Schwerpunkt Personal

Erfolgreiches Recruiting von Vorstandsmitgliedern als Weichenstellung für die Zukunft

Die gesellschafts- und wettbewerbspolitischen Änderungen, der Wertewandel und nicht zuletzt die Wucht der Regulatorik haben die Anforderungen an die Geschäftsleiter von Volksbanken und Raiffeisenbanken deutlich verändert. Damit einher geht eine Bedeutungszunahme der Aufsichtspflichten, insbesondere und auch im Rahmen von Neubesetzungen auf der Vorstandsebene.

Fachliche und menschliche Eignung gesucht

Genossenschaften sind über ihre Zweckdefinition sowohl wirtschaftliche als auch personale Unternehmungen. § 1 GenG stellt mit "Förderung von Erwerb und Wirtschaft der Mitglieder mittels gemeinsamem Geschäftsbetrieb" die natürliche Person in den Mittelpunkt. Auch die personen- statt kapitalgebundenen Abstimmungsregeln in Genossenschaften unterstreichen diesen Aspekt. Wer in einer solchen Organisation ein Unternehmen oder dessen Aufsicht führt, der hat ein hohes Interesse an der sowohl fachlichen als auch menschlich sehr guten Besetzung der Vorstandsposition.

Der Aufsichtsrat ist für den Abschluss von Dienst- und Pensionsverträgen mit dem Vorstand zuständig. Damit nimmt er seine Vertretungsaufgabe der Genossenschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern wahr. Wesentliche Aufgabe für den Aufsichtsrat ist es, ein zukunftsorientiertes und tragfähiges Anforderungsprofil zu erarbeiten. Dabei gilt es, strategische Entwicklungen der Genossenschaft, Veränderungen in der Mitglieder- und Kundenstruktur sowie interne Personalaspekte zu berücksichtigen.

Nicht erst seit der Finanz- und Wirtschaftskrise stehen die Aufsichtsräte dabei vor einer besonderen Aufgabe. Die durch Fusionen bedingten Größensprünge, die Komplexität der rechtlichen Rahmenbedingungen, die neuen Medien, aber auch das Führen mit mehreren Hierarchiestufen und über Distanz definieren Qualifikationsprofile der Vorstände, die im 20. Jahrhundert so nicht erforderlich waren. Die deutlich kritischere öffentliche Wahrnehmung der Banken und der Vorstände führt zu einer weiteren Steigerung des Anforderungsniveaus.

Leadership und Managementqualifikation sind gleichermaßen gefordert. Je nach Institutsgröße braucht es eine adäquate Ausprägung intellektueller Kompetenzen und pragmatischer Fähigkeiten. Zur Bewältigung der Informationsvielfalt werden immer stärker analytische, konzeptionelle und strategische Kompetenzen erwartet. Für die Umsetzung sind integrative und Orientierung gebende Fähigkeiten erforderlich. Charakteristisch für alle Volksbanken und Raiffeisenbanken ist jedoch, dass die Vorstände ihr Geschäft auch operativ verstehen und, anders als in manch anderer Bankengruppe, der gewerbliche und private Mittelstand im Vorstandsmitglied einen Ansprechpartner findet.

Unterstützung des Auswahlprozesses in zehn Schritten

Ziel eines Recruitingprozesses auf Vorstands ebene ist es, eine Kandidatin oder einen Kandidaten* zu finden, der zum Zeitpunkt der Besetzung bestmöglich das Anforderungsprofil und die Rahmenbedingungen abdeckt. Ein strukturierter Prozess ist dabei, auch als Orientierung für alle Beteiligten, hilfreich. So kann zum Beispiel seitens des Aufsichtsratsvorsitzenden im Gesamtaufsichtsrat transparent aufgezeigt werden, in welchen Schritten der Personalausschuss oder das Gesamtgremium eingebunden werden. Die Letztentscheidung liegt im Gesamtaufsichtsrat. In Zusammenarbeit mit den Aufsichtsgremien können seitens des Personalberaters unterstützend folgende zehn Schritte genutzt werden:

- detaillierte Erhebung des Anforderungsprofils,

- Gestaltung einer zielgruppengerechten Personalsuchanzeige,

- Direktansprache potenziell geeigneter Kandidaten,

- Sichtung der Unterlagen, Vorselektion,

- Durchführung von Erstinterviews durch den Berater,

- Präsentation der Projektdokumentation,

- Präsentation der Kandidaten im Aufsichtsrat,

- Erstellung der Anzeige über die Absicht der Bestellung,

- Vorbereitung Eintrittstermin und Einarbeitungszeit,

- Abwicklung aller administrativer Aufgaben.

