Aufsätze

MiFID - Wohlverhaltensregeln und Anlageberatung: Auswirkungen auf eine Privatbank

Durch die am 21. April 2004 verabschiedete Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) wurde ein weiterer Schritt zur Harmonisierung des europäischen Kapitalmarkt- und Bankrechts vollzogen. In der Folge hat die Europäische Kommission am 10. August 2006 Durchführungsmaßnahmen in Form einer Durchführungsrichtlinie und einer Durchführungsverordnung verabschiedet.

Enger Zeitrahmen bis zur Umsetzung

Im Rahmen des folgenden nationalen Rechtssetzungsprozesses liegt seit dem 15. November 2006 ein vom Bundeskabinett verabschiedeter Entwurf des Finanz-markt-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (FRUG) vor, mit deren Verabschiedung durch die parlamentarischen Gremien bis Ende März 2007 gerechnet wird. Weiter erläuternde Rechtsverordnungen des Bundesministeriums für Finanzen werden im Entwurf voraussichtlich im Januar 2007 veröffentlicht. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Regelungen insgesamt ab 1. November 2007 anzuwenden.

Wesentliche Teile des FRUG-Entwurfs betreffen Ergänzungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG-E), auf die in den folgenden Ausführungen verwiesen wird. Dabei sind insbesondere neue aufsichtsrechtliche und organisatorische Regelungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit dem Schwerpunkt im Anlegerschutz und der Marktintegrität vorgesehen. Im Zusammenhang mit dem Anlegerschutz werden nachfolgend die Grundzüge der Wohlverhaltensregeln und die Anforderungen an die Anlageberatung mit den Auswirkungen auf der Geschäftstätigkeit einer Privatbank dargestellt, die einen Schwerpunkt im individuellen Geschäft mit vermögenden Privatkunden hat.

Durch das MiFID-Regime werden neue Regelungen zu einer aufsichtsrechtlichen Kundenkategorisierung (§ 31a WpHG-E) mit den Kategorien "Privatkunde" und "professioneller Kunde" eingeführt.1)

Ausgangspunkt: Kundenkategorisierung

Um einen Kunden als (geborenen) professionellen Kunden einzustufen, müssen gesetzliche Kriterien (§ 31a WpHG-E) erfüllt werden. Dies kann per se durch Zuordnung zu einer der genannten Fallgruppen erfolgen. Zu den professionellen Kunden können zum Beispiel Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Versicherungen, Regierungen, Zentralbanken und andere vergleichbare Institutionen gerechnet werden. Die Systematik des WpHG-E sieht vor, dass ein Kunde, der nicht die Kriterien des (geborenen) professionellen Kunden erfüllt, zunächst als Privatkunde einzustufen ist. Privatkunden können jedoch auf Antrag oder durch Festlegung des Instituts bei Erfüllung bestimmter Kriterien den Status des (geborenen) professionellen Kunden erlangen. Die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen soll jeweils gewährleisten, dass der Kunde aufgrund seiner Erfahrungen, Kenntnisse und seines Sachverstandes in der Lage ist, grundsätzlich oder für eine bestimmte Art von Geschäften eine Anlageentscheidung zu treffen und die damit verbundenen Risiken angemessen zu beurteilen.

Im Rahmen der gesetzlichen Regelungen sind zudem Wechselmöglichkeiten "zu mehr Anlegerschutz" vorgesehen, in dem sich zum Beispiel ein (geborener) professioneller Kunde auf seinen Wunsch generell oder für einzelne Geschäftsarten als Privatkunde einstufen lässt.

Kundensegmentierung als strategische Entscheidung

Die vorgesehene Kundenkategorisierung stellt für ein Institut eine wichtige strategische Entscheidung bei der Umsetzung der MiFID-Regelungen zur Anlageberatung dar.2) Entsprechend dem der MiFID zu Grunde liegenden Grundsatz eines je nach Kundenkategorie differenzierten Anlegerschutzes sind Rechte und Pflichten im Verhältnis des Instituts zum Kunden abhängig von der vorgenommen Zuordnung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine vollständige Ausnutzung der gesetzlichen Wahlmöglichkeiten mit einer stärkeren Differenzierung verbunden ist, die einerseits zu Erleichterungen in den Informations- und Beratungspflichten gegenüber den Kunden sowie der nachfolgenden Geschäftsausführung und -abrechnung führen können.

