand verbunden ist. Immerhin geht es um so wichtige Themen wie Protektionismus und regulatorische Arbitrage sowie die Erhaltung eines , level playing fields'.

Ein Vorpreschen ist mit weiteren Risiken verbunden: Durch individuelle regulatorische Aktivitäten von einzelnen Staaten wächst die Gefahr einer Kumulierung aufsichtsrechtlicher Vorschriften, wodurch eine volkswirtschaftlich notwendige Abwägung von Kosten und Nutzen erschwert wird oder ganz unterbleibt. Gerade aus dieser Krise müssten wir gelernt haben, dass nur durch internationale Koordination das eigentliche Ziel der notwendigen Reformmaßnahmen erreicht werden kann, nämlich weltweit das Bankensystem und die globalen Finanzmärkte nachhaltig zu stärken.

Ich bin nicht sicher, ob wir schon das Ende der Finanzkrise ausrufen können. Das Problem eines , too big to fail' systemrelevanter Banken ist noch nicht gelöst. Es ist für mich nur schwer vorstellbar, dass einer der unterschiedlichen Lösungsansätze - wie sie derzeit diskutiert werden - vom , narrow banking' in den USA oder den , living wills' in Großbritannien bei den weltweit divergierenden Rechtssystemen für einen globalen Konsens tauglich ist. Das Institute of International Finance (IIF) hat die Diskussion um einen weiteren Vorschlag bereichert, der sicher einer Prüfung unterzogen wird.

Stärkung der Eigenkapitalbasis für systemrelevante Banken

Ich selbst konnte mir über diese Initiative noch keine Meinung bilden; ich neige aber dazu, dass der Ansatz von Basel II, für Risiken im Bankgeschäft eine nach Qualität und Quantität angemessenen Kapitalausstattung vorzuschreiben, gegebenenfalls mit einem Kapitalzuschlag für systemrelevante Institute, am ehesten geeignet ist, den gestiegenen Anforderungen an die Stabilität der Finanzmärkte zu entsprechen. Außerdem sollten die Banken zugleich in die Lage versetzt werden, durch eine deutlich verbesserte Kapitalausstattung einen Wirtschaftsaufschwung durch ausreichende Kreditversorgung der Unternehmen zu unterstützen.

Letztlich dürfte eine Stärkung der Eigenkapitalbasis für systemrelevante Banken am ehesten geeignet sein, auch das , too big to fail'-Problem einer Lösung zuzuführen , zumal keinem der bislang diskutieren Modelle eine reale Chance auf einen globalen Konsens zukommen dürfte.

Zwischenzeitlich sollten die Anstrengungen erhöht werden im OTC-Derivatemarkt und insbesondere beim Handel mit Kreditausfallversicherungen (CDS-Kredit-Default-Swaps) für mehr Transparenz zu sorgen, in dem bereits standardisierte und standardisierbare Finanzinstrumente unter Einsatz einer zentralen Clearingstelle über Börsen gehandelt werden. Hierdurch ließen sich relativ kurzfristig Risiken aus dem Finanzsystem nehmen."

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