Gespräch des Tages

Aktienkultur - Eine reizvolle Daueraufgabe

Zur Jahreswende 2006/2007 lassen sich die nüchternen Zahlen des Deutschen Aktieninstitutes wesentlich anschaulicher vermitteln als zuvor. Denn man kann viele der im neuen DAI-Factbook verzeichneten Statistiken, Analysen und Grafiken an der Person Frank Lehmann festmachen. Der langjährige Börsenjournalist des Hessenfernsehens ist in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung zur Verkörperung von Aktien und Börse schlechthin geworden. Das Wort von der "Marke Lehmann", wie es bei der Verabschiedung des Chefs des Börsenteams in den Ruhestand gleich mehrfach gebraucht wurde, ist beileibe keine verklärende Umschreibung. Sondern es spiegelt nur die Anerkennung des Publikums wider. Lehmann ist spätestens mit dem Börsenhype des Internetzeitalters mit der vergleichsweise trockenen Materie Aktien und Kapitalmarkt zu einem Fernsehstar geworden. Er hat seinerzeit maßgeblich mitgeholfen, die Geschehnisse rund um Börse und Geldanlage zu einem Gesprächsthema breiter Bevölkerungsschichten werden zu lassen. Und durch seine authentischen Auftritte hat er diesen Status auch in den vergangenen Jahren bewahren können, also durchaus über widrige Börsenzeiten hinweg.

In diesem Sinne wäre Frank Lehmann nicht Frank Lehmann, hätte er in den Wochen seiner Abschiedstournee vom HR nicht wiederholt öffentlich betont, wie sehr ihn die Entwicklung der T-Aktie schmerzt. Man nimmt ihm ab, dass es ihn wurmt, wie private Anleger aus aller Welt das zweifellos gute Börsenjahr 2006 zu Aktieninvestments genutzt haben, während ihre deutschen Pendants in Massen in wertsichernde Anlagekonzepte investiert und selbst auch aus Aktienfonds noch viele Mittel abgezogen haben. Die Scheu vor der Aktie ist wieder spürbar größer geworden.

Was jeden ambitionierten Börsenjournalisten im Rückblick betrübt stimmen muss, ist beispielsweise schon die bloße Anzahl der Aktionäre. Sie ist nach den von Infratest im Auftrag des DAI erhobenen Daten in Deutschland im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres gegenüber dem Jahresendstand 2005 noch einmal um weitere 8,2 Prozent gesunken und beträgt nur noch 4,353 Millionen. Ein solch niedriger Stand wurde zuletzt im Jahre 1997 verzeichnet. Auf dem Höhepunkt des Aktienbooms im Jahre 2000 hingegen lag die Zahl der Aktienbesitzer mit 6,211 Millionen um rund 42,7 Prozent höher.

Sicher ist die Sensibilisierung der Bevölkerung für die Aktie nicht in dem Maße und vor allen Dingen nicht so schnell gelungen, wie ambitionierte Börsen- und Anlegerjournalisten sich das vorgestellt haben. Aber der Tendenz nach zeigt auch die Entwicklung der Anteile der Aktionäre an der Bevölkerung eine Einsicht in die Bedeutung der Aktie für die Altersvorsorge. Auch wenn der Anteil zuletzt wieder abgenommen hat, sind immerhin 6,7 Prozent der deutschen Bevölkerung Aktionäre. Die Quote liegt zwar deutlich unter den 7,3 Prozent aus dem Jahr 2005, bedeutet gegenüber dem Boomjahr 2000 mit einem Anteil von 9,7 Prozent einen Rückgang um drei Prozentpunkte, doch die Werte zu Beginn der neunziger Jahre werden immerhin übertroffen.

Die ganz allmähliche Normalisierung des Verhältnisses der deutschen Bevölkerung zur Aktie zeigt sich noch ein wenig deutlicher, wenn man die Besitzer von Aktienfonds in die Betrachtung einbezieht. Mit 4,848 Millionen per 1. Halbjahr 2006 liegt sie zwar sichtlich unter den 5,292 Millionen aus dem Jahre 2005 und besonders den 7,133 Millionen aus dem Jahre 2001, aber eben auch deutlich über den 3,582 Millionen aus dem Jahre 1999. Hier macht sich nicht zuletzt bezahlt, dass viele Ansparpläne zur Altersvorsorge auf Aktienfonds basieren. Wenn man die Besitzer von Investmentfonds (11,4 Prozent) in den Anteil der Aktionäre an der Bevölkerung mit einbezieht, sind insgesamt 15,3 Prozent der über 14-jährigen Deutschen der Aktie mehr oder weniger verbunden. Aber an die Werte aus anderen Ländern mit der überragenden Bedeutung der Aktie für die Altersvorsorge reichen diese Werte bei weitem nicht heran.

Für Michael Best, den Nachfolger Lehmanns beim Hessenfernsehen, bedeuten diese ernüchternde Bestandsaufnahme der Zahlen wie auch die selbstkritischen Anflüge seines Vorgängers zum Abschied durchaus eine gute Startbasis. Denn bei allem Personenkult um Frank Lehmann bleibt dem neuen Leiter des HR-Börsenteams auf Jahre hinaus eine gleichermaßen reizvolle wie anspruchsvolle Aufgabe, die er mit eigenem Stil angehen kann - die wahre Verankerung einer Aktienkultur in den deutschen Wohnstuben über gute und schlechte Börsenzeiten hinweg.

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