Aufsätze

Vermögenspreise, Geldpolitik und Finanzmarktstabilität

Die globale Finanzkrise der letzten beiden Jahre hat unser Denken über Finanzmärkte stark verändert. Die Krise, die in den meisten Industriestaaten zur tiefsten Rezession seit den dreißiger Jahren führte, kam für viele Ökonomen überraschend und traf auch die Geldpolitik weitgehend unvorbereitet. Aus Notenbanksicht bedeutet dies, dass wir manche wirtschaftspolitischen Debatten, wie etwa den Zusammenhang von Geldpolitik und Finanzmarktentwicklungen nach den Erfahrungen aus der Finanzkrise nun neu bewerten.

Neue Sichtweise

Die Finanzkrise hat auch das Denken der Notenbanken, wie Geldpolitik und Finanzmarktstabilität zusammenhängen, sich gegenseitig beeinflussen und abzugrenzen sind, verändert. Vor der Finanzkrise herrschte die Meinung, dass Vermögenspreise nur in dem Ausmaß in das geldpolitische Kalkül einzubeziehen sind, als sie Risiken für die Preisstabilität in der Zukunft anzeigen.1) Zwar wurden die sehr negativen Auswirkungen, die Vermögenspreisblasen und deren Platzen auf die Realwirtschaft haben können, erkannt, allerdings leitete man daraus keine explizite Einbeziehung von Vermögenspreisentwicklungen in die geldpolitische Strategie ab.

In den USA etwa wurde in der GreenspanÄra von der Notenbank die Meinung vertreten, dass sich die Geldpolitik nicht mit Vermögenspreisblasen per se, sondern nur mit der Beseitigung der Folgen von geplatzten Blasen (im Sinne einer Feuerwehr-Funktion) beschäftigen sollte.2)

Nach den Erfahrungen der Krise zeigen neue empirische Studien, dass Geldpolitik auch für die Finanzmarktstabilität äußerst relevant ist. Das geldpolitische Instrument, die kurzfristigen nominellen Zinsen, sind nicht nur als Ausgangspunkt des Transmissionsmechanismus, sondern auch für das Risikoverhalten der Finanzintermediäre relevant. Niedrige kurzfristige Zinsen können Banken und andere Finanzintermediäre dazu veranlassen, mehr Risiko auf sich zu nehmen, als das bei einem höheren Zinsniveau der Fall wäre. Aufgrund des systemischen Zusammenhangs der Banken untereinander kann dies zu einer Gefahr für das gesamte Finanzsystem werden, wenn das Risiko schlagend wird. Dieser Mechanismus beschreibt den durch jüngste Forschungsergebnisse neu definierten geldpolitischen Transmissionskanal, den "risk-taking channel".3)

Zusammenhang von Geldpolitik und Finanzmarktstabilität

Dieser Artikel führt die angesprochenen Argumente näher aus, indem zuerst der Zusammenhang zwischen Geldpolitik und Finanzmarktstabilität aus der Sichtweise vor und seit der Finanzkrise beschrieben wird. Daraus leitet sich die Notwendigkeit einer makroprudenziellen Politik ab, deren mögliche Ausgestaltung in der Folge diskutiert wird. Schließlich wird im letzten Abschnitt auf die Koordination der makroprudenziellen Politik mit der Geldpolitik sowie auf die institutionelle Umsetzung in verschiedenen Ländern eingegangen.

Preisstabilität ist das wichtigste Ziel fast aller Zentralbanken weltweit. Die meisten Zentralbanken verfügen überdies über ein implizites oder explizites Inflationsziel zur Erreichung der Preisstabilität. Dies bedeutet, dass die Geldpolitik die Preisstabilität in der mittleren Frist gewährleisten soll. Zur Beschreibung dieses Verhaltens wird häufig die sogenannte Taylor-Regel herangezogen. Die Taylor-Regel besagt, dass die kurzfristigen Zinsen so gesetzt werden, dass die Inflationsrate4) in der mittleren Frist dem Inflationsziel entspricht sowie die Produktionslücke5) mittelfristig ausgeglichen ist.

