Aufsätze

Vorstandsvergütung im M-Dax: Erfolgsorientierung und Nachhaltigkeit auch hier etabliert

Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise sind Aspekte der Corporate und Risk Governance sowie insbesondere Vergütungsfragen noch mehr in das Zentrum der politischen und öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Ungeachtet der Tatsache, dass die große Anzahl der börsennotierten Unternehmen in Deutschland eher Betroffene als Auslöser der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise waren, wurden im August 2009 mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) und der Überarbeitung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) weitreichende Anforderungen erlassen, die Höhe und Ausgestaltung, Festlegung sowie Transparenz der Vergütung von Vorstandsmitgliedern insbesondere in börsennotierten Unternehmen detaillierter als je zuvor regeln.

Heterogenes Bild bei der Transparenz der Vergütung

In den Geschäfts- beziehungsweise Vergütungsberichten für das Geschäftsjahr 2010 spiegeln sich diese Neuregelungen erstmals vollumfänglich wider. Dabei ergibt sich ein heterogenes Bild bei der Transparenz der Vergütung, insbesondere im individuellen Ausweis der Vergütungshöhen sowie beim Stand der Umsetzung neuer Vorgaben für Vergütungssysteme.

Eine aktuelle Analyse der Vergütungsberichte der 50 Unternehmen im M-Dax1) zeigt, dass 13 Unternehmen (26 Prozent) die Vorstandsvergütung nicht individuell ausweisen. Im Dax ist es gerade noch ein Unternehmen (Heidelberg-Cement), das diese Sonderrolle beansprucht, für 2011 aber bereits eine Abkehr von dieser Praxis angekündigt hat.

In den 37 M-Dax-Unternehmen, die für 2010 den individuellen Vergütungsausweis vornehmen, haben aktuell neun Gesellschaften die Umsetzung der regulatorischen Neuregelungen für ihre Vorstandsvorsitzenden mit Verweis auf den Bestandsschutz von Altverträgen noch nicht vorgenommen. Sie verfügen damit teilweise noch nicht über grundsätzliche Mehrjährigkeit in der variablen Vergütung.

Berichte häufig schwer verständlich

Sofern Systeme und individuelle Höhen der Vorstandsvergütung ausgewiesen werden, sind die Vergütungsberichte häufig schwer verständlich und schlecht vergleichbar. Daran hat auch die Überarbeitung des Deutschen Rechnungslegungs-Standards Nr. 17 (DRS 17) wenig geändert, die durch die ebenfalls im Rahmen des VorstAG geänderten Vorschriften zum Ausweis von Leistungen bei Beendigung der Vorstandstätigkeit notwendig geworden war.

Der Ausweis konzentriert sich weiter auf das, was einmal Vergütung sein könnte und nicht auf das, was in dem jeweiligen Geschäftsjahr gewährt wurde. Die Entwicklung zu mehr Langfristigkeit und Nachhaltigkeit wird auch nach den überarbeiteten Vorschriften nur ungenügend abgebildet. Hier wurde eine wichtige Chance vertan, in Sachen Transparenz einen internationalen Spitzenplatz zu erreichen.

So werden aktienbasierte und nicht-aktienbasierte Vergütungen, die wirtschaftlich genau gleich sind, weiterhin vollkommen unterschiedlich ausgewiesen. Während aktienbasierte Bezüge bereits im Jahr der Gewährung (zum Beispiel in 2010, Auszahlung in 2014) in die Gesamtbezüge einzubeziehen sind, gilt für nicht-aktienbasierte Bezüge die Ausweispflicht erst bei Auszahlung (das heißt im vorliegenden Beispiel erst in 2014). Viele Unternehmen versuchen mittlerweile, mit Zusatzangaben eine erhöhte Transparenz herzustellen, wodurch das Problem der Vergleichbarkeit jedoch nicht gelöst wird, da keine einheitlichen Angaben gemacht werden.

