Aufsätze

Erfolgsmodell Sparkasse - Fundament und Herausforderungen

Seit über 200 Jahren gibt es Sparkassen in Deutschland. Wenn sich eine Unternehmensform über einen langen Zeitraum als Erfolgsmodell etabliert hat und in Zeiten der Finanzmarktkrise eine so deutliche Renaissance erfährt, dann lohnt es sich, einen Blick auf ihre zentralen Fundamente und aktuellen Herausforderungen zu werfen. Als Konstante kristallisiert sich dabei der öffentliche Auftrag heraus, in dessen Rahmen sich die Sparkassen zu einem festen Bestandteil des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens entwickelt haben. Auch haben sie sich über so lange Zeit etabliert, weil sie sich den Herausforderungen der verschiedenen zeitlichen Epochen immer offen gestellt haben und bei aller Tradition auch immer mit der Zeit gegangen sind. Aktuelle Beispiele hierfür sind die Entwicklungen im Onlinebanking oder die künftige Gestaltung der Zusammenarbeit mit den Landesbanken.

Der öffentliche Auftrag heute

Zentrale Grundidee der ersten Sparkassengründungen war es, schwächeren Bevölkerungskreisen über kommunale Selbsthilfeeinrichtungen die Möglichkeit zur Ersparnisbildung zu geben und den Wirtschaftsunternehmen vor Ort einen einfachen Zugang zu Krediten mit fairen Bedingungen zu verschaffen. Der aus dieser Idee resultierende öffentliche Auftrag der Sparkassen ist bis heute das Fundament ihrer unternehmerischen Grundausrichtung und eine wichtige Grundlage für die in Deutschland im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Versorgung der Menschen und Unternehmen mit Finanzdienstleistungen und -produkten.

In der Praxis resultieren aus der heutigen Interpretation des öffentlichen Auftrags im Wesentlichen drei Kernaktivitäten. Zum Ersten stellen die Sparkassen sicher, dass jeder Mensch und jedes Unternehmen in Deutschland einen gesicherten, schnellen und ortsnahen Zugang zu Finanzdienstleistungen und -produkten hat. Das Regionalprinzip garantiert dabei, dass dieses Angebot in allen Regionen Deutschlands vorgehalten wird und es - anders als in Ländern ohne kommunale Sparkassen keine "angebotsfreien Zonen" gibt. Gerade im Rahmen der Finanzmarktkrise ist die hohe Bedeutung regional ausgerichteter Sparkassen für die mittelständische Realwirtschaft erneut deutlich geworden.

Zum Zweiten unterstützen die Sparkassen die wirtschaftliche und strukturpolitische Entwicklung in ihren jeweiligen Geschäftsgebieten. Hier bringen sie sich nicht nur finanziell, sondern oftmals auch personell ein und stellen so ihr Know-how für die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort zur Verfügung. Auch in diesem Zusammenhang hat sich über die Jahre eine "symbiotische Beziehung" zwischen den Sparkassen, ihren kommunalen Trägern und ihren Regionen entwickelt, die auch deshalb so gut funktioniert, weil alle Beteiligten von ihr profitieren.

Das dritte aus dem öffentlichen Auftrag resultierende Handlungsfeld der Sparkassen ist die Unterstützung der gesellschaftlichen Entwicklung in ihren Geschäftsgebieten. Dazu ist zunächst anzumerken, dass heute alle Unternehmen zunehmend gefordert sind, Verantwortung nicht nur für sich, sondern auch für andere zu übernehmen. "Corporate Responsibility" hat in diesem Zusammenhang in den vergangenen Jahren mehr und mehr Einzug in den deutschen Sprachgebrauch und die Unternehmenspraxis gehalten. Beschrieben wird damit ein breites Spektrum von rechtlich relevanten Pflichten eines Unternehmens bis hin zu seinen freiwilligen, nicht einforderbaren Aktivitäten. Dies können zum Beispiel Sponsoringaktivitäten, Spenden oder die Gründung beziehungsweise Dotierung von Stiftungen sein.

