Gespräch des Tages

Auslandsbanken - Attraktiver Standort

Wer heute im globalen Wettbewerb mithalten will, muss in seiner jeweiligen Branche nicht nur die mittel- und langfristig wichtigen Entwicklungen möglichst früh erkennen oder sie im Idealfall sogar in seinem Sinne bestimmen. Sondern er muss sein Unternehmen auch unterjährig anhand der jeweiligen Marktgegebenheiten flexibel steuern. Das führt im Bankgewerbe wie in anderen Branchen ständig zu kleineren und größeren Restrukturierungsprogrammen mit entsprechenden Kapazitätsanpassungen in die eine oder andere Richtung. Diese können sich in normalen Jahren in ihrer Gesamtwirkung durchaus ausgleichen, bei schlechter Branchenkonjunktur führen sie aber teils zu massiven Abschmelzungsprozessen. In der Hochphase der Finanzkrise war in vielen Ländern der Anpassungsbedarf der Finanzindustrie so stark, dass viele Geschäftsfelder und auch Standorte in Frage gestellt wurden. Für Auslandsbanken in Deutschland wie auch die deutschen Banken im Ausland stellte sich damit gleichermaßen die Frage nach der Dichte des Niederlassungsnetzes.

Fast vier Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise zeigen die statistischen Auswertungen der Bundesbank höchst unterschiedliche Entwicklungen. Während der Bestand an ausländischen Kreditinstituten und ihrer Zweigstellen in Deutschland in den schwierigen Bankenjahren 2008 bis 2010 in Summe weitgehend konstant blieb, hat umgekehrt die Zahl der Filialen und Tochterinstitute deutscher Kreditinstitute im Ausland deutlich abgenommen. Weist die Statistik am Jahresende 2006 noch 309 Auslandsfilialen deutscher Kreditinstitute aus, hat sich deren Zahl über 292 Ende 2007 und 275 Ende 2008 sowie 259 Ende 2009 auf 253 zum Jahresultimo 2010 verringert. Das bedeutet immerhin einen Rückgang um mehr als 18 Prozent. Noch deutlicher zurückgeführt wurde mit gut 27 Prozent die Zahl der Auslandstöchter deutscher Banken. Diese ist seit Ende 2006 zunächst noch einmal von 413 auf 428 per 31. Dezember 2007 gestiegen, um dann im Jahresturnus deutlich auf 387 Ende 2008 über 338 Ende 2009 auf 301 per Jahresende 2010 zurückzugehen. Die europäischen Länder waren dabei von diesen Rückgängen tendenziell mindestens ebenso stark betroffen wie der Rest der Welt. Ursache für diese Ausdünnung des Auslandsnetzes der deutschen Banken ist nicht zuletzt der Rückzug vieler Landesbanken.

Dass umgekehrt Deutschland von den ausländischen Kreditinstituten unverändert als attraktiver Standort eingestuft wird, zeigen neben der Bundesbankstatistik nicht zuletzt die konstanten Mitgliederzahlen beim Verband der Auslandsbanken in Deutschland (215 per Ende März 2011) sowie die Ergebnisse der turnusmäßigen Umfrage unter den Mitgliedshäusern. Die Konstanz der Mitarbeiterzahlen, ein sichtbarer Anstieg der Bilanzsummen ausländischer Filialen, die Behauptung von weit mehr als der Hälfte der Umsätze an der Frankfurter Wertpapierbörse und an der Eurex sowie nicht zuletzt die unverändert starke Marktposition bei Anleihe- und Aktienemissionen untermauern einmal mehr die unverändert hohe Bedeutung ausländischer Institute am Finanzplatz Deutschland. Insbesondere im Kapitalmarktgeschäft, im Produkt- und Dienstleistungsgeschäft rund um die Börse und im Fondsgeschäft haben sie ihre Stärke. Und auch im Private Wealth Management und im Retail Banking haben sie ihre Aktivitäten verstärkt.

Traditionell zeigen die Auslandsbanken ein gutes Gespür für wettbewerbsverzerrende Regelungen, prangern Missstände an und sind häufig ein guter Gradmesser für regulatorische Fehlentwicklungen. In diesem Sinne ist die Position ihres Verbandes in der vieldiskutierten Frage der Anrechnung stiller Einlagen für die Erstellung des Stresstests der Europäischen Bankenaufsicht (siehe Leitartikel) durchaus bemerkenswert. Besonderheiten der deutschen Kreditwirtschaft, so ihre sinngemäße Argumentation, können nicht einfach ohne Ansage und die Einhaltung festgelegter Übergangsfristen wegdefiniert werden. Letztlich kann man diese Parteinahme sicherlich dahingehend deuten, dass sich im Zuge der Finanzkrise die Grundsatzdiskussion um die drei Säulen des deutschen Kreditgewerbes wohltuend entschärft hat. In der speziellen Frage nach der Anrechenbarkeit der stillen Einlagen beim Stresstest ist aber auch sicher nicht von der Hand zu weisen, dass eine Reihe von Auslandsbanken mit dem Landesbankensektor ganz gute Geschäfte macht.

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