Gespräch des Tages

Aktionärsstruktur - Ernüchternde Zahlen am "Schwarzen Montag"

Dass das Deutsche Aktieninstitut die aktuellen Zahlen zur Aktionärsstruktur für Deutschland just an dem Tag veröffentlichte, als der hiesige Dax seit den Terroranschlägen auf das World Trade Center seinen schlimmsten Einbruch an einem Börsentag zu verkraften hatte, hat rückblickend betrachtet durchaus etwas Symbolisches. Bei normalen Kursverläufen hätte man die ernüchternde Zahl einer im zweiten Halbjahr 2007 um 13,2 Prozent auf 3,8 Millionen rückläufigen Zahl an direkten Aktienbesitzern vielleicht noch zum wiederholten Mal als gute Basis zur Wende interpretieren dürfen. Doch an einem solchen Punkt war die hiesige Aktionärsstatistik im vergangenen Jahrzehnt schon zu häufig, ohne eindeutig den allgemein erhofften Trend nach oben einschlagen zu können. Wer ungeduldig eine schnelle Annäherung an die Verhältnisse in anderen Ländern erwartet, wird immer wieder enttäuscht.

Im Lichte der Aktienkursentwicklung im Januar dieses Jahres insgesamt und speziell rund um den (Bank-)Feiertag in den USA fällt es derzeit sogar schwer, auch nur kleine ernst zunehmende Hoffnungsschimmer aufzuspüren, die in Deutschland die vergleichsweise mäßige Quote der direkten Aktionäre von 5,8 Prozent der Bevölkerung anheben könnten. Der Höchststand (6,2 Millionen Aktionäre oder 9,7 Prozent der Bevölkerung im Jahre 2000) wird derzeit jedenfalls um 40 Prozent unterschritten. Momentan wird nicht einmal die Marke aus dem Jahre 1992 erreicht. Noch stärker als die Zahl der Aktionäre überhaupt ist dabei in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Belegschaftsaktionäre zurückgegangen.

Selbst einschließlich der Anleger in Aktien- und gemischten Fonds ist die Lage nicht wirklich erfreulich. Denn auch in dieser weiter gefassten Abgrenzung ist die Zahl der Aktienbesitzer im zweiten Halbjahr 2007 auf 10,1 Millionen geschrumpft (nach 10,5 Millionen in den ersten sechs Monaten 2007). Von diesen 15,6 Prozent der Bevölkerung besaßen 2,2 Millionen ausschließlich Aktien, 6,4 Millionen sind reine Fondsanleger, und 1,6 Millionen sind sowohl in Aktien- beziehungsweise gemischten Fonds als auch direkt in Aktien engagiert. In dieser Gesamtbetrachtung über alle drei Anlageklassen konnte immerhin das Niveau der Jahre 2000 bis 2003 ebenfalls nicht gehalten werden, und seit 2004 mit seinen 10,5 Millionen Aktienbesitzern lässt sich bei gutem Willen eine gewisse Stabilität feststellen. Mäßigen Trost spendet allenfalls der noch längerfristige Rückblick. Im Vergleich zu den Verhältnissen Ende der neunziger Jahre (5,6 beziehungsweise 8,23 Millionen in den Jahren 1997 und 1999) hat sich die Zahl der Aktienbesitzer deutlich erhöht.

Als Grund für die momentane Zurückhaltung der Deutschen bei der Aktienanlage gelten derzeit verständlicherweise die Marktturbulenzen im Zuge der Subprime-Krise. Doch in einer gefestigten Aktienkultur auf beiden Marktseiten lösen solche Einflüsse eigentlich nur die kurzfristigen Schwankungen aus, ohne die langfristigen Bedingungen zu gefährden. Die wahren Ursachen für die mangelnde Aktienkultur liegen tiefer (siehe auch Beitrag Peppler/Wieandt in diesem Heft). Sie spiegeln letztlich die Grundeinstellung der Akteure zum Aktienmarkt wider und lassen sich nur langfristig ändern. Es sind auf der Angebotsseite die relativ starke Bedeutung der Kreditfinanzierung in der deutschen Wirtschaft und auf der Nachfrageseite eine Untergewichtung privater und betrieblicher Altersvorsorge, die ihrerseits wiederum in einem engen Wechselspiel stehen. An internationalen Maßstäben gemessen würde eine wachsende Bedeutung der kapitalgedeckten Altersvorsorge - ohne und erst recht mit staatlicher Förderung die Aufnahmefähigkeit beziehungsweise den Bedarf an Aktienemissionen am deutschen Markt spürbar erhöhen. Das wäre umgekehrt ein Signal an die Unternehmen, ihren Kapitalbedarf statt über Kredite verstärkt durch Börsengänge zu decken. Richtig in Gang gekommen ist dieser klassische Prozess der gegenseitigen Befruchtung beider Marktseiten allerdings noch nicht.

PS: Über die zeitnahe Markterhebung von Infratest für das zweite Halbjahr 2007 hinaus steht schon seit Mitte Dezember vergangenen Jahres das traditionelle DAI-Factbook zur Verfügung. Das dort veröffentlichte Material an Statistiken, Analysen und Grafiken zu Aktionären, Aktiengesellschaften und Börsen aus verschiedenen Quellen (wie etwa dem Statistischen Bundesamt) gibt einen sehr viel differenzierteren Einblick in all diese Bereiche des Kapitalmarkts, einschließlich der Aktionärsstruktur in vielen Ländern der Welt. Allerdings sind die Daten aus der amtlichen Statistik teilweise nicht ganz so aktuell.

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