Rentabilität - kein Selbstzweck

Für die Sparkassen-Finanzgruppe ist die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung jedoch nicht nur die Erfüllung einer externen Anforderung, sondern seit jeher ein bedeutender Bestandteil ihres inneren Selbstverständnisses. Ein Paradebeispiel hierfür sind ihre Stiftungsaktivitäten. Bis heute hat sie 680 Stiftungen mit einem Dotationskapital von 1,8 Milliarden Euro gegründet. Die Förderleistungen der Stiftungen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und betrugen im vergangenen Jahr rund 71 Millionen Euro. Addiert man das gesamte gemeinnützige Fördervolumen der Sparkassen-Finanzgruppe, stellt sie jeden Tag weit über eine Million Euro für das Gemeinwohl zur Verfügung und engagiert sich damit wie kaum eine andere Unternehmensgruppe in Deutschland für das öffentliche Leben.

Tradition - Basis für Innovationen

In den vergangenen Jahren der zunehmenden Globalisierung hat bei vielen Unternehmen der Trend zu einer extrem einseitigen Ausrichtung nach dem Share-holder-Value zugenommen. Kurzfristiges Denken "von Quartalsbericht zu Quartalsbericht" und die stetig steigende Ausrichtung nach möglichst maximalen Renditen sind damit einhergegangen. Ausgehend davon ist es in der Vergangenheit zu Exzessen gekommen, die in der aktuellen Finanzmarktkrise gipfelten. Renditegier und übermäßige Investitionen in das Kreditersatzgeschäft ließen die globalen Kapitalmärkte fast kollabieren. Will man Vergleichbares in der Zukunft vermeiden, bedarf es unter anderem grundsätzlicher Korrekturen im Wertesystem der Finanzwirtschaft. Dabei muss sich die Bankenwelt wieder stärker auf ihre traditionelle Rolle als Dienstleister für die Realwirtschaft besinnen und Nachhaltigkeits- und Stabilitätsaspekten einen deutlich breiteren Raum geben als der bloßen Renditeerzielung.

Mit der Zeit gehen - dies ist der Anspruch der Kunden an Sparkassen. Aktuelle Neuerungen am Markt, ob eher technisch getrieben oder auch organisatorischer Natur, werden sukzessive von den Kunden als Innovationen ihres Kreditinstitutes erwartet. Die Sparkassen stellen sich diesem Veränderungswunsch, ohne jedoch die eigenen Wurzeln aufzugeben. Damit bleibt die Sparkasse - bei aller Veränderung - für ihre Kunden unverwechselbar.

Eine technisch und organisatorische Herausforderung der letzten Jahre war sicherlich die Entwicklung und Integration des Online-Bankings. Während viele Kreditinstitute das Online-Banking als Substitution für den Filialbetrieb sehen, um hierüber eine möglichst hohe Kostendegression zu erzielen, betrachten die Sparkassen, diesen Vertriebsweg als eine Leistung "addon". Denn die Präsenz in der Fläche durch die Geschäftsstellen vor Ort aufzugeben wäre gleichbedeutend mit der Aufgabe eines Wesensmerkmals der Sparkassen ihrer Regionalität und Ortsverbundenheit.

Stattdessen fügen Sparkassen einen neuen Vertriebsweg in das Angebot ein und überlassen den Kunden die Wahl, auf welchem Weg sie ihre Sparkasse aufsuchen, über den "direkten" oder den "persönlichen". Dabei geht es nicht um ein "entweder oder", sondern ein "sowohl als auch". Die Auswahl wird sicherlich von der individuellen Situation, dem Bedürfnis oder auch dem Produktwunsch des Kunden geprägt, und er kann sich immer wieder neu entscheiden.

