Aufsätze

Mitgliedschaft - der Schatz der Kreditgenossenschaften

"Nicht jeder Schatz besteht aus Silber und Gold", sagt Kapitän Jack Sparrow in dem Film "Fluch der Karibik". Trotzdem können sich so manche Schätze langfristig in Heller und Pfennig auszahlen. So sind die Mitglieder der 214 Kreditgenossenschaften in Rheinland und Westfalen ein Pfund, mit dem sich gut wuchern lässt.

Per Rechtsform in die Wiege gelegt

Die Mitgliedschaft ist den Genossenschaften per Rechtsform in die Wiege gelegt. Satzungsmäßiger Zweck einer Genossenschaft ist es nach dem Genossenschaftsgesetz, "den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinsamen Geschäftsbetrieb zu fördern".1) Wie zukunftsfähig die Rechtsform "Genossenschaft" ist, hat der Gesetzgeber ausdrücklich 2006 mit seiner Novelle des Genossenschaftsgesetzes 2006 attestiert, "obwohl rundum Globalisierung und Kapitalmarktorientierung fortschreiten und in eine ganz andere menschenfernere und anonymere Entwicklungsrichtung weisen".2) Zukunft haben Genossenschaften aber nur, wenn sie ihre besonderen Merkmale erkennen und richtig einsetzen. Hierbei ist die Mitgliedschaft - "qua Rechtsform angeboren" - ein absolutes Alleinstellungsmerkmal3), das im Wettbewerb strategische Vorteile bringt.

Mitgliedschaft: Das ist Nähe und Wir-Gefühl, das ist die Identität von Kunde und Bank, außerdem Mit-Unternehmertum und Verantwortung. Mitgliedschaft ist praktizierte Wirtschaftsdemokratie. Keine andere Rechtsform eines Unternehmens bietet dies ihren Kunden. In Rheinland und Westfalen haben sich deshalb über 2,6 Menschen entschlossen, Anteile an einer Genossenschaftsbank zu erwerben, darunter viele Familien schon in der zweiten oder dritten Generation.4) Nach Meinung des wissenschaftlichen Leiters und Kurato-riums-Vorsitzenden der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, Professor Horst W. Opaschowski, befriedigen Genossenschaften Grundbedürfnisse der Menschen: "Mehr als je zuvor suchen die Menschen heute nach Orientierung und mehr Verbindlichkeit im Umgang miteinander."5)

Genossenschaften sind jedoch weit mehr. Sie stehen für Miteinander und Kooperation. Sie stehen außerdem für selbstbestimmtes Handeln. Dessen Erfolg spiegelt sich in erster Linie im Wirtschaften der Mitglieder wider und nicht in der Rendite. Mitgliedschaft und Mitgliederorientierung haben in Genossenschaften eine lange und erfolgreiche Tradition. Ausruhen darf man sich darauf aber nicht. Ganz im Gegenteil: Sie muss immer wieder strategisch neu an die Zeit und die Kundenbedürfnisse angepasst werden. Sie muss vor allem im Alltag praktiziert werden. Das bedeutet: Mitglieder müssen das Besondere auch erleben. Nur so kann Mitgliederorientierung erfolgreich gelingen.

Aus innerer Überzeugung

In diesem Zusammenhang stellt auch der Genossenschaftswissenschaftler Holger Bonus fest: "Wenn die Genossenschaft eine in der Tradition verwurzelte kollektive Identität aufrechterhalten will, so muss sich das genossenschaftliche Unternehmen in derselben Weise den Mitgliedern verbunden fühlen wie diese dem Unternehmen. Steht das Unternehmen den Mitgliedern gleichgültig gegenüber, so kann diese Gruppe nicht länger Werte und Normen mit dem Unternehmen teilen: Ihre Identität würde sich auflösen, selbst wenn Mitglieder zur Generalversammlung erschienen."6) Das bedeutet in der Praxis: Weg von den reinen Zähl-Mitgliedschaften und hin zu Menschen, die aus innerer Überzeugung Mitglieder sind. Gebraucht wird "eine klare Identität, eine klare Botschaft und ein klares Verhältnis zur Mitgliedschaft, hinter der Strategie und Methode stehen".7)

Dabei können viele Wege zum Ziel führen. Denn nicht nur die Geschäftsmodelle der Genossenschaftsbanken sind vielfältig, sondern auch ihre Kunden. So muss jede Kreditgenossenschaft selbst für sich entscheiden, welche Strategie am besten zu ihr und ihren Mitgliedern passt. Standardlösungen greifen dabei nicht. Mitgliederförderung darf nicht "von der Stange" sein. Sie muss individuell sein, regionale Mentalitäten berücksichtigen, echten Mehrwert bieten. Der Rheinisch-Westfälische Genossenschaftsverband unterstützt seine Mitgliedsbanken auf diesem Weg, gibt vor allem praktische Hilfe und Impulse für konkrete Maßnahmen.