Gemäß der Taylor-Regel finden andere volkswirtschaftliche Indikatoren, wie auch die Vermögenspreise, nur in dem Ausmaß Eingang in die Geldpolitik, als sie den Ausblick auf die Preisstabilität und die Produktionslücke beeinflussen. Dies bedeutet, dass aber gerade Vermögenspreise in gewissen Situationen große Bedeutung für die Geldpolitik haben sollten, und zwar dann, wenn durch das Platzen einer Blase massiv negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft und ein Unterschießen des Inflationszieles befürchtet werden.

In solchen Situationen sollte die Geldpolitik sich gegen die Vermögenspreisblase "lehnen", das heißt sie sollte das weitere Ansteigen der Blase verhindern. Vermögenspreise stellen somit eine Art Nebenbedingung der Geldpolitik dar, die nur in manchen Situationen bindend ist, während sie in anderen Situationen irrelevant ist. Dies beschreibt in groben Zügen die Sichtweise vor der Finanzkrise.6)

Es gibt allerdings - und das nicht erst seit der Finanzkrise - einige Kritikpunkte an dieser Sichtweise. Zum ersten ist es eine große Frage, ob Vermögenspreisblasen exante überhaupt zuverlässig erkannt werden können. Eine Blase beschreibt - allgemein ausgedrückt - das Entfernen der Preisentwicklung von ihrem Fundamentalwert. Der Fundamentalwert von Vermögenspreisen ist jedoch nicht direkt beobachtbar und kann auch wegen der großen Anzahl und Komplexität der Einflussfaktoren kaum aus den Daten extrahiert werden. Obwohl hier in den letzten Jahren einige Fortschritte erzielt wurden,7) sind die Ökonomen immer noch auf ihr "Judgement" angewiesen, um Vermögenspreisblasen zu erkennen.

Kurzfristig ein Zielkonflikt mit der Preisstabilität möglich

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass sich durch das "Lehnen" gegen die Vermögenspreisentwicklung kurzfristig durchaus ein Zielkonflikt mit der Preisstabilität ergeben kann, und zwar wenn die Zinserhöhung, um die Vermögenpreisentwicklung in Schach zu halten, so stark sein muss, dass dadurch Preisstabilität und die Produktionslücke nach unten abweichen.8)

Weiters wird auch häufig ins Treffen geführt, dass Geldpolitik, das heißt Zinspolitik, ein zu grobes Instrument ist, um Blasen auf einzelnen Vermögenswertmärkten zu bekämpfen, da Zinspolitik alle Vermögenspreise - nicht nur diejenigen, die übermäßig steigen - beeinflusst, was zu unerwünschten Effekten in anderen Marktsegmenten führen kann.

In der Theorie wurde der Zusammenhang von Vermögenspreisen und Geldpolitik bisher meist in Dynamischen Allgemeinen Gleichgewichtsmodellen (DSGE Modellen), die von vollkommenen Kapital- und Finanzmärkte ausgegangen waren, untersucht. Erst in der jüngeren Vergangenheit wurden in diese Modelle unvollkommene Kapitalmärkte, die etwa das Auftreten von Blasen und Kreditzyklen erklären können, eingebaut.9)

Der "risk-taking channel" als neues Verständnis des Zusammenhangs

Auf Basis dieser neuen Erkenntnisse und aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre wurde erkannt, welche destabilisierende Wirkung Finanzmarktungleichgewichte für das gesamte Wirtschaftsgeschehen haben können. Für die Geldpolitik bedeutet dies, dass neben der Ausrichtung auf die Preisstabilität die Finanzmarktstabilität (sowie ein funktionierendes Zahlungssystem) als weiteres Ziel an Bedeutung gewonnen hat. Es bedeutet aber auch, dass die Notenbanken mit Blick auf die Finanzmärkte eine größere Verantwortung übernommen haben. Die geldpolitische Ausrichtung beeinflusst die Preis- und die Finanzmarktstabilität gleichermaßen.

