Aufsätze

"Die Banken handeln im Sinne der Gesellschaft, wenn sie auf ein leistungsfähiges Bankensystem drängen"

In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung war kürzlich Beunruhigendes zu lesen: Viele Berater in den Banken und Sparkassen seien inzwischen so verunsichert, ja verängstigt, dass sie am liebsten gar nichts mehr verkaufen würden. Aus Sorge, das von ihnen empfohlene Produkt könne ihnen eines Tages auf die Füße fallen, beließen sie es lieber bei unverbindlichen Gesprächen, anstatt auf einen Abschluss hinzuarbeiten. Diese weder für den Kunden noch für den Berater befriedigende Situation - wie weit auch immer sie die Realität in den Filialen treffend abbildet - zeigt eines ganz anschaulich: Äußere und selbst auferlegte Zwänge können das Bankgeschäft empfindlich treffen. Anders formuliert: Ein Zuwenig an Freiheit ist in den seltensten Fällen empfehlenswert - auch nicht in den vier Wänden einer Bankfiliale.

Schlechtes Bild in Öffentlichkeit und Medien

Würde man den Mann oder die Frau auf der Straße befragen, was ihm oder ihr zum Thema "Die Banken und die Freiheit" einfiele, käme vermutlich wenig Schmeichelhaftes für uns heraus. Die Freiheit zum Zocken, die Freiheit von Regulierung, die Freiheit, Kunden um der Provision willen zweifelhafte Produkte anzubieten - so oder ähnlich dürften die Antworten lauten. Und wenn ich jetzt Otto Normalverbraucher ein Zitat in den Mund gelegt habe, bedeutet dies nicht, dass in den Redaktionsstuben vieler Zeitungen grundlegend anders gedacht würde.

Nun ist Freiheit ein großes Wort. Wer einen Ausflug in die politische Ideengeschichte wagen wollte, könnte beim englischen Philosophen John Locke beginnen und beim jetzigen Bundespräsidenten enden. In der Menschheitsgeschichte hat das Verlangen nach Freiheit häufig eine so existenzielle Wucht gehabt und die großen Denker zu so geistreichen Texten angeregt, dass ich mir die Frage gestellt habe: Sollen und dürfen wir die Banken wirklich in einem Atemzug mit der Freiheit nennen? Oder klingt das nicht ein wenig vermessen? Ein wenig so, als würden wir uns in eine Reihe mit jenen stellen, die den Verlust an Freiheit buchstäblich am eigenen Leibe gespürt haben und dann für die Freiheit auf die Barrikaden gegangen sind.

Seit Adam Smith aber wissen wir, dass auch die Wirtschaft, dass die Unternehmen Freiheit brauchen. Eine unfreie, über die Maßen reglementierte Wirtschaft ist nicht nur inkompatibel mit der freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Sie erstickt auch unternehmerischen Ehrgeiz. Sie hebelt die Signalfunktion der freien Preise aus. Und sie bringt Sand in ein Getriebe, das, wenn es reibungslos funktioniert, Erträge nicht nur für eine kleine Schicht, sondern für die große Masse abwirft. Die Begründer der sozialen Marktwirtschaft haben diesem Modell des freien Wirtschaftens einen ordnungspolitischen Rahmen angelegt und damit dem Freiheitsgedanken ein sinnvolles Regulativ an die Seite gestellt. Unter dem Strich aber steht: Freiheit ist das kons tituierende Prinzip unserer Wirtschaftsordnung. Sie sollte lediglich dort in ihre Schranken verwiesen werden, wo sie mit Schäden für Gesellschaft und Umwelt einhergehen könnte.

Das Prinzip Freiheit verteidigen

Deswegen gilt ausdrücklich: Ja, auch wir Banken dürfen das Wort Freiheit in den Mund nehmen. Auch wir dürfen und müssen das Prinzip Freiheit verteidigen, wenn es in unserer eigenen Sphäre bedroht ist - zumindest dann, wenn mit dieser Bedrohung, wenn mit dieser Einschränkung kein erkennbarer Nutzen für die Gesellschaft einhergeht. Und das wiederum bedeutet: Auch wir dürfen Freiheit für uns selbst reklamieren. Um welche Freiheit geht es dabei?