Mitgliederförderung, das ist ein ganzheitlicher Strategieansatz, "eine Grundsatzentscheidung, die zunächst der Vorstand mit Haut und Haaren treffen muss".8) Eine erfolgreiche Mitgliederorientierung funktioniert nur, wenn die Bankmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ihre Botschafter sind. Mitgliederförderung muss wichtiges Thema der Aus- und Weiterbildung sein. Nur dann "wird dies auch später im unmittelbaren Kundengespräch gelebt".9) Wie vielfältig Mitgliederförderung bei den Kreditgenossenschaften in Rheinland und Westfalen praktiziert wird, zeigt die nachfolgende exemplarische Auswahl von Mitglieder-Modellen.

Systemberatung

Mitgliederorientierung steht bei der Volksbank Hamm unter dem Motto "Mut zum Anderssein" und setzt sich aus vielen Bausteinen zusammen. In ihrer Mitglieder-Strategie geht es vor allem um den Menschen, Konditionen und Produkte haben in dieser Philosophie keinen Platz. Die Umsetzung ist nicht immer leicht. Betreuung und Beratung nach dem genossenschaftlichen Förderauftrag sind wesentlich schwieriger als der Verkauf von Produkten. Aktive Mitgliederförderung wird in Hamm nicht als Konzept verstanden, das den Erfolg über Nacht bringt, sondern als eines, das schrittweise umgesetzt werden muss.

Ein wichtiger Baustein ist bei der Volksbank die persönliche, individuelle und systematische Beratung im Interesse des Mitglieds, dann die Auswahl der entsprechenden Finanzdienstleistung - und danach die Umsetzung: Es soll erreicht werden, dass die eigenen Kunden wirtschaftlich erfolgreicher sind als die Kunden anderer Banken. Die Mitglieder-Entwicklung gibt diesem strategischen Ansatz Recht: Inzwischen haben weit über 90 Prozent der Kunden die Mitgliedschaft bei der Volksbank Hamm erworben.

VR-Mitglieder-Bonus und Mitglieder-Mehrwert-Programm

Auch die VR-Bank Nordeifel und die Raiffeisenbank Neustadt verstehen die Mitgliederförderung als Frage von Strategie, Kultur, Methodik und Konsequenz. Sie haben sich dem bundesweiten Pilotprojekt VR-Mitglieder-Bonus angeschlossen, das sich in der Praxis bewährt hat. Es beruht auf dem sogenannten Kitzinger Modell, der Strategie der VR-Bank Kitzingen zur Mitgliederförderung. Ziel ist es, die Mitglieder - je nach der Intensität der Zusammenarbeit mit ihrer Kreditgenossenschaft - zu belohnen. Mittel zum Zweck ist dabei ein Bonussystem. Die Bonuspunkte werden nach Geldeingängen, Bankeinlagen, Krediten und Sparraten jedes Mitgliedes ermittelt. Je aktiver ein Mitglied hier ist, umso mehr Bonuspunkte erhält es und umso höher fällt seine Dividende aus.10) Die Volksbank Hellweg setzt in ihrer Mitgliederstrategie auf Mitgestaltung, Gewinnbeteiligung und als besonderes Bonbon: das Mitglieder-Mehrwert-Programm. Seit 2003 stellt die Bank einmal im Jahr ein Gutscheinheft für Mitglieder zusammen - mit einer Mischung aus Rabatten, freien Eintritten und kostenlosen Zusatzservices, die in erster Linie regional angebunden sind. Rabatte und Sonderleistungen als starke Argumente für die Mitgliedschaft: In der Volksbank Hellweg haben sie sich durchgesetzt und für kontinuierlich steigende Mitgliederzahlen gesorgt. Auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken der Region Bonn/Rhein-Sieg haben sich für ein Mitglieder-Mehrwert-Programm entschieden, das die Exklusivität der Mitgliedschaft durch besondere Angebote hervorhebt. VR-Mehrwert steht für ein Mitgliederbindungsprogramm, das ausschließlich Vorteile vor Ort bietet. Wer mitmachen will und ein Girokonto führt, erhält automatisch die eigens kreierte orangefarbene VR-Bank-Card, zeigt sie beim Vertragspartner der Banken vor und genießt die Vorteile. Das Programm läuft erfolgreich; überdies bieten die Banken ihren Mitgliedern weitere Boni an. Dazu zählen neben der Dividende die Mitglieder-Tarife bei den verbundeigenen Versicherungen.