Neuere Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass neben den bereits bekannten Transmissionskanälen ein weiterer Mechanismus, wie die Geldpolitik das Wirtschaftsgeschehen insgesamt beeinflusst, existiert.10) Dieser Mechanismus postuliert einen Einfluss der Höhe der kurzfristigen Zinsen auf das Risikoverhalten der Finanzintermediäre. Sind die Zinsen über einen langen Zeitraum sehr niedrig, kann das die Banken und andere Finanzintermediäre zu riskanteren Geschäftsstrategien verleiten.

Die "Suche nach Erträgen"11)in einem Niedrigzinsumfeld kann manche Finanzintermediäre beispielsweise dazu veranlassen riskante (langfristige) Vermögenswerte zu kaufen und diese mit ebenso riskanten kurzfristigen Verbindlichkeiten zu finanzieren, was eine Laufzeiten- und damit auch Liquiditäts-Inkongruenz impliziert. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit, dass Banken Schuldnern mit hohem Ausfallsrisiko Kredite gewähren, in einem Niedrigzinsumfeld größer, da riskante Investitionen bei niedrigen Finanzierungskosten eher durchgeführt werden.12)

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Notenbankzinsen einen wichtigen Einfluss auf die gesamte Finanzmarktstabilität haben können. Dabei sollte die Geldpolitik jedoch aufpassen nicht Opfer ihres eigenen Erfolges zu werden. Denn in einem Umfeld mit niedrigen und fest verankerten Inflationserwartungen können sich, wenn gleichzeitig die Zinsen niedrig sind, beinahe unbemerkt Vermögenspreisungleichgewichte etwa über den zuvor genannten risk-takingchannel aufbauen. Eine Fokussierung alleine auf die Preisstabilität ist in einem solchen Umfeld nicht adäquat.

Vermögenspreise, aber auch die Entwicklung der Kredite und der monetären Aggregate sind wichtige Indikatoren, die Finanzmarktungleichgewichte frühzeitig aufzeigen. Daher sollte ihre Rolle in der geldpolitischen Strategie über die Einbeziehung in den Inflations- und realwirtschaftlichen Ausblick hinausgehen. Die Zwei-Säulen-Strategie der EZB räumt der Analyse von Finanzmarkt- sowie monetären Indikatoren im Rahmen der Monetären Säule breiten Raum ein und hat somit bereits ein Frühwarnsystem für Finanzmarktungleichgewichte eingebaut.

Neue Rolle von Finanzmarktregulierung und Finanzmarktaufsicht

Die Betonung der Finanzmarktstabilität als zweites wichtiges Ziel der Notenbanken stellt die Geldpolitik allerdings auch vor eine Herausforderung. Durch die gleichzeitige Ausrichtung auf Preisstabilität und Finanzmarktstabilität können sich in verschiedenen Situationen Zielkonflikte ergeben. Dies wäre dann der Fall, wenn Maßnahmen zur Verfolgung eines Zieles das andere Ziel gefährden. Beispielsweise würde sich ein Zielkonflikt ergeben in einer Situation, wenn die Inflation unter ihrem Zielwert liegt aber gleichzeitig die Vermögenspreise stark steigen.

Die Entscheidung in einer solchen Situation die Zinsen niedrig zu belassen könnte die Vermögenspreise weiter antreiben oder wenn die Zinsen angehoben würden, um den Vermögenspreisanstieg einzudämmen, würde die Inflation noch weiter sinken. Laut dem Tinbergen-Prinzip, das besagt, dass mehrere wirtschaftspolitische Ziele nur mit einer gleichen Anzahl an wirtschaftspolitischen Instrumenten erreicht werden können, ist die Geldpolitik alleine als Instrument für zwei Ziele ungeeignet. Es muss zumindest ein weiteres Politikinstrument geben, das auf Finanzmarktstabilität ausgerichtet ist, um die Geldpolitik nicht zu überfordern.