Verschiebungen im Mix

Unabhängig von allen regulatorischen Vorgaben belegt die Analyse in den Vergütungshöhen der M-Dax-Unternehmen eine durchaus starke Erfolgsorientierung. So beläuft sich die durchschnittliche Direktvergütung - Summe aus Festvergütung, Kurzfristbonus und mehrjähriger variabler Vergütung - eines Vorstandsvorsitzenden in diesem Börsensegment für das Geschäftsjahr 2010 auf rund zwei Millionen Euro. Bei den Top-Managern, die in den Geschäftsjahren 2009 und 2010 im Amt waren, beträgt der aktuelle Wert 1,97 Millionen Euro. Die damit im Durchschnitt um rund 28 Prozent gestiegenen Vergütungen resultieren aus Anstiegen bei den kurzfristigen variablen Bezügen (plus 16 Prozent), insbesondere aber bei den in der Regel auf drei bis vier Jahre ausgelegten langfristigen variablen Vergütungsbestandteilen, die sich verdoppeln (plus 102 Prozent).

Der deutliche Anstieg der mehrjährigen variablen Bezüge ist im Wesentlichen eine Folge des eingangs beschriebenen und 2010 erstmals geltenden Gesetzes zur Angemessenheit in der Vorstandsvergütung (VorstAG), wonach die variable Vergütung grundsätzlich auf einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage beruhen muss. Nach herrschender Meinung bedeutet dies, dass der langfristige Anteil den kurzfristigen Anteil der variablen Vergütung übersteigen muss. Im Durchschnitt über die M-Dax-Unternehmen basiert knapp die Hälfte der variablen Vergütung der Vorstandsvorsitzenden im Geschäftsjahr 2010 auf einer langfristigen Bemessungsgrundlage. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass noch nicht alle Unternehmen ihre Systeme umgestellt haben und dass sich die guten Ergebnisse 2010 zunächst nur in der Höhe der kurzfristigen Komponente widerspiegeln, während die langfristige Komponente erst in einigen Jahren zur Auszahlung kommt, vorausgesetzt, die entsprechenden Erfolgsziele werden erreicht.

In den letzten Jahren hat sich der Anteil der langfristigen variablen Vergütung im M-Dax insgesamt erhöht, auf jetzt knapp 50 Prozent. Zur Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Vergütung wurden von den Unternehmen Umschichtungen in den Vergütungskomponenten vorgenommen. So wurde der auf jährlichen Ergebnissen beruhende und auf Jahresbasis ausbezahlte Kurzfristbonus durch langfristige und nachhaltige Vergütungskomponenten ersetzt beziehungsweise ergänzt. Die Unternehmen setzen dabei auf eine auf mehrjährigem Erfolg basierende variable Vergütung, zum Beispiel durch verzögerte Auszahlungen kurzfristiger variabler Bezüge über Bo-nus-Malus-Regelungen oder klassische eigenständige Langfristvergütungen.

Bonus-Malus-Systeme

Ein Weg zur Verankerung von mehr Nachhaltigkeit in der Vergütung ist es, eine Verschiebung von Auszahlungen aus der Kurzfristvergütung vorzunehmen und diese zugleich unter einen weiteren Perfor-mance-Vorbehalt zu stellen. Laut Analyse werden derartige Bonus-Malus-Systeme inzwischen von einem Drittel der M-Dax-Unternehmen offengelegt, im Dax sind es über 40 Prozent. Daneben setzen sich mehr und mehr Aktienhaltevorschriften durch, die rund ein Drittel der Dax-Unternehmen und ebenfalls ein Teil der M-Dax-Unternehmen nutzen. Über dieses Instrument werden Vorstände verpflichtet, aus Privatvermögen in signifikantem Umfang Anteile des eigenen Unternehmens zu erwerben und langfristig zu halten.

Im Effekt kommt es bei sinkenden Aktienkursen zu einer tatsächlichen individuellen Vermögensminderung und nicht nur zum Wegfall eines Teils der Vergütung. Die betreffenden Führungskräfte werden so zu Miteigentümern, die mit einem Teil ihres Vermögens haften. Dies bewirkt eine nachhaltiger ausgerichtete Risiko- und Entscheidungskultur (Vermögenshaftung versus Schadenshaftung).

Darüber hinaus setzt sich zur Erhöhung der Nachhaltigkeit in den Vergütungssystemen eine stärkere Stakeholder-Orientierung durch. So arbeiten auch im M-Dax einige Unternehmen in ihren variablen Vergütungssystemen mit nicht-finanziellen Zielen, mehrheitlich der Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit gefolgt von Umwelt- oder Compliance-Vorgaben.