Mitglieder-Zirkel, Vertreterstammtische und Regionalbeiräte

Innovative Wege bei der Mitgliederförderung geht auch die Volksbank Lübbecker Land. Sie setzt nicht nur auf einen Familientag des Mitglieds, der alle vier Jahre stattfindet, sondern hat Mitglieder-Zirkel eingerichtet: Mit diesen will die Bank das Mitbestimmungsrecht der Mitglieder stärken und die Kundenerwartungen bündeln. So hat die Bank auf Anregung eines Zirkels ein selbstbestimmtes, gemeinschaftliches Wohnprojekt für Senioren mit ins Leben gerufen. Bei der Finanzierung ist die Volksbank beratend tätig, sucht beispielsweise nach einem Investor und stellt die Zwischenfinanzierung.

"Wir nehmen unsere Mitglieder ernst. Wir möchten wissen, was Sie wirklich bewegt und mit Ihnen gemeinsam mehr bewegen." Mit dieser Botschaft wirbt die Volksbank Bigge-Lenne für ihre Vertreterstammtische. Die Volksbank Rhein-Ahr-Eifel hat deshalb in ihrem Geschäftsgebiet Regionalbeiräte eingeführt.

Die Empfehlungen der Mitglieder werden gerne aufgenommen und umgesetzt, wie zum Beispiel bei den Öffnungszeiten der Volksbank Bigge-Lenne und bei der Strukturierung des Filialnetzes der Volksbank Rhein-Ahr-Eifel. Bisher haben beide Banken nur gute Erfahrungen mit ihren Zirkeln gemacht. Die Volksbank Rhein-Ahr-Eifel mit Sitz in Bad Neuenahr, betont besonders die Bedeutung der Regionalbeiräte: "Sie sind Schnitt- und Schaltstelle der Bank zu den Mitgliedern und Kunden - und haben sich längst bewährt. Subsidiarität wird so nicht zum Schlagwort, sondern zum schlagenden Argument für die Bank, die sich bewusst zu ihrer regionalen Identität bekennt."

Fußnoten

1) §1, Abs. 1 GenG.

2) Vgl. Hanrath, Stephanie und Weber, Heinz-Otto: Strategien zur Mitgliederförderung in Genossenschaftsbanken - eine Soll-Ist-Analyse. In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen 58, Seiten 248 bis 259.

3) Vgl. Hanrath, Stephanie und Weber, Heinz Otto: Mit genossenschaftlichen Werten gewinnen. In: Genossenschaftsblatt für Rheinland und Westfalen. Ausgabe 5/2008, Seiten 24-27 (25).

4) Statistik Rheinisch-Westfälischer Genossenschaftsverband e. V.

5) Vgl. Klein, Joachim. Wertewandel: Genossenschaftliche Prinzipien heute. In: Pleister, Christopher (Hrsg.): Genossenschaften zwischen Idee und Markt. Ein Unternehmenskonzept für die Zukunft? Frankfurt/New York 2001. Seiten 65 bis 81 (75).

6) Bonus, Holger: Das Selbstverständnis moderner Genossenschaften. Tübingen 1994. Seite 80.

7) Vgl. Altgen, Bernd: Mitgliedschaft mit Methode. In: Gemeinsam was bewegen. Magazin zur Mitgliedschaft. (Hrsg.): Rheinisch-Westfälischer Genossenschaftsverband 2007. Seiten 24 bis 29 (25).

8/9) Vgl. Kalefeld, Klaus: Mitgliedschaft ohne Wenn und Aber. In: Gemeinsam was bewegen. Magazin zur Mitgliedschaft. (Hrsg.): Rheinisch-Westfälischer Genossenschaftsverband. Münster 2007. Seiten 19 bis 23 (19, 22).

10) Vgl. Götze, Jörg: Intensität, die sich lohnt. In: Bankinformation. Das Fachmagazin der Volksbanken Raiffeisenbanken. Nr. 2/Februar 2009 Seiten 16 bis 18.

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