Augenhöhe zwischen Bank und Bewerber erreicht

Trotz der traditionellen Begrifflichkeit - Arbeitgeber einerseits, Bewerber andererseits - bringt die Arbeitsmarktlage Unternehmen zunehmend in die Funktion eines Werbenden. Dies betrifft nicht nur die Suche von Vorstandsmitgliedern, aber aufgrund der Regionen übergreifenden Außenwirkung ist dieser Aspekt für die anzusprechende Zielgruppe besonders relevant. Längst ist Augenhöhe zwischen Bank und Bewerber erreicht, sodass die Professionalität im Suchprozess ein maßgeblicher Baustein zur Gewinnung qualifizierter Kandidaten ist.

Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen eine mehrheitliche Besetzung der Vorstandsvakanzen mit Bewerbern, die genossenschaftlich sozialisiert sind. Dies hat weniger mit "Kirchturmpolitik" oder "Closed Job" zu tun als mit dem gesunden Verständnis des Aufsichtsrates für kulturelle Integration in der Unternehmensspitze. Im Spektrum der Beurteilungskriterien durch den Aufsichtsrat kommt der kulturellen Passung eine große Bedeutung zu. Auch die Ausprägung mittelständischer Tugenden stellt für viele Gremien Entscheidungsparameter für oder gegen einzelne Bewerber dar.

Darüber hinaus zeigen Studien in mittelständischen Unternehmen, dass interne Besetzungen zu langfristig besseren Unternehmenserfolgen führen. Ein Kandidat aus dem genossenschaftlichen Finanzverbund Volksbanken Raiffeisenbanken ist sozusagen ein "Interner", mit der Zusatzerfahrung aus anderen genossenschaftlichen Unternehmen. Im Rahmen ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Selbstständigkeit passt jede Volksbank Raiffeisenbank das genossenschaftliche Geschäftsmodell mit eigenen Strategien den örtlichen Marktgegebenheiten an.

Diese Souveränität charakterisiert auch die Vorgehensweise bei der Auswahl eines Beratungspartners. Die Zeiten, zu denen die Verbände Pflichtberatungen oder gut gemeinte Tipps ausgesprochen haben, gehören längst der Vergangenheit an. Ebenso hat sich die Funktionsklarheit und -trennung zwischen Personalberatung und verbandsseitiger Prüfung als Selbstverständnis und Grundvoraussetzung einer unabhängigen und qualifizierten Beratungstätigkeit bewährt.

Ziel des Aufsichtsrates und Vorstandes ist es, auch im Recruitingprozess wechselseitig ihre Funktionen und Anforderungen bestmöglich zum Wohl der Genossenschaft einzubringen. Die jeweiligen Sichtweisen ermöglichen so eine ausgewogene Beurteilung der Kandidaten. Viele Aufsichtsräte achten auf folgende Aspekte: Wirkung gegenüber Mitgliedern und Öffentlichkeit, neue Impulse ohne kulturelle Irritation, private und familiäre Situation der Kandidaten, vertragliche Aspekte. Die Vorstandswahrnehmung liegt neben der fachlichen Expertise auf den Komponenten: komplementäres Team, Leistungsbeitrag, Wirkung gegenüber Führungskräften und Mitarbeitern, Machtbalance.

Strukturiertes Vorgehen unter Einbindung des Vorstands

Die bewusste Gestaltung der Einarbeitungszeit sowie die Überlappung mit einem eventuellen Vorgänger orientieren sich an der personellen Ausgangssituation (interner Kandidat, Bewerber mit/ohne Vorstandserfahrung) sowie der jeweiligen Unternehmenssituation und soll neben einem gelungenen Start zur langfristig erfolgreichen Vorstandstätigkeit beitragen.

Die Suche nach geeigneten Führungspersönlichkeiten für die Vorstandsebene der Volksbanken und Raiffeisenbanken unterschiedlichster Größenordnungen mit differenzierten Anforderungsprofilen erfordert ein klares, strukturiertes Vorgehen vom Aufsichtsrat und die bewusste Einbindung des Vorstandes. Das Wissen um die heutigen und zukünftigen Herausforderungen sowie eine gute Portion Bauchgefühl und Menschkenntnis erhöhen die Chancen auf eine gedeihliche und erfolgreiche Zusammenarbeit.

* Nachfolgend wird zugunsten der Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet.

Jürgen Wache , Vorstandssprecher , Hannoversche Volksbank
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