Diese Rolle fällt der Finanzmarktregulierung und einer effizienten Finanzmarktaufsicht zu. Bisher war die Finanzmarktaufsicht vorwiegend mikroprudenziell orientiert, das heißt, sie zielte auf die finanzielle Tragfähigkeit der einzelnen Finanzinstitute ab. Doch in den letzten Jahren, nachdem die systemische Komponente von Finanzkrisen deutlich zutage getreten war, wurden zunehmend Maßnahmen einer makroprudenziellen Überwachung der Finanzmärkte diskutiert und entwickelt.

Makroprudenzielle Politik zur Verhinderung von Ungleichgewichten

Makroprudenzielle Politik ist auf den Finanzmarkt als Ganzes ausgerichtet und verfolgt das Ziel, den Aufbau von systemweiten Risiken im Finanzsektor hintanzuhalten oder zumindest abzuschwächen. Die Maßnahmen, die dafür zum Einsatz kommen, können in solche unterteilt werden, die helfen die Prozyklizität des Finanzsektors zu reduzieren, und solche, die die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems gegenüber negativen Schocks stärken.13)

Eine Maßnahme, die darauf abzielt, die Prozyklizität des Kreditwachstums einzudämmen, sind antizyklische Kapitalpolster. In Boomphasen tendieren Banken dazu, ein höheres Leverage einzugehen, indem sie ihre Kreditvergabe ausweiten sowie die Kreditrichtlinien lockern, während im Abschwung aufgrund des vermehrten Ausfalls von Kreditnehmern das Kreditangebot wieder eingeschränkt wird. Durch antizyklische Kapitalpolster, die in Boomphasen aufgebaut werden müssten, würde die Kreditvergabe in dieser Phase gedämpft werden. Im Abschwung könnte der Kapitalpolster dann wieder reduzieren werden, was die Kreditvergabe in dieser Phase stützen beziehungsweise weniger einschränken würde. Antizyklische Kapitalpolster führen damit zu einer automatischen Stabilisierung des Kreditzyklus.

Eine weitere Maßnahme, die wie ein automatischer Stabilisator des Kreditzyklus wirkt, sind Obergrenzen für Beleihungsquoten (loan-to-valueratio) von besicherten Krediten. Die Beleihungsquoten tendieren normalerweise dazu, in Boomphasen zu steigen, da Banken ein höheres Risiko akzeptieren. Eine Obergrenze würde die Kreditnehmer in Boomphasen dazu zwingen, mehr Sicherheiten bereitzustellen und damit die Kredite verteuern und die Nachfrage dämpfen.

Koordination mit der Geldpolitik

Als Maßnahme, die darauf abzielt, die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystem gegenüber negativen Schocks zu verbessern, sind etwa besondere (strengere) Regulierungsvorschriften für systemisch wichtige Finanzinstitute (Sifis) zu nennen. Sifis generieren wegen ihrer Bedeutung und ihrer starken Vernetzung negative Externalitäten für die Stabilität des gesamten Finanzsystems, was eine Ad-hoc-Regulierung dieser Institute rechtfertigt, um sie besonders krisenresistent zu machen.

Als weitere Maßnahme wird die Schaffung zentraler Clearingstellen (CCPs) bei Geldmarkttransaktionen erwogen. CCPs würden das Gegenpartei-Risiko reduzieren und der Notenbank eine bessere Überwachung der Finanzflüsse auf dem Geldmarkt ermöglichen und damit die Implementierung der Geldpolitik vor allem in Krisenzeiten erleichtern.

