Leitartikel

Geldpolitik im Goldilocks-Szenario

So gut und so klar waren die Rahmenbedingungen für die Geldpolitik selten. Die Konjunktur zieht an, in den Industrieländern noch stärker als in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Die Preise sind stabil. Die Inflationsrate liegt sogar unter dem von den meisten Zentralbanken als Zielgröße angenommenen zwei Prozent. Die große Wirtschafts- und Finanzkrise ist vorbei. Die Eurokrise ist auf dem Weg der Besserung. Das ist "Goldilocks" pur.

In einer solchen Situation kann und sollte die Geldpolitik Abschied von der ultralockeren Geldpolitik nehmen, die in den vergangenen Jahren zur Krisenbekämpfung erforderlich gewesen war. Es geht nicht um eine neue Restriktionspolitik. Es geht lediglich um eine Normalisierung der monetären Verhältnisse. Damit kann man künftigen Inflationsgefahren vorbeugen. Die Bildung von Blasen an den Kapitalmärkten wird verringert. Die Zentralbanken können wieder geldpolitische Munition sammeln für den Fall, dass in Zukunft eine Überhitzung in der Wirtschaft verhindert werden muss. Denn auch das wird es ja wieder geben.

Natürlich muss man bei der Normalisierung der Verhältnisse vorsichtig vorgehen. Es darf nicht passieren, dass die Konjunktur abgewürgt wird und die Welt wieder in die Krise zurückfällt. Dafür ist die Arbeitslosigkeit noch zu hoch. Es darf auch nicht zu einer Deflation und japanischen Verhältnissen kommen, wie das der Internationale Währungsfonds befürchtet. Die Kapitalmärkte müssen schonend behandelt werden. Sie haben sich in den vergangenen Jahren sehr stark auf die Liquidität der Notenbanken verlassen und müssen sich erst wieder auf eine fundamental, das heißt von der Realwirtschaft getriebene Entwicklung einstellen.

Die Zentralbanken der Industrieländer müssen auch deshalb vorsichtig vorgehen, damit die Schwellen- und Entwicklungsländer nicht in die Bredouille kommen. In den letzten Jahren war viel kurzfristiges Geld in die Dritte Welt geflossen, das nunmehr wieder zurückschwappen könnte. Einen Vorgeschmack dafür, was passieren kann, haben wir im vergangenen Sommer erlebt. Damals standen wir kurz vor einer größeren Finanzkrise in Staaten der Dritten Welt. Das ist es, was wir in diesem Jahr am wenigsten brauchen.

Die Aufgabe der Geldpolitik 2014 ist also klar. Wer nun erwarten würde, dass die Zentralbanken jetzt in trauter Einigkeit und in enger Kooperation an die Arbeit gehen würden, sieht sich freilich getäuscht. Die Strategien der einzelnen Notenbanken sind so unterschiedlich und so stark von den jeweiligen regionalen Prioritäten geprägt wie schon lange nicht mehr.

Noch am nähesten kommen die USA dem, was weltwirtschaftlich angebracht ist. Die Federal Reserve hat zu Jahresanfang begonnen, das Volumen ihrer Wertpapierkäufe zu verringern (das sogenannte Tapering). Das ist noch keine Restriktion. Nicht das Volumen der Liquidität wird verringert, sondern nur der monatliche Zuwachs. Erst wenn das Tapering ausgelaufen ist - vielleicht in der zweiten Jahreshälfte - wird die Fed überlegen müssen, auch die Liquidität insgesamt zu verringern. Auch über Zinserhöhungen wird die Federal Reserve dann nachdenken müssen, obwohl sie dies im Augenblick noch kategorisch ausschließt.

Großbritannien, wo sich die gesamtwirtschaftliche Lage im letzten Jahr überraschend stark verbessert hat, hat die Normalisierung der Geldpolitik - jedenfalls in offiziellen Äußerungen - bisher noch nicht ins Visier genommen. Das gilt sowohl für die Liquiditätsversorgung wie auch für die Zinsen. Allerdings nimmt der Druck zu, dass die Notenbank ihren expansiven Kurs zurückfährt. Die Strategie der "Forward Guidance", das heißt das Versprechen, die Zinsen auf längere Zeit hinaus nicht anheben zu wollen, wird zunehmend unglaubwürdiger.

Die Europäische Zentralbank auf der anderen Seite ist noch ganz weit von der notwendigen Normalisierung der Geldpolitik entfernt. Im Gegenteil. Wenn man die Äußerungen der Notenbank verfolgt, ist mehr davon die Rede, die monetären Bedingungen weiter zu erleichtern, als die ultralockere Geldpolitik zu beenden.
Natürlich ist die gesamtwirtschaftliche Lage hier etwas anders. Die Konjunktur beginnt sich langsamer zu erholen. Die Schuldnerländer in den Peripheriestaaten haben nach wie vor eine sehr hohe Arbeitslosigkeit. Die monetären Bedingungen sind weiter angespannt. Bankkredite gehen zurück, die Geldmenge nimmt nur langsam zu. Zudem steigt die Bilanzsumme der Notenbank - als Maß für die expansive Haltung - anders als in den USA nicht an, sondern sie geht absolut zurück. Man kann aber schon fragen, ob hier nicht die Gefahr besteht, prozyklisch zu wirken.

Den Extrempunkt in der internationalen Geldpolitik stellt die Bank of Japan dar. Sie hat erst im letzten Jahr das Ausmaß der Lockerung noch einmal kräftig erhöht. Sie kauft auf Teufel komm raus Wertpapiere am Kapitalmarkt, um die wirtschaftliche Erholung zu beschleunigen und die Inflationsrate auf zwei Prozent anzuheben. Das ist freilich ein Sonderfall. Japan versucht eine Kehrtwende der gesamten Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik, um die Wirtschaft auf den Expansionspfad eines normalen Industrielandes zu bringen.

Wenn die großen Zentralbanken der Welt unterschiedliche Wege gehen, ist immer Vorsicht geboten. Das Geringste ist, dass sich die Maßnahmen der Notenbanken gegenseitig behindern. Das Tapering in den USA macht es für die Notenbanken in Frankfurt und Tokyo schwieriger, ihren expansiven Kurs durchzuhalten.

Erheblicher sind die Auswirkungen auf die Devisenmärkte. Hier droht eine verstärkte Volatilität. Eigentlich müsste sich bei dieser Konstellation der Dollar befestigen. Der japanische Yen und der Euro müssten schwächer werden. Beim Yen hat sich das auch so gezeigt. Der Euro steht dagegen im Spannungsfeld einer sehr expansiven Geldpolitik der EZB, die eher zu Kapitalabflüssen führen müsste, und den strukturellen Verbesserungen in den Schuldnerländern der Peripherie, die internationales Kapital anlocken. Die unterschiedliche Liquiditätsentwicklung in den USA und im Euroraum spricht für den Euro.

Händler an den Devisenmärkten können sich auf spannende Zeiten einstellen.

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