Personalpolitik

Ausbilden oder abwerben?

"Ist Bank gleich Bank, ist Bankier gleich Banker?" Die Finanzkrise hat nochmals eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass dies nicht so ist. Die drei Säulen des deutschen Kreditgewerbes waren höchst unterschiedlich betroffen und viele der "global player", die noch vor kurzer Zeit immense Eigenkapitalrenditen versprochen haben, sind nun zu Kunden des SoFFin geworden. Bei aller Ähnlichkeit der Produkte und Konditionen, bei allen auf den ersten Blick vergleichbaren Vertriebswegen arbeiten die Banken in Deutschland nach wie vor mit höchst unterschiedlichen Unternehmensphilosophien, -strategien und Geschäftsmodellen.

Die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die übrigen Genossenschaftsbanken können mit Fug und Recht und mit Stolz sagen: "Wir sind anders! " Sie sind robust durch die Krise gekommen. Dies ist kein Zufall, sondern das Resultat eines klaren Geschäftsmodells und dessen konsequenter Umsetzung im operativen Geschäft. Sie haben einen eindeutigen Unternehmensauftrag, der eben nicht die Gewinnmaximierung und den Shareholder Value in den Mittelpunkt stellt, sondern die Förderung der Mitglieder und damit der Kunden der Bank. Ihr Geschäftsmodell setzt auf eine dezentrale mittelständisch geprägte Struktur und auf eine enge regionale Anbindung, ganz im Gegensatz zu weltweit agierenden Großkonzernen, die ihre Geschäftstätigkeit heute in Deutschland, morgen in Europa und übermorgen vielleicht in Amerika oder Asien in den Mittelpunkt stellen.

Das dezentrale Unternehmertum der Genossenschaftsbanken wird durch ein freiwilliges solidarisches Miteinander im Finanzverbund ergänzt. Dies hat dazu geführt, dass die Genossenschaftsbanken nicht nur über leistungsstarke marktführende Verbundunternehmen verfügen, sondern auch über einen umfassenden Institutsschutz. Dieser sorgt seit 75 Jahren dafür, dass kein Kunde bei wirtschaftlichen Problemen seiner Genossenschaftsbank seine Einlagen verloren hat.

Dezentrales genossenschaftliches Unternehmertum ...

Diese wenigen Punkte machen deutlich, dass das Management in dezentralen Verbundgruppen neben einem exzellenten Fachwissen ganz andere Anforderungen an die handelnden Führungsebenen stellt als dies bei Großkonzernen unter einer einheitlichen zentralen Leitung der Fall ist.

Die knapp 1 200 Genossenschaftsbanken sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständige mittelständische Unternehmen. Dies bedeutet, dass der Vorstand einer Genossenschaftsbank "Allrounder" sein muss, der als "Unternehmer" die Strategie bestimmt, ein breites Verantwortungs- und Tätigkeitsspektrum abdeckt, ohne große Stabsabteilungen flexibel Entscheidungen trifft und zugleich noch intensiv in das operative Tagesgeschäft eingebunden ist. Ähnliches gilt für die zweite Führungsebene, die einerseits mitten im Tagesgeschäft steht und andererseits die strategische Ausrichtung des Hauses mitentwickelt und anschließend mit Leben füllt.

Diese dezentrale Strategiefähigkeit und die zugleich enge Einbindung in das Geschehen im regionalen Markt zählen - sofern sie richtig gelebt werden - zu den wichtigen Assets der Genossenschaftsbanken. Gleichzeitig stellt dies jedoch erhebliche fachliche und methodische Anforderungen an den Ausbildungsstand der handelnden Personen. Von der Qualität dieser individuell erarbeiteten und umgesetzten Lösungen hängt die Leistungsstärke des einzelnen Instituts und damit in der Summe die Leistungsfähigkeit der gesamten Gruppe ab.