Der vielleicht umstrittenste Maßnahmenvorschlag zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems, der derzeit diskutiert wird, ist eine institutionelle Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken. Eine solche Trennung würde helfen, die Einleger vor exzessivem Risikoverhalten von Investmentbanken zu schützen. Allerdings ist es unklar, ob eine institutionelle Trennung von riskanten und weniger riskanten Geschäftsaktivitäten das gesamte Risiko im Finanzsystem reduzieren oder nur verschieben würde.

Keine Patentrezepte

Einige der genannten Maßnahmen werden in manchen Ländern bereits erfolgreich eingesetzt, zum Beispiel Obergrenzen für Beleihungsquoten in einigen ostasiatischen Ländern, während andere, wie etwa spezielle Vorschriften für Sifis, sich noch im Diskussionsstadium befinden und vermutlich erst in den kommenden Jahren umgesetzt werden.14)

Bei der Umsetzung müssen mehrere Einschränkungen beachtet werden: Es gibt kein Patentrezept zur Beseitigung der Instabilität des Finanzsystems, denn jede Krise ist anders und wird daher immer auch individuelle Lösungen erfordern. Auch wird eine verbesserte Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems Finanzkrisen nicht gänzlich verhindern können. In den verschiedenen Ländern gibt es unterschiedliche Erfahrungen und unterschiedliche Institutionen in der Regulierung. Daher müssen länderspezifische Gegebenheiten in der Umsetzung berücksichtigt werden. Schließlich sollte eine Koordination makroprudenzieller Politik mit der Geldpolitik angestrebt werden, um wirksamer den Aufbau systemweiter Risiken im Finanzsektor zu verhindern.

Institutionelle Umsetzung der makroprudenziellen Politik

Die Implementierung eines makroprudenziellen Regelwerks wird sich auf das gesamte Finanzsystem auswirken und folglich den geldpolitischen Transmissionsmechanismus verändern. Umgekehrt wird die Geldpolitik den Einfluss von makroprudenziellen Maßnahmen auf Vermögenspreise und Kreditentwicklung berücksichtigen müssen. Durch die Stabilisierung des Finanzsystems entlastet ein makroprudenzieller Ansatz die Geldpolitik, indem er Finanzmarktturbulenzen verhindert, die ihrerseits wieder Konjunkturschwankungen auslösen oder verstärken können. Es existieren also gegenseitige Beeinflussungen und Feedbacks zwischen makroprudenzieller Politik und Geldpolitik, weshalb eine Koordination zwischen den beiden Politikbereichen notwendig ist.

Laut empirischen Studien sind diese Zusammenhänge und Feedbacks nicht in jeder Situation gleich.15) Je nach zugrunde liegendem Schock und konjunktureller Situation werden sich makroprudenzielle Politik und Geldpolitik entweder in die gleiche oder in entgegengesetzte Richtungen (zum Beispiel wenn das Finanzsystem angespannt ist, aber keine Inflationsrisiken bestehen) bewegen. Daher sollten Zentralbanken eng in die Umsetzung der makroprudenziellen Politik eingebunden sein. Ein institutionelles Rahmenwerk, das sicherstellen soll, dass Zentralbanken an makroprudenziellen Entscheidungen beteiligt sind, ist in einigen Ländern bereits im Aufbau.

In den drei wichtigsten Finanzmärkten - USA, UK und Euroraum - sind bereits Regelwerke in Kraft, die sich hauptsächlich darin unterschieden, ob die makroprudenzielle Politik bei der Notenbank angesiedelt ist oder von einer eigenständigen Institution wahrgenommen wird.

In den USA wurde im Vorjahr das Financial Stability Oversight Council (FSOC) gegründet, das beim Finanzministerium angesiedelt ist und unabhängig von der Fed agiert. Zu den Aufgaben des FSOC gehören die Identifizierung und Beobachtung von systemischen Risiken und die Überwachung besonders systemrelevanter Finanzinstitute. Mit der Fed hat das FSOC einen engen Informationsaustausch eingerichtet, der soweit gehen kann, dass das FSOC der Fed Empfehlungen in Bezug auf ihre eigenen makroprudenziellen Richtlinien geben kann.