Andererseits sind solche Erleichterungen jedoch mit einem administrativem Aufwand für das Institut verbunden, der insbesondere den Wechsel zwischen den Kategorien generell oder für einzelne Wertpapierdienstleistungen betrifft und hier zum Beispiel mit der nachhaltigen Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Kriterien für eine Zulassung des Wechsels verbunden ist.

Die geplante Umsetzung der gesetzlichen Kundenkategorisierung wird darauf zu untersuchen sein, wie die besonderen Interessen der Kunden einer Privatbank mit den gesetzlichen (Mindest-) Anforderungen in Übereinstimmung gebracht werden können. Ein Angebot zum Wechsel in eine andere Kategorie (generell oder für einzelne Geschäftsarten) wird wesentlich von einer betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse abhängen, da sich die Qualität der Dienstleistung gegenüber den Kunden auch immer durch eine effiziente und kostenbewusste Organisation der Bank auszeichnen muss. Die von der Bank bereitzustellende Administration muss auf Basis der neuen gesetzlichen Anforderungen in einem angemessen Verhältnis zum Nutzen für den Kunden stehen, der insgesamt oder auch für einzelne Wertpapierdienstleistungen zum Beispiel von der Kategorie des Privatkunden in die Kategorie des professionellen Kunden wechseln möchte.

Wohlverhaltensregeln und Informationspflichten

Auf der Zuordnung der Kunden zu einer der vorgegebenen Kategorien basieren die weiteren Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Institut und Kunde.

Die Wohlverhaltensregeln verpflichten die Wertpapierdienstleistungsunternehmen, ehrlich und redlich im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln. Damit der Kunde seine Anlageentscheidungen auf einer angemessenen Informationsgrundlage treffen kann, ist er in allgemeiner Form über das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, seine Dienstleistungen, die angebotenen Finanzinstrumente und die vorgeschlagenen Anlagestrategien einschließlich der jeweils damit verbundenen Risiken und Kosten zu informieren (§ 31 Abs. 2 und 3 WpHG-E). Die Informationen beziehen sich auf den gesamten Wertschöpfungsprozess beginnend mit der Werbung bis zur Abrechnung des vom Kunden erteilten Auftrages.

Die Informationen können vielfach - wie schon bisher - in standardisierter Form erbracht werden; es kommt aber darauf an, dass die Informationen nachweislich vor Erbringung der jeweiligen Wertpapierdienstleistung an den Kunden erbracht wurden. Beispielhaft für eine gegenüber den aktuellen Anforderungen neue Informationspflicht ist dem Kunden eine zusammenfassende Beschreibung der Conflicts of Interest Policy zur Verfügung zu stellen. Die Erstellung dieser Policy resultiert aus der Verpflichtung, organisatorische Vorkehrungen zur Verhinderung von Interessenkonflikten zu Lasten der Kunden zu treffen (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG-E). Zu diesem Zweck sind potenzielle Interessenkonflikte zu identifizieren und entsprechende Vorkehrungen zu ihrer Vermeidung zu treffen. Unvermeidbare Interessenkonflikte sind nach Art und Herkunft offen zu legen.

Entsprechend dem der MiFID zu Grunde liegenden Grundsatz des je nach Kundenkategorie differenzierten Anlegerschutzes sind die Informationen den professionellen Kunden gegenüber nicht in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen. Dieser Regelung folgt der Annahme, dass der professionelle Kunde aufgrund seiner Erfahrungen und Kenntnisse beziehungsweise seines Fachwissens in der Lage ist, eigenverantwortlich zu entscheiden, welche Informationen für ihn notwendig sind, um eine Anlageentscheidung zu treffen. Andererseits ist in der Kundenbeziehung zu professionellen Kunden zu berücksichtigen, dass darüber hinausgehenden Beratungs- und Informationswünschen dieser Kunden nur durch besonderes qualifizierte Mitarbeiter entsprochen werden kann.

Wohlverhaltensregeln und Beratungspflichten

Die Wertpapierdienstleistung der Anlageberatung ist im Gesetz definiert als Abgabe persönlicher Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt und für den Kunden als geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (§ 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG-E). Abzugrenzen ist die Anlageberatung von dem Beratungsfreien Geschäft (§ 31 Abs. 5 WpHG-E) und dem Ausführungsgeschäft (§ 31 Abs. 7 WpHG-E).