... erfordert besondere Führungskräfte

Die regionale Ausrichtung, die tägliche Begegnung mit den Kunden vor Ort und die besondere Rolle der Kunden als Eigentümer der Bank erfordern zudem ein hohes Maß an sozialen Kompetenzen und den Willen, sich als Repräsentant der Bank in die gesellschaftlichen Netzwerke einzubringen. Durch die enge Verknüpfung mit der Region, zum Beispiel auch über die Besetzung des Aufsichtsrates, kommt beispielsweise strategischen Vorüberlegungen und deren operativer Umsetzung - insbesondere unter kommunikativen Aspekten - eine hohe Bedeutung zu. So müssen beispielsweise harte Entscheidungen im Firmenkundenbereich, Filialschließungen, Personalabbau oder Fusionen gekonnt vorbereitet und umgesetzt werden. Auch hier gilt: Die Entscheidungsträger arbeiten nicht wie in Großkonzernen in einer weit entfernten anonymen Konzernzentrale, sondern müssen vor Ort im unmittelbaren Eigentümer- und Kundenkontakt ihre Entscheidungen argumentieren.

Allein diese besonderen Anforderungen machen deutlich, dass von Vorständen und Führungskräften der Genossenschaftsbanken andere Kompetenzen verlangt werden als sie in den vielstufigen Hierarchien und tief spezialisierten Strukturen von großen Aktiengesellschaften gefordert werden.

Bei der Beantwortung der Frage "Selbst qualifizieren oder abwerben?" muss beachtet werden, ob mögliche externe Kandidaten für eine leitende Position die entsprechenden Qualifikationen mitbringen und ob genügend geeignete Bewerber auf dem Markt zur Verfügung stehen. Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass es mit Blick auf das Gros der Stellenbesetzungen keine geeigneten Alternativen zur maßgeschneiderten internen Qualifizierung der Führungsebenen und Spezialisten in Genossenschaftsbanken gibt, die diese gezielt auf die Übernahme der vielfältigen Aufgaben vorbereitet. Allein mengenmäßig wird eine passende qualifizierte Personaldecke benötigt, um den Bedarf an neuen Vorständen und Führungskräften für die knapp 1 200 selbstständigen Institute zu decken.

Im Zusammenspiel des zweitstufigen Bildungssystems der genossenschaftlichen Banken decken die regionalen Bildungseinrichtungen und die ADG als zentral tätige Akademie für die Vorstände, Führungskräfte und Spezialisten die gesamte Qualifizierungspalette ab - angefangen von Angeboten für die Auszubildenden über die Qualifizierung der Bankmitarbeiter bis hin zur Vorstandsqualifikation nach § 33 KWG, Hochschulstudiengängen oder der WP-Ausbildung. Kernstück dieses aufeinander aufbauenden Systems ist die genossenschaftliche Personalentwicklung GenoPE, die sicherstellt, dass die Inhalte der Qualifizierungsmaßnahmen und die erworbenen Qualifikationen aufeinander abgestimmt sind.

Bezüglich der systematischen Qualifizierung von Führungskräften und Vorständen stehen neben dem Erwerb von spezifischem Fachwissen vor allem die Managementprogramme im Vordergrund, die die Führungskräfte auf die Übernahme der breiten Palette von Aufgaben vorbereiten und so die Qualität der Führung der Genossenschaftsbanken sicherstellen. Unter den Managementprogrammen der ADG zählt das Genossenschaftliche Bank-Führungsseminar (GBF) zu den Kernstücken der Managerausbildung, welches Generationen von Führungskräften und Vorständen durchlaufen haben.

Bereits seit zehn Jahren bietet das Trainingsprogramm oberste Personalebene (Top) eine zusätzliche Premium-Manage-ment-Ausbildung für Vorstände und Führungskräfte der zweiten Ebene, die die Qualifikationen zur zeitgemäßen, leistungsfähigen und auf die Besonderheiten genossenschaftlicher Institute zugeschnittenen Unternehmensführung ausbaut. Zur Auffrischung des Fach- und Managementwissens gibt es zudem beispielsweise das Führungs-Intensiv-Training (Fit), das bereits von über 1 000 Vorständen absolviert wurde. Eine Vielzahl weiterer Qualifizierungsprogramme, Seminare und Foren zum Ausbau der Fach- und Führungskompetenzen rundet das Qualifizierungsangebot der ADG ab, das jährlich von rund 20 000 Teilnehmern genutzt wird.