Im Vereinigten Königreich hingegen wurde das neue Financial Stability Committee (FSC) innerhalb der Bank of England eingerichtet. Das Komitee wird vom Gouverneur der Bank of England geleitet und umfasst unter den elf Mitgliedern fünf von außerhalb der Notenbank (etwa aus dem Finanzministerium). Das FSC ist für die makroprudenzielle nicht aber für die mikroprudenzielle Überwachung des Finanzmarktes zuständig.

Internationale Koordination

Ein Mittelweg zwischen eigenständiger Institution und Eingliederung der makroprudenziellen Überwachung in die Zentralbank wird im Euroraum mit dem European Systemic Risk Board (ESRB) beschritten. Es ist zwar institutionell von der EZB getrennt, das Leitungskomitee wird aber von EZB- und NZB-Vertretern beschickt. Darüber hinaus arbeitet das ESRB eng mit dem Eurosystem zusammen und erhält analytischen, statistischen, organisatorischen und logistischen Support von EZB und NZBs. Ein Unterschied zu den USA und dem Vereinigten Königreich besteht darin, dass das ESRB nur Warnungen und Empfehlungen im Hinblick auf den Aufbau systemischer Risiken ausgeben kann, nicht aber in der Umsetzung der makroprudenziellen Politik selbst tätig werden kann. Dies ist den Finanzmarktregulierungsbehörden und dem Eurosystem überlassen.

Die institutionelle Verankerung der makroprudenziellen Politik sollte auf jeden Fall sicherstellen, dass ein ständiger Informationsaustausch zwischen der Institution, die für makroprudenzielle Politik zuständig ist, und der Geldpolitik gewährleistet ist, damit eine effektive Koordination funktioniert. In einem breiteren Verständnis von wirtschaftspolitischer Koordination ist aber auch eine Koordination der makroprudenziellen Politik mit den Institutionen, die für die mikroprudenzielle Überwachung (in vielen Ländern die Finanzmarktregulierungsbehörde) sowie die Fiskalpolitik zuständig sind, vonnöten. Da Finanzmärkte auch international stark zusammenhängen, ist schließlich auch eine internationale Koordination der makroprudenziellen Politik wichtig.

Langfristige Ausrichtung der Geldpolitik

Die Notwendigkeit zur Koordination und des Informationsaustausches zwischen makroprudenzieller Politik und Geldpolitik sollte aber die primäre Ausrichtung der Geldpolitik auf das Ziel der Preisstabilität nicht behindern. Denn die erste Verteidigungslinie gegen das Entstehen von Finanzmarktungleichgewichten ist eine auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik. Da sich Systemrisiken meist über einen langen Zeitraum aufbauen, ist es außerdem wichtig, dass der Zielhorizont der Geldpolitik möglichst langfristig ausgerichtet ist, damit die Finanzstabilität und gleichzeitig die Preisstabilität umfassender berücksichtigt werden können. Eine erfolgreiche makroprudenzielle Politik wird die Geldpolitik darin unterstützen.

Der Autor dankt Herrn Dr. Fabio Rumler, OeNB, für die wertvolle Zusammenarbeit.

Literatur

Allen, F. und K. Rogoff (2011), "Asset Prices, Financial Stability and Monetary Policy", The Riksbank's Inquiry Into The Risks In The Swedish Housing Market, Chapter III.1.

Beau, D., Clerc, L. und B. Mojon (2011), "Macro-Prudential Policy and the Conduct of Monetary Policy", Banque de France, mimeo.

Bernanke, B. und M. Gertler (2001), "Should Central Banks Respond to Movements in Asset Prices?", American Economic Review 91(2), 253-257.

Bini Smaghi, L. (2011), Macro-Prudential Supervision and Monetary Policy - Linkagesand Demarcation Lines, Rede anlässlich der Volkswirtschaftlichen Tagung der OeNB am 23. Mai 2011 in Wien. BIZ (2010), "Makroprudenzielle Politik und Umgang mit Prozyklizität", BIZ 80. Jahresbericht 2009/10, Kapitel VII.

