Aufsätze

Staatliche Regulierung zwischen stabilen Banken und erfolgreicher Wirtschaft

Die größte Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte offenbarte erhebliche Defizite in der Finanzmarktregulierung, bei den Eigenkapitalanforderungen und in der Aufsicht über Banken und sonstige Finanzmarktakteure. Die bloße Selbstregulierung, die ihren Ursprung in der angelsächsischen Finanzwelt hatte und jahrelang auch in Deutschland als Maß der Dinge galt, war gescheitert.

Staat als Regulierer und Aufsicht

Ein neuer Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte war nötig. Die Europäischen Staaten haben Maßnahmen getroffen, um einer Krise wie der letzten vorzubeugen. Durch Stärkung des Eigenkapitals zum Beispiel wird dem Haftungsprinzip wieder mehr Geltung verschafft, eine geordnete Abwicklung von Banken und eine verschärfte Regulierung des Hochfrequenzhandels sollen das System krisenfester machen. Außerdem sollen die Verursacher an den Kosten der Krise beteiligt werden. Auf die Aufsicht kommen neue Herausforderungen zu.

Fünf Jahre später ist die Politik damit in ihren Regulierungsbestrebungen einen großen Schritt weiter, aber noch nicht am Ziel. Sie befindet sich auf diesem Weg im Spannungsfeld zwischen einer ausgewogenen Regulierung, stabilen Banken und einer erfolgreichen Wirtschaft.

Ziel jeder Regulierung musste es und muss es auch weiterhin sein, einerseits die Stärken des Systems zu erkennen und zu festigen. Andererseits gilt es, die in der Finanzkrise offenbarten Fehler und Schwächen zu beseitigen. Kein Finanzmarktakteur, kein Finanzprodukt und kein Markt dürfen in Zukunft ohne Regulierung bleiben. Dabei ist aber immer auf einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Marktteilnehmer zu achten.

Dass dies ein langer Weg werden würde, war allen Beteiligten von Anfang an klar. Es ist wie eine Operation am offenen Herzen: Einerseits werden zu Recht grundlegende, die Banken nachhaltig stabilisierende Reformen gefordert. Andererseits sollen Arbeitsplätze - auch in der Finanzwirtschaft - gesichert und die Wirtschaftsund Schuldenkrise möglichst schnell überwunden werden. Beides ist nicht immer leicht in Einklang zu bringen und bedarf ausgewogener Regelungen.

Leitmotiv ist aber, dass die Banken wieder der Realwirtschaft und dem Verbraucher dienen. Dieses Ziel hat der Gesetzgeber auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene in den letzten Jahren konsequent verfolgt und die Rolle des Staates als Aufsicht und Gestalter effektiv gestärkt.

Hohe Eigenkapitaldecke: Zentraler Gesichtspunkt der Regulierung ist die ausreichende Kapitalisierung von Finanzmarktakteuren. Die Krise hat gerade in diesem Bereich große Missstände offenbart. Banken und Versicherungen müssen zukünftig in der Lage sein, kurz- bis mittelfristige krisenhafte Situationen auch ohne staatliche Unterstützung zu überstehen.

Die auf europäischer Ebene bereits verabschiedeten beziehungsweise anstehenden großen Regulierungsvorhaben sind hierzu wichtige Meilensteine: Basel III im Bankenbereich und Solvency II im Versicherungsbereich. Basel III wird zu einer deutlichen Verbesserung der Kapitalausstattung im Bankensektor führen: durch die Erhöhung der Kernkapitalquote von vier Prozent auf sechs Prozent und die Einführung von zusätzlichen Kapitalpuffern.

Spareinlagen sichern: Ein weiterer grundlegender Gesichtspunkt ist eine angemessene Risikotrennung. Spareinlagen müssen vor dem Zugriff internationaler Spekulanten geschützt werden. Deutschland hat deshalb in Europa eine Vorreiterrolle übernommen und als einer der ersten europäischen Staaten Konsequenzen gezogen. Ab Januar 2014 müssen deutsche Einlagenkreditinstitute die risikoreichen Geschäfte vom klassischen Kundengeschäft trennen, wenn ihr Eigenhandel und riskanten Geschäfte bestimmte Schwellenwerte überschreiten.

Derzeit besteht die große Gefahr, dass die Guthaben der deutschen Sparer durch die anhaltende Niedrigzinspolitik schleichend immer weniger wert sind. Die Niedrigzinspolitik der EU droht zu einem der größten finanzpolitischen Probleme im Euroraum zu werden. Das kurzfristige Schmerzmittel Niedrigzins verhindert langfristig die Therapie einer stabilen europäischen Finanzordnung.

