Gespräch des Tages

Zahlungsverkehr - Fortschritt

"Das Jahr 2012 steht im Bereich des Zahlungsverkehrs für die Deutsche Kreditwirtschaft unter einem besonderen Zeichen. Es ist das Jahr, in dem wir für die Kunden und für den Handel eine innovative Bezahllösung groß angelegt pilotieren: das kontaktlose Bezahlen mit der Bank- oder Sparkassenkarte." So eröffnete BVR-Vorstand Andreas Martin die entsprechende Pressekonferenz. Der Vorstoß der Deutschen Kreditwirtschaft (ehedem ZKA), ab Mitte April das kontaktlose Bezahlen im Großraum Hannover zu pilotieren, ist sicherlich gleich in mehrfacher Hinsicht ein Fortschritt. Zum einen das Produkt selbst. Glaubt man den einschlägigen Untersuchungen, gehört dem kontaktlosen und mobilen Bezahlen per Chip auf der Karte oder per Smartphone die Zukunft. Um dies zu erreichen, und das ist der zweite Fortschritt, sitzen die Betroffenen aus Kreditwirtschaft und Handel bereits seit einiger Zeit zusammen und planen. Entgegen früheren Aktionen im Zahlungsverkehr wurde der Handel diesmal von Anfang an mit einbezogen und nicht erst bei der Einführung mit den Überlegungen der Banken und Sparkassen konfrontiert. Das macht Hoffnung auf größere Erfolge als in der Vergangenheit beispielsweise bei der Geldkarte, die bis heute aus einem Mauerblümchendasein nicht herausgekommen ist. Aktuellen Zahlen zufolge zahlten Verbraucher im Jahr 2011 insgesamt 125 Millionen Euro mit ihrer Geldkarte, der durchschnittliche Transaktionsbetrag lag bei 3,03 Euro.

Bei "girogo", der kontaktlosen Variante der Geldkarte sind Abbuchungen bis 20 Euro einfach durchzuführen, indem der Kunde die Karte nur im Abstand von wenigen Zentimetern vor das Terminal halten muss. Bei höheren Beträgen ist aus Sicherheitsgründen zusätzlich die Eingabe der PIN erforderlich. Banken und Handel versprechen sich eine deutliche Beschleunigung des Zahlvorgangs und eine Verringerung der Bargeldbestände in den Kassen. Gerade Letzteres erinnert stark an die Argumentation bei Einführung der Geldkarte. Allerdings wurde mit der Aufladmöglichkeit der kontaktlosen Prepaid-Karten direkt am PoS die größte Sorge der Verbraucher eliminiert, nämlich plötzlich mit zu wenig Guthaben dazustehen und sich so den Unmut der Schlange hinter sich zuzuziehen.

Allerdings zeigen sich auch heute wieder einige der altbekannten Verhaltensmuster, die an die Einführung der Geldkarte erinnern. Beim Pilot in Hannover werden über 1,3 Millionen Kunden von Banken und Sparkassen mit kontaktlosen Karten ausgestattet, mit denen sie bei Tankstellen, Supermärkten von Edeka oder Drogerien bezahlen können. Allein Edeka hat für den Piloten 250 Märkte mit über 1000 Kassen umgerüstet. So weit, so gut, doch nun die eher zweifelhaften Parallelen: Besonders begeistert von der neuen Technologie sind die Sparkassen, die alleine 1,2 Millionen Kunden umrüsten. Deutlich mehr Zurückhaltung ist bei den Genossenschaftsbanken zu spüren, von denen die restlichen 150000 Kunden für den Pilot kommen. Andreas Martin begründet das selektive Vorgehen damit, dass nur Kunden mit der neuen Karte ausgestattet werden, die bereits durch eine hohe Affinität zu Onlinebanking und Kartenzahlungen aufgefallen sind. Da muss allerdings gefragt werden, ob dies nicht die Ergebnisse des Piloten positiv verfälscht, denn repräsentativ für die breite Schicht der Volks- und Raiffeisenbanken-Kunden sind diese "Technikfreaks" sicherlich nicht. Abwartend und mit freundlicher Zurückhaltung das Projekt begleitend präsentieren sich wieder einmal die im BdB zusammengeschlossenen Privatbanken. Zwar wird betont, dass man jederzeit auf den Zug aufspringen könne und man eng in die Entwicklungsarbeiten eingebunden war, doch eigene Kunden werden zunächst nicht ins Rennen geschickt.

Wenn die neue Technik wirklich so zukunftsweisend, sicher und einfach ist, wie von den Beteiligten betont, dann muss man sich über die Vorgehensweise von zwei der drei großen Bankengruppen doch eher wundern. Und wenn girogo wirklich ein Erfolg werden soll und die Geldkarte nicht nur wiederbeleben, sondern dauerhaft wettbewerbsfähig neben anderen Bezahlverfahren etablieren will, wäre etwas mehr Bereitschaft wünschenswert. Denn eines ist klar: Ein Scheitern des Pilots in Hannover würde die Umsetzung eines flächendeckenden Einsatzes des kontaktlosen Zahlens auf Jahre hinaus verzögern, wenn nicht gar komplett von der Bildfläche verschwinden lassen.

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