- Um die Freiheit etwa, das ureigene Geschäft so zu betreiben, dass alle davon profitieren: Kunden, Volkswirtschaft und die Institute selbst, was nur gelingen kann, wenn den Banken noch genügend Luft zum Atmen gelassen wird;

- um die Freiheit, in einem Regulierungsumfeld zu arbeiten, das klare Vorgaben gibt und dadurch einen verlässlichen Rahmen bietet;

- um die Freiheit, unsere Vorschläge in den Regulierungsprozess einzubringen, auch wenn wir uns dadurch immer wieder dem stereotypen und unsinnigen Vorwurf aussetzen, Banken wollten neue Regulierung doch nur verhindern;

- und schließlich um die Freiheit, uns der berechtigten Kritik der letzten Jahre zu stellen, sie anzunehmen - und gleichzeitig den vielen verzerrten Bildern entgegenzutreten, die von den Banken und von der Finanzbranche nach wie vor gezeichnet werden.

Gleichwohl, Freiheit hat viele Dimensionen. Und wenn wir uns über den Finanzsektor unterhalten, dann denke ich nicht zuletzt an die Freiheit des Steuerzahlers: Diesem dürfen wir nicht ein zweites Mal zumuten, mit Milliardenbeträgen in Haftung genommen zu werden, wie es 2008 erforderlich war. "Too Big to Fail" ist eine Kategorie, die in einer freiheitlich organisierten Wirtschaftsordnung auf Dauer keinen Platz haben darf. Denn zur Freiheit gehört ganz wesentlich, auch scheitern zu können. Das Ausscheiden aus dem Markt ist konstitutiv für einen freien Markt und darf nur im sehr begrenzten Ausnahmefall durch staatliche Eingriffe gestört werden.

Fehlendes Verantwortungsbewusstsein

Auch Regulierungslücken, die die Stabilität des Finanzsystems zu untergraben drohen, haben nichts mit Freiheit zu tun, sondern mit dem genauen Gegenteil davon. Die eigene Freiheit endet immer dort, wo die Freiheit des anderen in Mitleidenschaft zu geraten droht. Freiheit hat mit Verantwortung zu tun, und zwar allemal in einer so komplexen und relevanten Branche wie der unsrigen. Dass in der Vergangenheit an der einen oder anderen Stelle mehr Verantwortungsbewusstsein notwendig gewesen wäre, dürfte unbestritten sein. Wenn wir uns über den komplexen Charakter von Freiheit einig sind, dann können wir die einzelnen Felder benennen, auf denen wir Banken uns mehr Freiheit wünschen. Wobei der Wunsch nach mehr Freiheit nicht als neue Freizügigkeit missverstanden werden darf. Laissezfaire ist nicht das, was uns vorschwebt - wohl aber die Möglichkeit, unser Geschäft frei von unnötigen Hindernissen und Erschwernissen zu betreiben. Denn ohne funktionierendes Bankund Kreditgeschäft wäre so mancher Freiheitswunsch in diesem Lande nicht realisierbar. An drei Punkten lässt sich deutlich machen, warum hier und da mehr Freiheit notwendig wäre und welche Freiheit wir uns selbst nicht versagen sollten.

Erster Punkt: Freiheit und Regulierung stehen in keinem Widerspruch zueinander - im Gegenteil. Wenn die Regulierung aber nach dem Prinzip funktioniert "Je mehr, desto besser", wird es problematisch. Dass unter der kumulativen Last zu kostspieliger Regulierungsmaßnahmen viele Institute in die Knie gehen könnten, ist kein Hirngespinst der Branche. "In die Knie gehen" ist nicht gleichbedeutend mit "Am Boden liegend". "In die Knie gehen" hieße aber, jene Handlungsfreiheit zu verlieren, die die Institute benötigen, um ihre Kunden zufriedenzustellen und profitabel zu arbeiten.

Eine bessere und zum Teil auch ein Mehr an Regulierung war nach den Ereignissen 2007 bis 2009 zwingend erforderlich. Seither ist - weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit - eine Menge passiert. In einer Broschüre des Bankenverbandes findet man - aufgelistet auf einer Doppelseite - alle nationalen, europäischen und internationalen Gesetzes- und Regulierungsvorhaben, die nach 2008 umgesetzt worden sind oder sich noch in der Umsetzungsphase befinden. Selbst als Eingeweihter staunt man angesichts der puren Menge, die seither auf den Weg gebracht worden ist.

Höhere Kosten durch Regulierungsarbitrage

Die pure Menge kann aber auch ein Indiz dafür sein, dass an der einen oder anderen Stelle übers Ziel hinausgeschossen wurde. Aus den laufenden Regulierungsinitiativen ergeben sich ja mehrere Belastungsfaktoren für die Banken: ein höherer Kapitalbedarf, ein höherer Refinanzierungsaufwand, höhere Verwaltungskosten und gegebenenfalls Einbußen dadurch, dass man es mit der Regulierung an anderen Orten etwas lockerer handhabt als hierzulande. Anders ausgedrückt: Höhere Kosten durch Regulierungsarbitrage. Für jede einzelne Maßnahme - oder besser gesagt: für einen Großteil der Maßnahmen, nicht für jede - lassen sich gute Gründe finden. An einem gewissen Punkt aber kann sich die Regulierung so sehr aufaddieren, dass zu dem gewünschten Effekt - die Märkte und Institute krisenfester zu machen - noch ein unerbetener Effekt hinzukommt: die Leistungsfähigkeit der Institute über die Maßen einzuschränken. Damit aber wären sie nicht mehr frei, das zu tun, was sie tun müssen.