Vergütungshöhen 2010 auf einen Blick

Die durchschnittliche Grundvergütung von Vorstandsvorsitzenden im M-Dax für das Geschäftsjahr 2010 beträgt rund 680000 Euro, der jahresbasierte Kurzfristbonus 670000 Euro und die variable Langfristvergütung 640000 Euro - die Vergütungsstruktur weist somit einen ausgewogenen Mix aus festen, kurzfristigen und langfristigen Elementen von jeweils rund einem Drittel aus. Die durchschnittliche Direktvergütung beläuft sich auf 1[990]000 Euro (Abbildungen 1 und 2).

Über den gesamten M-Dax hinweg wird für sechs Vorstandsvorsitzende eine Direktvergütung von mehr als drei Millionen Euro ausgewiesen, insgesamt 18 Unternehmenslenker erhalten mehr als zwei Millionen Euro.

Variabel versus direkt: auf dem Niveau vor der Wirtschaftskrise

Die höchsten Direktvergütungen im Vergleich der M-Dax-Unternehmen erhalten die Vorstandsvorsitzenden von Hochtief (4,3 Millionen Euro), Lanxess (3,9 Millionen Euro) und EADS (3,5 Millionen Euro). Diese Spitzenwerte liegen rund ein Drittel unter den Vergleichswerten im Dax (Volkswagen, 9,3 Millionen Euro Direktvergütung, Siemens 8,9 Millionen Euro), weisen aber ähnlich hohe Anteile an nachhaltig variabler Vergütung auf, mindestens 35 Prozent bei EADS und maximal 69 Prozent bei Hochtief. Alles in allem bewegt sich der Anteil der variablen Vergütungen an der Direktvergütung mit rund 30 Prozent wieder auf dem Niveau vor der Wirtschaftskrise.

Die Unternehmen mit den geringsten Bezügen für Vorstandsvorsitzende sind Deutsche Wohnen und HHLA mit jeweils 0,7 Millionen Euro Direktvergütung sowie Heidelberger Druck mit 0,75 Millionen Euro.

Die Bezüge des Vorstandsvorsitzenden der Aareal Bank sind bei 500000 Euro Fixvergütung gedeckelt, da das Institut staatliche Hilfen in Anspruch nimmt. Laut Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (FMStFV) vom Oktober 2008 sind bei Banken, die staatliche Hilfen aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds erhalten, Vergütungen für Vorstände und Geschäftsführer oberhalb von 500000 Euro als unangemessen anzusehen. Boni dürfen bei Verlusten grundsätzlich nicht bezahlt werden.

Pay for Performance weitgehend etabliert

Eine Gegenüberstellung der Bezüge von Vorstandsvorsitzenden im M-Dax, die sowohl 2009 und 2010 im Amt waren, belegt einen Anstieg der durchschnittlichen Direktvergütung um 28 Prozent auf 1,97 Millionen Euro. Den höchsten Vergütungszuwachs gegenüber dem Geschäftsjahr 2009 verzeichnen die Vorstandsvorsitzenden von Leoni (plus 145 Prozent), EADS (plus 132 Prozent) und Lanxess (plus 118 Prozent).

Alle drei Unternehmen haben das Ergebnis pro Aktie (EPS) als Performance-Kenngröße erheblich gesteigert. Über den gesamten Kreis der M-Dax-Unternehmen hinweg ist diese Kennzahl um durchschnittlich 655 Prozent gestiegen. An der Spitze stehen hier Unternehmen wie Wacker Chemie (EPS 2009: minus 1,43, 2010: 9,88), Aurubis (EPS 2009: minus 1,15, 2010: 7,93) oder Rheinmetall (EPS 2009: minus 1,60, 2010: 4,23), die einen Verlust pro Aktie in 2009 in einen deutlichen Gewinn im Jahr 2010 drehen konnten (Abbildung 3).