Verhältnismäßigkeit: Trotz aller Versäumnisse der Märkte in der Finanzkrise muss dennoch bei allen Regulierungsmaßnahmen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Überregulierung ist schädlich und schadet nicht nur dem deutschen Banken- und Versicherungsmarkt sondern auch der deutschen Realwirtschaft. Das Zusammenwirken von Regulierungsmaßnahmen sollte gemeinsam mit der BaFin auf Praktikabilität und Zielgenauigkeit überprüft werden.

Prinzip der doppelten Proportionalität

Jede Regulierungsmaßnahme muss die doppelte Proportionalität achten, also eine Regulierung im angemessenen Verhältnis zu Größe und Risiko anstreben. Nicht jede Regelung, die für internationale Großbanken gedacht ist, macht auch für regional tätige Institute Sinn. Diese ist oft eher kontraproduktiv und schadet der wirtschaftlichen Entwicklung in der Fläche.

Auswirkungen auf die Realwirtschaft: Anders als in einigen südlichen europäischen Staaten kam es in Deutschland nicht zu einer Kreditklemme. Eine ausreichende Kreditversorgung des Mittelstandes und der Realwirtschaft war auch in der Finanzkrise gewährleistet. Daher muss es ein Grundsatz jeder staatlichen Regulierung bleiben, die Auswirkungen auf die Wirtschaft, vor allem die Kreditvergabe für den Mittelstand, nicht aus den Augen zu verlieren und eine angemessene abgestufte Regulierung durchzuführen.

Subsidiarität auf EU-Ebene: Bei jeder europäischen Regulierung ist konsequent auf die Einhaltung des Grundsatzes der Subsidiarität zu achten. Nicht jede Zentralisierung bringt auch automatisch einen Mehrwert. Die EU soll nur dann tätig werden, wenn und soweit ein Handeln der Mitgliedstaaten nicht ausreichend wäre. Aufgaben müssen dort verortet werden, wo sie am besten gelöst werden können: europäisch, national, regional oder lokal. Der deutsche Föderalismus mit seinen Stärken und Schwächen ist dafür das beste Beispiel, an dem sich in Zukunft auch die EU orientieren muss.

SSM: Beschränkung auf systemrelevante, grenzüberschreitende Groß banken

Dies gilt auch für die neue europäische Aufsicht, den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) durch die Europäische Zentralbank und den geplanten Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM). Diese sollten sich nur auf die systemrelevanten, grenzüberschreitenden Großbanken beschränken. Für das Gros der Banken, den vielen kleinen und mittleren Privatbanken, Sparkassen und genossenschaftlichen Instituten, die sich in der Krise bewährt haben, muss alles beim Alten bleiben, damit diese Banken auch in Zukunft ihrer wichtigen Rolle als Mittelstandsfinanzierer in den Regionen unverändert nachkommen können.

Bankenrettung ohne Steuergelder: Haftung und Verantwortung müssen wieder zusammengeführt werden. Die Kosten für die Restrukturierung und Abwicklung von Banken dürfen zukünftig nicht mehr einseitig dem Steuerzahler aufgebürdet werden, sondern müssen von den Banken selbst und deren Eigentümern und Gläubigern getragen werden. Deutschland war mit der frühzeitigen Schaffung eines Bankenrettungsfonds, der seit 2011 mit der Bankenabgabe gespeist wird, Vorbild in Europa. Dies muss auch auf europäischer Ebene gelten. Es ist daher auf eine strenge Einhaltung der Haftungskaskade und die konsequente Heranziehung privater Kapitalquellen (bail-in) zu achten. Bestehende Altlasten nationaler Banken dürfen auch nicht über den Umweg des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) auf den Steuerzahler übergewälzt werden.

Mündiger Verbraucher: Im Bereich des Verbraucherschutzes muss auch weiterhin der mündige Verbraucher als Maßstab angesetzt werden - also keine amerikanischen Verhältnisse, die den Bürger vor allen noch so bizarren Gefahren zu schützen versuchen. Diese hundertprozentige Sicherheit kann der Staat nicht gewährleisten. Sie steht dem Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft entgegen und führt in sozialistische Planwirtschaft. Dazu zählt aber auch, bestehende sinnvolle verbraucherschützende Maßnahmen im Interesse der Kunden weiterzuentwickeln, wie etwa das Beratungsprotokoll.