Es ist ja nicht so, dass von den Banken kaum etwas verlangt würde. Der Veranstalter hat es in seinem Einladungsschreiben treffend auf den Punkt gebracht: von Full-Service rund um die Uhr, und rund um den Erdball, über hohe Einlagenzinsen bis hin zur steten Erfüllung aller Finanzierungsanträge reichen die Wünsche - und das alles bei hoher Profitabilität, damit gleichzeitig das Eigenkapital weiter aufgestockt werden kann. Interessanterweise stellen sich die Banken das ähnlich vor. Der Haken an der Sache: Das Ganze muss auch machbar sein.

Wichtig für die Realwirtschaft

Nun wird jeder Gesprächspartner bestätigen, wie wichtig leistungsfähige Banken für die Gesamtwirtschaft, speziell für die Kreditversorgung der Unternehmen sind. Gleichzeitig aber wird mit einer gewissen Nonchalance darüber hinweggegangen, dass Banken nach wie vor gewinnorientierte Unternehmen sind. Kredite in ausreichender Höhe können sie nur vergeben, wenn durch regulatorische Maßnahmen nicht zu viele Hürden aufgebaut werden. Höhere Kosten durch Regulierung, die nicht über höhere Erträge aufgewogen werden können, sind nur bis zu einem gewissen Maße erträglich, sonst hätten sie negative Konsequenzen für das Kreditvolumen und für die Überlebensfähigkeit von an sich profitablen Instituten. Auf diese grundlegenden Mechanismen hinzuweisen, hat nichts mit dem Aufbau einer Drohkulisse zu tun.

Banken sind für die Realwirtschaft existenziell wichtig. Sie brauchen ein Mindestmaß an Freiheit, um ihrer bedeutungsvollen Rolle gerecht zu werden. Die privaten Institute - so vielfältig sie sind - haben ihre großen Stärken nicht zuletzt bei der Unterstützung der deutschen Exportwirtschaft. Rund 80 Prozent des deutschen Außenhandels werden von den privaten Instituten finanziert. Was ich als Vertreter der privaten Banken in Deutschland im BdB damit sagen will: Die Kreditinstitute in Deutschland sind untrennbar mit den deutschen Unternehmen, mit der Stärke der deutschen Wirtschaft verknüpft. Die bestehenden Unterschiede zwischen Finanzwirtschaft auf der einen, sogenannter Realwirtschaft auf der anderen Seite zu einem Gegensatz aufzublasen, ja fast schon zu einer Gegnerschaft, wird der jahrzehntelangen Partnerschaft in keiner Weise gerecht. Banken und ihre Unternehmenskunden sind an fruchtbaren, in der Regel auch an dauerhaften Beziehungen interessiert. Und im Übrigen ist es ihnen beiden nicht recht, wenn das Bankgeschäft mit zu vielen regulativen Stolpersteinen versehen wird - denn beide würden darunter leiden.

Zweiter Punkt: Regulierung bleibt in jedem Falle eine hochkomplexe Angelegenheit, die obendrein noch dazu neigt, die Freiheit der Banken empfindlich einzuschränken, weil manche Regulierungssachverhalte kaum mehr überblickbar sind. Und gerade deshalb ist die Expertise unserer Branche unverzichtbar. Manches, was auf dem Papier ganz vernünftig klingt, kann in der Realität ganz andere Konsequenzen nach sich ziehen. Wir sollten uns die Freiheit nehmen, darauf auch hinzuweisen.

Falsche Antworten auf richtige Fragen

Bei manchen Regulierungsvorhaben ist man sich nicht einmal sicher, ob die Konsequenzen überhaupt mitgedacht werden. Die beiden prominenten Beispiele "Finanztransaktionssteuer" und "Trennbankenmodell" haben irgendwann eine nicht zu stoppende Eigendynamik entfaltet. Der Eindruck, dass es sich bei ihnen vor allem um Symbolpolitik handelt, lässt sich nicht abschütteln. Begründete Einwände kommen bei Weitem nicht nur aus unserer Branche. Am anderen Ende hat es aber auch das ungeduldige Drängen gegeben, endlich etwas gegen die Banken zu unternehmen. Ergebnis: Regulierungsvorhaben, die falsche Antworten auf richtige Fragen geben.