Damit erlebt der Kunde einen deutlichen Mehrwert gegenüber reinen Internetbanken oder den filialschwachen Kreditinstituten. Ziel der Sparkassen bei dieser Innovation, wie auch bei den vielen anderen ist es, den Veränderungen ihr regionales, kundenorientiertes Profil zu geben und so beispielsweise einem an sich anonymen Vertriebsweg "Internet" ein Gesicht zu verleihen und mit Emotionen zu verbinden. Sicherlich befinden sich die Sparkassen beim Internet und seinen Möglichkeiten noch am Anfang der Entwicklung, das Thema bietet noch viele Herausforderungen und Chancen. Sie werden sich diesen Anforderungen stellen und auch weiterhin bei den Entwicklungen den Blick des Kunden im Mittelpunkt halten.

Verbundzusammenarbeit erneuern

Die Verbundstruktur der S-Finanzgruppe hat sich in der Vergangenheit nicht zufällig ergeben, sondern ist zu großen Teilen durch die dezentrale, mittelständisch geprägte Struktur der deutschen Wirtschaft entstanden, in der die über 3,5 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen auf leistungsstarke regionale Finanzpartner angewiesen waren und sind. Neben diesem volkswirtschaftlichen Nutzen war die Verbundstruktur auch immer ein betriebswirtschaftlich gutes Modell, da sie lokale Vertriebsstärke mit überregionaler Kräfte- und Mengenbündelung kombinierte.

Wenn es heute um das Miteinander von Sparkassen und Landesbanken geht, wird teilweise der Eindruck erweckt, als sei eine erfolgreiche Zusammenarbeit beider Akteure die Quadratur des Kreises. Dabei hat die Vergangenheit längst das Gegenteil gezeigt: Der freiwillige Verbund aus Retail-Sparkassen und Wholesale-Landesbanken hat über Jahrzehnte hinweg gut funktioniert und mit dazu beigetragen, dass der deutsche Finanzmarkt mit seiner Drei- Säulen-Architektur einer der stabilsten und wettbewerbsintensivsten Finanzmärkte weltweit ist. Der Erfolg der Kooperation von Sparkassen und Landesbanken lag dabei immer auch darin begründet, dass beide nach marktwirtschaftlichen Prinzipien auf freiwilliger Basis zusammengearbeitet haben und voneinander profitieren konnten: Die Sparkassen bekamen Dienstleistungen und Produkte, die sie selber nicht wirtschaftlich sinnvoll darstellen konnten und die Landesbanken generierten über das dezentrale Vertriebsnetz beziehungsweise die Kunden der Sparkassen eigene Zusatzerträge.

In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für die Verbundzusammenarbeit jedoch verändert: Im Verlauf der zunehmenden Globalisierung richteten die Landesbanken ihre Geschäftsmodelle mehr und mehr am internationalen Großkunden-, Projektfinanzierungs- und Kapitalmarktgeschäft aus. Parallel dazu kam es innerhalb des Sparkassensektors zu einer großen Konsolidierungswelle, in deren Verlauf die Betriebsgröße der Institute stetig anstieg und ihre Anzahl parallel abnahm. So gab es beispielsweise in Deutschland 1990 noch 770 Sparkassen. Heute sind es 440. In Folge der ansteigenden Betriebsgrößen - gepaart mit der fortschreitenden technischen Entwicklung - konnten viele Sparkassen zunehmend Leistungen in Eigenregie erstellen, die ihnen vorher von den Landesbanken angeboten wurden. Diese Entwicklung hat mit dazu beigetragen, dass heute, wo den Landesbanken wichtige Teile ihrer Geschäftsmodelle abhanden gekommen sind, die Nachfrage der Sparkassen nach Landesbankenleistungen nicht mehr in dem Maße vorhanden ist, wie es für die dauerhafte Existenz von sieben Lan-desbank-Gruppen nötig wäre.

