Gespräch des Tages

Zentralbanken II - Schwieriges Erwartungsmanagement

Die amerikanische Notenbank Fed senkt den Leitzins auf Null, die Europäische Zentralbank nimmt ihn um stolze 0,75 Prozent zurück - und die Märkte reagieren keineswegs nachhaltig positiv. Wieder mal ist die Wirkung der geldpolitischen Instrumente verpufft, oder sanfter ausgedrückt, der Einsatz hat weder zu einer Erholung an den Finanz- und Devisenmärkten noch zu einem größeren Vertrauen der Marktteilnehmer untereinander geführt. Dabei wurden die Schritte von den Beteiligten gut vorbereitet, soll heißen, der Markt ist mit ausreichend Indikationen über das Kommende versorgt worden. Diese Kommunikation mit den Märkten, das Erwartungsmanagement, gewinnt in der Notenbankpolitik immer mehr an Bedeutung. Während es in früheren Zeiten der Bundesbank mitunter die Einstellung gab, die Märkte auch mal überraschen zu müssen, versuchen die Zentralbanken dies heute tunlichst zu vermeiden. "Die Welt ist unsicher genug. Eine Notenbank sollte nicht noch zur Verstärkung der Unsicherheit beitragen. Würde eine Notenbank die Märkte gezielt überraschen, wäre der damit verbundene Vertrauensverlust nur schwer wieder zu korrigieren", sagte etwa der frühere Chefvolkswirt der Bundesbank und der EZB, Ottmar Issing jüngst in dieser Zeitschrift. Während früher das Augenmerk darauf lag, die Erwartungen der Märkte zu erahnen, nicht zu erfüllen, und dann doch wieder die Reaktionen auf die Nichterfüllung der ursprünglichen Erwartungen zu erkennen und in die Entscheidungen einfließen zu lassen, versucht die Notenbankkommunikation moderner Prägung mittels umfangreichem Research, die Erwartungen zu erkennen und zu erfüllen. Dem pflichtet auch EZB-Präsident Jean-Claude Trichet unumstritten bei, der vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten feststellte: "Communication is a key element for central banks to enhance the effectiveness, predictability an credibility of their monetary policy decisions." Diesen Wandel im Umgang der Notenbanken mit den Marktteilnehmern macht der EZB-Präsident vor allem an zwei Dingen fest: Erstens habe sich inzwischen eindeutig gezeigt, dass die Wirkung einer Geldpolitik der Überraschung und der isolierten Schritte verpufft, da die Märkte die Auswirkungen auf Preise und Löhne vorwegnehmen. Und schlimmer noch: Die kurzfristigen Reaktionen bei Output und Beschäftigung würden mittelfristig von einer höheren Inflation aufgefressen. Für eine Notenbank, für die die Wahrung der Preisstabilität oberste Priorität hat, kann dies nicht zielführend sein. Darüber hinaus, so der EZB-Präsident, erfordere die Unabhängigkeit der Notenbanken ein hohes Maß an Transparenz. Und die Unabhängigkeit sei schließlich eine der größten Errungenschaften auf dem Weg der Geldpolitik. Dies aus dem Munde eines Franzosen zu hören, vermochte am Anfang manchen nicht nur im Mutterland Trichets zu überraschen. Doch wie jeder andere Politiker oder Zentralbanker machte auch er, kaum in der EZB angekommen, blitzschnell die Wandlung durch: Preisstabilität und Unabhängigkeit der geldpolitischen Entscheidungen über alles. Dabei ist das alles keineswegs neu. Schon Ludwig Erhard, deutsches Wirtschaftswunder und Altkanzler der Bundesrepublik, versuchte mit seinen "Maßhalteappellen", also mittels moralischer Aufrufe und Empfehlungen Wirtschaftssubjekte und/oder Gruppen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Erfolgreich ist diese Politik immer dann, wenn die Verantwortlichen noch mit deutlich härteren Maßnahmen einschreiten könnten. Dieser Möglichkeit berauben sich die Zentralbanken teilweise, wenn sie mittels Nullzinspolitik die Märkte mit Liquidität fluten (siehe auch Zentralbanken I). PS: Wenn erprobte Journalisten auf die andere Seite des Schreibtisches wechseln und namhafte Kommunikationsposten bekleiden, ist das nicht immer von Erfolg gekrönt. Bei der Bundesbank ist es allerdings beispielhaft gelungen. Christian Burckhardt trimmte die deutsche Notenbank entsprechend ihrer neuen Anforderungen auf Transparenz und Offenheit und setzte so die jahrelang erprobte Kommunikationspolitik in moderner Form fort. Er kam kurz vor Weihnachten bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben. Die Redaktion trauert um einen ehemaligen Kollegen.

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