Kooperation mit der Steinbeis-Hochschule in Berlin

Seit 2005 bietet die ADG als eine der ersten privaten, von einer Unternehmensgruppe getragenen Akademien in Deutschland die Vorteile einer "echten Corporate University" an und stellt damit eine vollwertige Alternative zur traditionellen Hochschulausbildung bis hin zur Promotion dar. Durch die enge Kooperation mit der staatlich anerkannten Steinbeis-Hochschule Berlin garantiert die ADG Integration und Anerkennung der Lerninhalte und der Prüfungsleistungen zwischen der Top-Management-Ausbildung und den neu geschaffenen Hochschulstudiengängen Best-Bachelor, Master of Banking and Finance (MA) sowie dem Finanz-MBA. Damit ermöglicht die ADG für den genossenschaftlichen Verbund eine Kombination aus klassischer Management- und allgemeiner Hochschulqualifikation in Kooperation mit einer wissenschaftlichen Hochschule.

Für Interessenten aus den genossenschaftlichen Banken bedeutet dies: Absolventen des GBF erfüllen rund 60 bis 70 Prozent der Anforderungen des Best-Bachelor-Abschlusses. Für Absolventen des Top gilt die gleiche Regelung im Hinblick auf den Finanz-MBA. Auf diesem Weg kann der Erwerb der fachtheoretischen Eignung nach § 33 KWG intelligent und effizient mit einem Studium verbunden werden. Ab 2009 schließen die neuen Absolventen des GBF regelmäßig ihre Managementausbildung mit dem Bachelor-Degree ab.

Das Beispiel Volksbank Rhein-Ahr-Eifel

Mit dieser Verbindung von Managementausbildung und Hochschulabschluss können die Genossenschaftsbanken gezielt exzellente Nachwuchskräfte für ihre Häuser gewinnen und dauerhaft binden, um sie auf die Übernahme verantwortungsvoller Aufgaben vorzubereiten. Gleichzeitig behalten die Studierwilligen ihr Standbein und ihre Bodenhaftung in der Bank und können das erworbene Wissen direkt in die Arbeit der Bank einfließen lassen. Somit sind die Genossenschaftsbanken auch auf dem Feld der akademischen Qualifizierung ihrer Vorstände, Führungskräfte und Spezialisten bestens vorbereitet.

Wie stellt sich die Frage "Selbst qualifizieren oder abwerben?" aus der Sicht einer Genossenschaftsbank dar? Die Volksbank Rhein-Ahr-Eifel setzt hier auf den Weg der eigenen Ausbildung und Qualifizierung ihrer Potenzialträger. Insgesamt bildet das Unternehmen zurzeit 28 junge Menschen aus, bietet diesen den Einstieg in eine berufliche Zukunft und drückt damit zugleich seine wirtschaftliche Verantwortung und soziale Verbundenheit mit der Region aus. Seit Jahrzehnten leistet die Volksbank auf diesem Weg einen wichtigen Beitrag zur Arbeitskräftestruktur und zum Erhalt der heimischen Wirtschaft.

Denn wenn es in der Region keine attraktiven Jobs gibt, ziehen junge Menschen Studien- und Arbeitsplätzen hinterher, werden in den Ballungszentren der Umgebung sesshaft und verlieren die Bindung an ihre Heimatorte. Wenn gerade die ländlichen Wirtschaftsregionen langfristig nicht ausbluten sollen, benötigen sie die Arbeits- und Kaufkraft junger Menschen.

Als Regionalbank legt die Volksbank Rhein-Ahr-Eifel großen Wert darauf, den Nachwuchs aus den eigenen Reihen zu rekrutieren. Damit schafft sie einen Nachwuchspool für die Bank: Sie vermittelt die gesamte Bandbreite der Branchenkenntnisse und legt so bewusst ein solides Fundament für die unterschiedlichsten Karrieremodelle. Dies ist mit Blick auf den Bedarf an Spezialisten und "Allroundern" von größter Bedeutung. Bereits während der Ausbildung arbeiten die jungen Nachwuchskräfte in zahlreichen Geschäftsstellen und durchlaufen viele Fachabteilungen und Tätigkeiten. Durch dieses "Training on the Job" lernen sie alle Facetten des Bankgeschäfts von der praktischen Seite kennen.

