Kreditwesen aktuell

Immer wieder Düsseldorf

Meist sind Traditionen etwas Schönes, erinnern sie doch an Gutes aus vergangenen Tagen. Auf manche Wiederholungen könnte der Betrachter wie bei zahllosen schlechten Fernsehfilmen oder -serien gut und gerne verzichten. Die WestLB ist solch ein Fall. Leider ist es in Düsseldorf zur Regel geworden, in mehr oder minder kurzen Abständen für Skandale zu sorgen, die dann auch stets personelle Konsequenzen nach sich ziehen und mitunter auch den Vorstandschef seinen Posten kosten. Nein, ruhiges, sachliches, zielführendes Arbeiten sieht in der Tat anders aus.

Jüngstes unrühmliches Beispiel ist die Entlassung des Vorstandsvorsitzenden Thomas R. Fischer und des Risikovorstandes Mathijs van den Adel als Konsequenz aus verlustreichen Handelsgeschäften mit Stammaktien von VW. Das kostet die Bank mehrere Millionen Euro, kann aber über eine starke Eigenkapitaldecke aufgefangen werden, sodass sich der Aufsichtsrat sicher ist, am Jahresende trotzdem einen Gewinn präsentieren zu können. Was verwundert, ist, dass Fischer nicht von sich aus gekündigt hat, sondern entlassen werden musste. Sicherlich, er hat bis zum Schluss gekämpft. Doch das hat er in Stuttgart bei der frisch geschaffenen LBBW und in Frankfurt bei der Deutschen Bank auch. Hier allerdings hat er nach den erlittenen Niederlagen selbst und aufrecht das jeweilige Haus verlassen. Fühlt er sich also immer noch im Recht? Dem widerspricht Aufsichtsratschef Rolf Gerlach, indem er sagt, die vorliegenden Zwischenergebnisse des Sondergutachtens hätten dem Aufsichtsrat die personellen Entscheidungen nahegelegt. Also doch Missmanagement und Fehlinformation? Oberaufseher Jochen Sanio hat mit aller sachlichen und zielführenden Unterstützung diese Sache der Bank überlassen. Gewarnt vom Fall Wächter und Fraspa hat er bei der entscheidenden Abstimmung den Raum verlassen, allerdings nicht ohne vorher mitgeteilt zu haben, das Amt behalte sich weitere aufsichtsrechtliche Maßnahmen nach der Entscheidung des AR vor.

Die Liste der Düsseldorfer Verfehlungen ist aber noch viel länger: Der Fall Box Clever ließ Jürgen Sengera stolpern, Friedel Neuber schaffte trotz miserablen EU-Managements und mehrerer böser Niederlagen seine Amtszeit zu Ende, auch wenn seine Figur erhebliche Kratzer abbekommen hat, und auch Helmut Lipfert sollte man an dieser Stelle nicht vergessen. Der von ihm verursachte Devisenskandal belastete mit mehr als zwei Milliarden Mark. Das Wirken in Düsseldorf war und ist - nicht zur Verteidigung, nur zur Erinnerung - aber auch nicht leicht. Die politische Einflussnahme ist im Geschäftsgebiet mit dem Ruhrpott und massenhaft guter alter deutscher Industriepolitik sicherlich nicht leicht gewesen. Im Gegenteil: Man hat von der Bank vielleicht stets mehr verlangt, als sie zu leisten im Stande war. Und sie durfte längst nicht alles, was sie wollte und für sinnvoll hielt. Die die Hessische Landesbank stärkende Fusion mit einer ortsansässigen Sparkasse wurde in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt politisch verhindert. Und auch in den laufenden Sondierungsgesprächen zu größeren Landesbankenlösungen stellen die strukturpolitischen Anforderungen der Landespolitiker stets ein Hindernis dar. Wobei dafür die abgespaltene NRW Bank als Förderbank doch bei weitem ausreichen würde.

Hinzu kommt die keinesfalls einfache Situation mit zwei selbstbewussten und höchste unterschiedlichen Sparkassenverbänden im Rücken. Das kleinteilige Westfalen einerseits und das von Großsparkassen geprägte Rheinland. Nicht, dass sich Rheinländer und Westfalen ohnehin bestens verstehen würden. Und dann ist da ja auch noch dieser permanente, bis in die jüngsten Tage zu spürende Zwang, größer und besser als andere sein zu müssen. Wer viel macht, macht auch viel falsch, so sagt der Volksmund. Manchmal hat er recht. Und wenn heute über Thomas Fischer nicht nur gut gesprochen wird, so muss doch jeder der Beteiligten bei sich selber anfangen. Kleine Schritte waren Fischers Sache nie, ein ausgeprägtes Diplomatieverständnis und mangelndes Selbstbewusstsein zählen sicher nicht zu seinen herausragenden Charaktereigenschaften und Sparkassen sind nicht nur liebenswert. Das alles wusste man aber schon lange bevor man ihn 2004 auf den Chefsessel hob. Nein, nein, man wollte mit Fischer wieder (zu) hoch hinaus.

Vergleichbar hierzu ist München mit der HVB, die sich nach der Fusion von Bayerischer Hypotheken- und Wechselbank und Bayerischer Vereinsbank auf Platz zwei der deutschen Bankenskala wiederfand und sich umgehend zum Deutsche-Bank-Jäger Nummer Eins ausrief. Das Ende ist wohlbekannt. München ist nicht mehr nur die selbsternannte italienischste Stadt Deutschlands, nun wird die Bank auch von Italien regiert. Ähnliches wird binnen Jahresfrist, heißt es, unausweichlich auch mit der WestLB geschehen. Die Aufgabe des neuen Vorstandsvorsitzenden Alexander Stuhlmann ist es einzig und allein, die Bank sauber in eine Fusion zu führen. Was muss man als Vorstandsvorsitzender dafür mitbringen? Man muss zweifellos großes Vertrauen in der Sparkassenorganisation und bei den Primärbanken genießen. Man muss Fusionserfahrung haben und in dieser schwierigen Situation vor allem mit politischen und S-politischen Widerständen klarkommen. Man muss also überzeugen und mitnehmen können. Man darf, angesichts der Situation, in der sich die WestLB derzeit befindet, und trotz des nahezu zwanghaft wiederholten Betonens, eine "aktive" Rolle spielen zu wollen, keinerlei Führungsanspruch haben, und sollte nach vollzogener Arbeit ins zweite Glied rücken oder gar ganz ausscheiden. Und man muss schnell verfügbar sein. Vieles davon trifft auf Alexander Stuhlmann zu. Dass sein Abschied bei der HSH Nordbank nach acht Jahren nicht nur glatt ging, sondern von privaten Immobiliengeschäften begleitet war, hat seinem Ruf offensichtlich nicht nachhaltig geschadet.

Der Fall WestLB zeigt aber auch, dass manche der immer noch elf, davon acht unabhängigen Landesbanken in Deutschland mangels zukunftsfähiger Geschäftsmodelle mitunter ein Risiko für die von BaFin und Bundesbank so geachtete Financial Stability darstellen. Eine Lösung für die WestLB sollte die durchaus vorhandenen Stärken dieser Bank berücksichtigen, das ist nicht die Schiffsfinanzierung und das ist auch nicht - trotz deutlich verbesserter Verbundquote von mehr als 70 Prozent - das gute alte Girozentralen-Geschäft. Aber als Investmentbank mit einem ordentlichen Anteil Auslandsgeschäft würde sie fein in eine wie auch immer geartete Landesbankenzukunft passen. Was in einer solchen Zukunft dann wohl mit dem VÖB passiert, dessen Präsident Fischer war?

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