In den vergangenen Monaten sind zur Landesbankenkonsolidierung und zur künftigen Zusammenarbeit von Sparkassen und Landesbanken zahlreiche Diskussionsvorschläge eingebracht worden. Da die Sparkassen durchaus auch weiterhin Landesbankenleistungen abrufen möchten und sich bei der Neugestaltung des Landesbankensektors aktiv einbringen wollen, haben sie hierfür das Modell einer Kombination aus horizontaler und funktionaler Neugliederung vorgeschlagen. Der damit

angestrebten Verdichtung der Landesbanken auf drei regionale Blöcke ist nach wie vor einiges abzugewinnen, auch wenn die Sparkassen mit noch weniger Landesbanken ebenso gut leben könnten. Realistischerweise muss aber akzeptiert werden, dass eine Konsolidierung hin zu nur noch einer Landesbank in nur einem Schritt eine organisatorische und politische Herkulesaufgabe wäre, die kurzfristig nur schwer zu stemmen wäre. Das soll jedoch nicht heißen, dass dieses Ziel nicht auf der mittelfristigen Agenda stehen darf.

Auch wenn heute noch zahlreiche Aspekte zu klären sind, so ist dennoch absehbar, dass es in nächster Zeit zu einer - wie auch immer gearteten - Konsolidierung und geschäftspolitischen Neuausrichtung der Landesbanken kommen wird, bei der die EU ein gewichtiges Wörtchen mitreden wird. Wenn es anschließend "Landesbanken neuer Prägung" gibt, wird es ein zentraler Punkt sein, wie und auf welcher Basis diese und die Sparkassen auf Basis marktwirtschaftlicher Prinzipien zusammenarbeiten können. Unter der Prämisse, dass der Landesbankensektor weiterhin der Sparkassen-Finanzgruppe angehört, könnten die Eckpunkte hierzu in einer Art "Grundlagenvertrag" vereinbart werden, in dem die übergreifenden Ziele der Zusammenarbeit festgeschrieben werden könnten. Hier wären zum Beispiel die zentralen Kooperationsfelder sowie wesentliche Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen zwischen Sparkassen und Landesbanken festzulegen. Im Ergebnis würde damit ein gemeinsames Dach für die künftige Zusammenarbeit geschaffen.

Um unter diesem Dach erfolgreiche Sparkassenmerkmale wie "Dezentralität" oder "Subsidiarität" beizubehalten, müsste der "Grundlagenvertrag" genügend Spielraum für ergänzende bilaterale Umsetzungsvereinbarungen lassen, in denen die Zusammenarbeit für das Tagesgeschäft operationalisiert werden kann. Darin könnte beispielsweise die Institutionalisierung eines gemeinsamen Planungs- und Steuerungsprozesses für die einzelnen Kooperationsfelder vereinbart werden, auf dessen Basis dann individuelle Absatz- und Vertriebsziele geplant werden könnten.

Priorität für die Konsolidierung der Landesbanken

Diese praxisorientierten Aspekte einer erneuerten Verbundzusammenarbeit sind sicherlich erst der zweite Schritt. Vorab gilt es die Konsolidierung der Landesbanken zu erreichen, um hierauf aufsetzend ein aus der traditionellen Zusammenarbeit von Sparkassen und Landesbanken fortschrittliches Zukunftsmodell zu gestalten. Dass die Sparkassen innovative Ideen in ihr Modell einarbeiten können, ohne ihre Identität aufzugeben, zeigt nicht zuletzt die Entwicklung im Onlinebanking. So werden die Sparkassen auch in Zukunft als regionale Kreditinstitute in öffentlichrechtlicher Rechtsform ihren öffentlichen Auftrag wahrnehmen und das "Erfolgsmodell Sparkasse" weiterentwickeln.

Alexander Wüerst , Vorsitzender des Vorstands Kreissparkasse Köln und Landesobmann der rheinischen Sparkassen , Kreissparkasse Köln
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