Gemeinsame Sprache entwickeln

Neben einer umfangreichen Ausbildung im Kreditgewerbe bietet die Bank darüber hinaus die Möglichkeit eines berufsbezogenen Fernstudiums über die ADG an der Stein-beis-Hochschule Berlin - entweder bereits parallel zur Ausbildung in der für angehende Bankkaufleute maßgeschneiderten Lösung Best-Azubi oder nach der Ausbildung den Best-Bachelor-Studiengang. Dabei kann das fachliche Know-how eines Studiums mit der praktischen Ausbildung oder Arbeit kombiniert werden. Auch mit Blick auf den demografischen Wandel wird es in Zukunft noch wichtiger werden, sehr gute Schulabgänger für eine Ausbildung zu gewinnen und die besten durch gezielte Weiterqualifikation auf die Übernahme verantwortungsvoller Aufgaben vorzubereiten.

Bei der Qualifizierung ihrer Führungskräfte setzt die Volksbank Rhein-Ahr-Eifel auf eine maßgeschneiderte Qualifizierung durch die ADG: So hat sie allen Direktoren die Teilnahme am Premium-Managementprogramm Top angeboten. Ziel war es, nicht nur die Managementqualifikation jedes Einzelnen weiter auszubauen, sondern auch eine gemeinsame Sicht- und Herangehensweise, eine gemeinsame "Sprache" zwischen Vorstand und zweiter Führungsebene zu fördern.

Nachdem alle Führungskräfte der zweiten Ebene das Top erfolgreich durchlaufen haben, ist das einheitliche gemeinsame Verständnis von Management und Methoden spürbar gewachsen und wirkt sich in allen Bereichen - seien es Arbeiten an strategischen Fragen, seien es operative Herausforderungen - positiv aus. Auf diese Weise kann die Volksbank Rhein-Ahr-Eifel strategische Weichenstellungen ohne den Einsatz von externen Beratungsunternehmen auf den Weg bringen. Dies zahlt sich nicht nur kostenmäßig aus, sondern schafft auch eine ganz andere Einbindung von bankinternem Wissen und Erfahrungen sowie eine viel stärkere Umsetzungsbereitschaft, da es sich um selbst erarbeitete Lösungen handelt.

Die beschäftigungsfreundliche Personalpolitik der Volks- und Raiffeisenbanken, exzellente Qualifizierungs- und Karrieremöglichkeiten sowie deutliche Imageeinbußen und vielfältiger Stellenabbau bei den Mitwettbewerbern haben die Attraktivität der Genossenschaftsbanken als Arbeitgeber deutlich erhöht. Sie gehören zu den attraktivsten Arbeitgebern Deutschlands. Dies hat dazu geführt, dass sie heute intern wie extern auf hochqualifizierte Bewerber bei der Besetzung von Positionen auf Vorstands-, Führungs- oder Spezialistenebene zurückgreifen können.

Die Frage der internen Qualifizierung oder externen Abwerbung lässt sich nicht für jeden Einzelfall beurteilen. Hier muss die Situation im jeweiligen Institut berücksichtigt werden. Wenn es nicht möglich ist, die entsprechende Stelle intern zu besetzen oder ganz bewusst "frisches Blut", neue Ideen und Herangehensweisen in die Bank zu holen, wird man auf externe Bewerber zurückgreifen. Insgesamt werden die Genossenschaftsbanken aber auch künftig das Gros ihrer Mitarbeiter und Führungskräfte durch systematische Qualifizierung von innen heraus gewinnen - insbesondere um die Stärken des Geschäftsmodells im Sinne von Dezentralität, regionaler Verbundenheit und Kundennähe zu erhalten und auszubauen.

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