Vor Erbringung der Anlageberatung hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen eines Eignungstests auf Basis entsprechender Informationen sicherzustellen, dass das dem Kunden zu empfehlende Geschäft seinen Anlagezielen entspricht, die damit verbundenen Anlagerisiken diesen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind und der Kunde mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen die damit verbundenen Anlagerisiken verstehen kann. Sofern das Institut diese für die Durchführung des Tests erforderlichen Informationen nicht erlangt, darf die Anlageberatung als Wertpapierdienstleistung nicht erbracht werden (§ 31 Abs. 4 WpHG-E).

Anlageberatung unter dem MiFID-Regime

Bei den professionellen Kunden sind die Informationspflichten und der entsprechende Eignungstest auf die Anlageziele beschränkt (§ 31 Abs. 9 WpHG-E). Diese Systematik setzt den bereits bei den allgemeinen Informationspflichten dargestellten Grundsatz fort, dass professionellen Kunden ein gewisses Maß an Eigenverantwortlichkeit zu unterstellen ist, eine Anlageentscheidung auf Basis eines vorhandenes Fachwissens zu treffen.

Im weiteren Fortgang der MiFID-Umsetzung wird jedes Institut nachvollziehbare Kriterien entwickeln müssen, deren Erfüllung in den Kategorien Anlageziele, Kenntnisse und Erfahrungen sowie finanzielle Verhältnisse die Beratung eines Kunden in einer bestimmten Wertpapiergattung rechtfertigt. In der Festlegung dieser Kriterien werden sich die Institute voneinander unterscheiden, da einheitliche aufsichtsrechtliche Anforderungen nicht definiert wurden.

Als besondere Herausforderung wird sich die Berenberg Bank auf die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen im formalen Bereich und inhaltlichen Beratungsprozess in einem relativ kurzen Zeitraum konzentrieren müssen, damit für alle Kundenverhältnisse nachvollziehbar die zivilrechtliche Sicherheit besteht, mit der Inanspruchnahme einer Anlageberatung ab 1. November 2007 in die zu erbringenden Informations- und Beratungspflichten einbezogen zu sein.

Die neuen Wohlverhaltensregeln mit ihren Informations- und Beratungspflichten entwickeln die bereits auf Basis des § 31 Abs. 2 WpHG kodifizierten Wohlverhaltensregeln in differenzierter Weise fort. Es werden insbesondere höhere formale Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Anlageberatung gestellt. Durch rechtzeitige Informationen sind die Mitarbeiter auf die neuen Anforderungen einzustellen.

Begleitet wird dieser Prozess in der Berenberg Bank durch die Anpassung bestehender IT-Anwendungen, durch die die Kundenberater bei der Umsetzung der Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit unterstützt werden. Da die Bank bereits über entsprechende IT-Anwendungen zur Unterstützung der Anlageberatung verfügt, die auf die speziellen Anforderungen des Geschäftes einer Privatbank zugeschnitten sind, werden Anpassungskosten in einer verhältnismäßig überschaubaren Größenordnung zu veranschlagen sein.

Kein signifikanter Mehraufwand erforderlich

Eine inhaltliche Neuorientierung des Anlageberatungsprozesses zur Umsetzung der MiFID-Anforderungen wird in der Bank nicht vollständig erforderlich sein, da schon auf Basis der aktuellen gesetzlichen Regelungen und vor allem des ganzheitlichen Beratungsansatzes eine Anlageberatung erbracht wird, die sich bezüglich des Anlegerschutzes wesentlich an den sehr individuellen Bedürfnissen (Anlageziele, Anlagehorizont, Risikoneigung, finanzielle Verhältnisse) hinsichtlich Information, Beratung und den auf dieser Basis für den Kunden zielführenden Anlageprodukten orientiert.

Dabei kann von dem als wesentlichen Teil der Geschäftsphilosophie einer Privatbank bestehenden sehr persönlichen und oftmals langjährigen Kontakt zum Kunden profitiert werden und dem vom Gesetzgeber angestrebten Zuwachs an Anlegerschutz durch den beschriebenen Eignungstest im Rahmen eines persönlichen Gesprächs in vollem Umfang und ohne einen signifikanten Mehraufwand entsprochen werden.

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