Borio, C. und P. Lowe (2002), "Asset Prices, Financial and Monetary Stability: Exploring the Nexus", BIS Working Paper No. 114.

Borio, C. und H. Zhu (2008), "Capital Regulation, Risk-Taking and Monetary Policy: A Missing Link in the Transmission Mechanism", BIS Working Paper No. 268.

EZB (2010), Asset Price Bubbles and Monetary Policy Revisited, ECB Monthly Bulletin November 2010. Issing, O. (2003), Introductory Statement at the ECB Workshop on "Asset Prices and Monetary Policy", Frankfurt am Main, 11.-12. Dezember 2003.

Jiménez, G., Ongena, S., Peydró, J. L., und J. Saurina (2010), "Credit Supply - Identifying Balance-Sheet Channels with Loan Applications and Granted Loans", ECB Working Paper No. 1179.

Kent, C. und P. Lowe (1997), "Asset-Price Bubbles and Monetary Policy", Reserve Bank of Australia, Research Discussion Paper 9709.

Maddaloni, A. und J. L. Peydró (2010), "Bank Risk-Taking, Securitization, Supervision and Low Interest Rates: Evidence from the Euro Area and the U. S. Lending Standards", ECB Working Paper No. 1248. Mishkin, F. S. (2011), "How Should Central Banks Respond to Asset-Price Bubbles? The 'Lean' versus 'Clean' Debate after the GFC", Reserve Bank of Australia Bulletin, June 2011.

Svensson, L. E. O. (2004), Asset Prices and ECB Monetary Policy, Briefing Paper for the Committee on Economic and Monetary Affairs (ECON) of the European Parliament, mimeo.

Fußnoten

1)Vgl. Issing (2003), Svensson (2004).

2)Mishkin (2011).

3)Vgl. Bini Smaghi (2011).

4) Als Messgröße wird hier von den meisten Notenbanken der Konsumentenpreisindex herangezogen. Vermögenspreise sind - außer in geringem Umfang durch die Häuserpreise - im Konsumentenpreisindex nicht berücksichtigt.

5) Die Einbeziehung der Produktionslücke in die Tay-lor-Regel wird von manchen Ökonomen mit deren Funktion als mittelbares Ziel, das wiederum der Erreichung Preisstabilität dient (vgl. Svensson, 2004), oder von anderen Ökonomen mit dem Vorhandensein eines realwirtschaftlichen Sekundärziels (wie etwa bei der EZB) motiviert.

6) Vgl. Bernanke und Gertler (2001), Borio und Lowe (2002), Kent und Lowe (1997).

7) Zum Beispiel univariate Zeitreihenmethoden, Quantile Regressionsmethoden oder Frühwarnindikatoren basierend auf anderen Variablen. Eine Zusammenfassung verschiedener Methoden zur Identifikation von Vermögenspreisblasen findet sich in EZB (2010).

8)Mishkin (2011).

9)Allen und Rogoff (2011).

10)Borio und Zhu (2008).

11)Als "search for yield" wird ein Verhalten von Anlegern in einem Umfeld mit niedrigen Zinsen bezeichnet, das, um die Erträge zu steigern, ein hohes Risiko bei der Anlageentscheidung in Kauf nimmt.

12) Für empirische Ergebnisse zum risk-taking channel siehe Maddaloni und Peydró (2010), Jiménez et al. (2010).

13)Vgl. Bini Smaghi (2011).

14) Für eine Übersicht bereits eingesetzter und vorgeschlagener Maßnahmen der makroprudenziellen Überwachung siehe BIZ (2010). 15)Vgl. Beau et al. (2011).

Prof. Dr. Ewald Nowotny , Gouverneur, Oesterreichische Nationalbank, Wien
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