Sinkende Vergütungen werden für die Unternehmenslenker von Stada Arzneimittel (minus 11 Prozent), Vossloh (minus 7 Prozent) und Hochtief (minus 2 Prozent) ausgewiesen, wenngleich die beiden letztgenannten Unternehmen noch einen gestiegenen Gewinn pro Aktie verzeichnen. Der deutlichste Rückgang im Vergütungsvergleich wurde bei Brenntag (minus 80 Prozent) ermittelt, der aber einem im Geschäftsjahr 2009 vorzeitig beendeten Incentivierungs-Programm im Rahmen des Börsengangs geschuldet ist (Abbildung 4).

Diskrepanzen zwischen dem Ergebnis pro Aktie und der Vorstandsvergütung zeigen sich bei GEA Group (Veränderung Ergebnis je Aktie minus 0,15 Euro/Anstieg Direktvergütung plus 64 Prozent), Wincor Nixdorf (minus 0,23 Euro/plus 32 Prozent), Tognum (minus 0,30 Euro/plus 16 Prozent), Rhön Klinikum (minus 0,06 Euro/plus 11 Prozent) und Praktiker Holding (minus 0,42 Euro/plus 7 Prozent). Mit Ausnahme von Praktiker geht der Vergütungsanstieg im Wesentlichen auf die Neueinführung beziehungsweise Erhöhung nachhaltiger variabler Vergütungen zurück, deren Auszahlung je nach Geschäftsentwicklung über die kommenden bis zu vier Jahre erfolgt.

Erheblicher Fortschritt in der Vergütungspraxis

Die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf Angemessenheit und Ausgestaltung als auch in Bezug auf Transparenz und Compensation Governance spiegeln sich in den Geschäftsberichten für das zurückliegende Geschäftsjahr erstmals wider. Insbesondere die Umsetzungen der Anforderungen an langfristige Bemessungsgrundlagen in der variablen Vergütung von Mitgliedern des Vorstands beziehungsweise der Geschäftsleitung sowie die langfristige Ausgestaltung der variablen Vergütung stellen einen erheblichen Fortschritt in der Vergütungspraxis der M-Dax-Unternehmen dar.

Offensichtlich ist, dass die Vergütung der Vorstandsvorsitzenden erfolgs- und risikoorientierter ausgestaltet ist als jemals zuvor. Im Durchschnitt steht knapp die Hälfte der variablen Bezüge der Top-Manager im M-Dax für bis zu vier Jahre im Risiko und kann im Extremfall ganz entfallen. Dies ist eine neue Qualität, die aber auch ihre Kehrseite hat: Denn im Zuge der aufgeschobenen Vergütung werden zukünftig auch in schlechten Jahren ausstehende Zahlungen aus vergangenen guten Jahren ausgezahlt, sofern keine Risiko-Vorgaben verletzt oder andere Fehler begangen wurden. Der unmittelbare Zusammenhang von Pay und Performance geht verloren. Bonuszahlungen werden sich verstetigen und, über einen längeren Zeitraum hin betrachtet, auf einem Durchschnittsniveau einpendeln.

Mit Blick auf den noch hohen Anteil an Unternehmen, die noch keinen individuellen Ausweis in der Vorstandsvergütung vornehmen, bleibt zu hoffen, dass sich hier möglichst rasch ein Sinneswandel vollzieht. Angesichts der eingeschlagenen Marschroute in der Praxis des Vergütungsausweises zeigen sich die Verfasser diesbezüglich jedoch optimistisch. Auch wird sich der in den kommenden Jahren im M-Dax vollziehende Generationswechsel an den Unternehmensspitzen zu einem Wandel der Governance-Kultur und damit auch in der Perspektive auf den Vergütungsausweis vollziehen. In diesem Zusammenhang werden Fragen des Ob und Wie des Vergütungsausweises sicherlich stärker im Sinne des Kapitalmarkts und der Aktionäre adressiert.

In Bezug auf die Vergleichbarkeit der Vergütung - insbesondere der langfristigen variablen Bestandteile - bleibt allerdings noch einiges zu tun. Da der Deutsche Standardisierungsrat bei der Überarbeitung des DRS 17 mehr buchhalterischen denn vergütungstechnischen Sachverstand hat walten lassen, könnte beispielsweise über eine Änderung des DCGK die notwendige Transparenz und Vergleichbarkeit geschaffen werden.

Fußnote

1) hkp/// Analyse "Geschäftsberichtsauswertung M-Dax 2010"

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