Staat als Akteur

Neben der Funktion als Gestalter und Kontrolleur im Kreditwesen kann es aber auch im staatlichen Interesse liegen, selbst agierend als Eigentümer von Banken tätig zu werden. Der Staat macht hiervon nicht selten Gebrauch, um wirtschaftspolitisch relevante Ziele zu verfolgen und zu fördern. Erscheinungsformen sind typischerweise staatliche Förderbanken und (Landes-)Banken, denen sich auch der Freistaat Bayern bedient.

Staatliche Förderbanken: Der Staat nutzt seit jeher kreditwirtschaftliche Instrumente zur Umsetzung seiner Förderpolitik. Insbesondere im sozialen Wohnungsbau, in der gewerblichen Wirtschaftsförderung und dem Infrastrukturausbau sind Förderbanken der öffentlichen Hand tätig.

Basis des staatlichen Handelns ist die Wettbewerbsneutralität. Förderbanken können nur marktergänzend tätig werden und dürfen keinesfalls Kreditangebote des Marktes ersetzen. Dies gilt bei der Wohnbaufinanzierung ebenso wie in der gewerblichen Wirtschaftsförderung. Bei Letzterer liegt die Hauptaufgabe der Förderbanken darin, durch eine teilweise Risikoübernahme beziehungsweise günstige Kreditzinsen größenbedingte Finanzierungsnachteile kleiner und mittlerer Unternehmen auszugleichen. Das Hausbankprinzip sichert dabei die Partnerschaft zwischen Geschäfts- und Förderbanken. Dadurch können die Finanzierungsmöglichkeiten der Geschäftsbanken zugunsten mittelständischer Unternehmen erweitert werden.

Eine zunehmende Bedeutung erfährt die Infrastrukturförderung. Sowohl die Modernisierung der bestehenden Infrastruktur als auch neue Aspekte wie eine flächendeckende Breitbandversorgung erfordern hohe Mitteleinsätze. Staatliche Förderbanken sind hier begleitend tätig, um wichtige Bausteine für die Gesamtfinanzierung von Projekten beizusteuern.

Neben der Infrastruktur ist ein weiterer wesentlicher Bereich die staatliche Wohnungspolitik. Damit soll primär die Wohnraum- und Städtebauförderung unterstützt und vorangetrieben werden. Die Finanzierungen erfolgen entweder mittels Treuhandgeschäft (staatliche Wohnraumförderung) oder mittels Eigengeschäft (am Kapitalmarkt refinanzierte und anschließend im Zins verbilligte Darlehen). In Bayern konnten so allein mit Hilfe der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt in 2012 rund 4 900 neue Wohnungen und zirka 900 neue Wohnplätze geschaffen werden.

Landesbanken: Landesbanken sind im Wettbewerb stehende Geschäftsbanken. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit konzentriert sich zumeist auf die Region vor Ort, Deutschland und die angrenzenden Wirtschaftsräume Europas. Wirtschaftspolitisch lebt die deutsche (und bayerische) Wirtschaft seit jeher in besonderem Maße von einem starken Im- und Exportgeschäft. Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe der Landesbanken darin, unter Beachtung der Markt- und Wettbewerbserfordernisse den Wettbewerb zu stärken und die angemessene und ausreichende Versorgung der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands, und der öffentlichen Hand mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen sicherzustellen. Mit Kundenanteilen von rund 19 Prozent im Mittelstand und von zirka 27 Prozent bei großen Unternehmenskunden spiegelt sich die Relevanz der Bayern-LB als verlässlicher Unternehmensfinanzierer im deutschen Markt wider.

Dreigliedriges Bankensystem bewährt

Stabile Banken sind die Grundlage für eine erfolgreiche Wirtschaft. Eingriffe des Staates müssen daher ausgewogen sein und dürfen diese Basis nicht gefährden.

Grundsätzlich lässt sich feststellen: Das dreigliedrige deutsche Bankensystem hat sich in der Krise bewährt. Deutschland und Österreich verfügen über eine historisch gewachsene, einmalige Bankenvielfalt, die als Vorbild für Europa dienen könnte. Hier könnte eine ausgewogene Regulierung des europäischen Bankensektors ansetzen. Notwendig ist außerdem eine Rückbesinnung auf die Grundwerte der Sozialen Marktwirtschaft, nämlich Freiheit und Verantwortung und Rückbesinnung auf den dienenden Charakter der Finanzmärkte. Jedes einseitige System verliert irgendwann die Balance und bricht zusammen. Ziel jeder Regulierung muss ein gesundes Zusammenwirken von Markt und Staat sein, egal ob der Staat als Aufsicht, Gestalter oder Akteur auftritt.

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