Beispiel Finanztransaktionssteuer: Noch immer ist unklar, welches Ziel nun eigentlich wirklich mit ihr erreicht werden soll. Die Stabilisierung der Märkte? Eine Bestrafung der Banken? Die Möglichkeit, den öffentlichen Haushalten höhere Einnahmen zuzuführen? Weiß man in der Politik, dass diese Steuer vor allem die Anleger treffen wird? Ist den Entscheidungsträgern bewusst, dass selbst die EU-Kommission davon ausgeht, dass Steuer einen derart negativen Effekt auf das Wirtschaftswachstum haben würde, dass die damit verbundenen Steuerausfälle am Ende Steuereinnahmen in den Schatten stellen würden? Spielt es inzwischen keine Rolle mehr, wie viele Staaten sie noch einführen werden, obgleich die Antwort auf diese Frage doch erhebliche Auswirkungen auf den Finanzplatz Deutschland haben wird?

Stimmungsgetriebene Vorhaben

Ökonomen, die der Finanztransaktionssteuer tatsächlich eine stabilisierende Wirkung auf die Märkte zutrauen, muss man heute mit der Lupe suchen. Und was die Bestrafung der Banken angeht: Abgesehen davon, dass dieses Motiv an sich schon fragwürdig ist - auch hier ist die Steuer das falsche Instrument. Das Ziel, bei zukünftigen Pleiten den Finanzsektor selbst in Anspruch zu nehmen, ist zweifellos berechtigt. Aber hier hat es bereits eine regulatorische Antwort gegeben: die Bankenabgabe. Die Finanztransaktionssteuer hingegen gibt keine Antworten. Sie wird dem Anleger und dem Finanzplatz Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach schaden, sollten maßgebliche Finanzplätze in Europa und darüber hinaus nicht mit einbezogen werden.

Beispiel Trennbankensystem. Auch hier drängt sich die Frage auf: Hat der Gesetzgeber wirklich eine klare Vorstellung davon, wie das Bankgeschäft der Gegenwart beschaffen ist? Was nun wirklich voneinander getrennt werden soll, lässt sich nicht so leicht herausfinden. Beunruhigend aber ist in jedem Falle die doch recht simple Wahrnehmung der Bankenwelt: hier das böse Investmentbanking, dort das gute Einlagen- und Kreditgeschäft. Nun ist an der positiven Einschätzung des Einlagen- und Kreditgeschäfts natürlich nicht das Geringste auszusetzen. Allerdings hat die Finanzkrise ihren Ausgangspunkt genau dort gehabt: Es begann mit Krediten für Immobilien. Daraus wurden zwar Brandbeschleuniger entwickelt, aber das zugrunde liegende Problem waren faule Kredite. Wer in die Geschichte der Finanzkrisen schaut, wird schnell feststellen können, dass weder das eine noch das andere Geschäftsmodell davor gefeit ist, in eine Krise zu geraten. Die zahlreichen Unternehmenskunden, vor allem diejenigen, die im Exportgeschäft tätig sind, benötigen mehr als nur das klassische Kreditgeschäft - sie fragen auch das Investmentbanking und damit einhergehend das Derivategeschäft nach. Über Derivate bieten Banken ihren Unternehmenskunden die Möglichkeit an, Währungs- und Zinsausschläge sowie Preisschwankungen bei Rohstoffen abzufedern. Gleichzeitig nutzen Banken Derivate, um eigene Risiken, etwa im Zins- und Kreditbereich, abzusichern. Die Derivate erfüllen also eine unerlässliche Funktion für das Risikomanagement von Unternehmen und von Banken. Hieran lässt sich leicht erkennen, auf welch tönernen Füßen jeder Versuch steht, eine sinnvolle Definition von Eigenhandel zu finden und diesen Eigenhandel dann als schädlich und verantwortungslos zu denunzieren.

Freiheitsfördernd sind diese Vorhaben der Politik nicht. Aber schlimmer noch: Sie sind stimmungsgetrieben, ohne dass dieser Stimmung ein nüchternes Korrektiv zur Seite gestellt wäre. Wenn es um neue Regulierung geht, dann muss diese aber einer rationalen Überprüfung Stand halten können. Regulierung ist nicht so beschaffen, dass Banken und Sparkassen sie achselzuckend zur Kenntnis nehmen könnten, denn sie hat die ungute Neigung, ein Mehr an Verwaltungskosten und an Bürokratie zu erzeugen.

Reibungsverluste durch zu viel Bürokratie

Wenn es in den letzten Jahren ein Mantra in der Politik gegeben hat, dann war es der Bürokratieabbau, doch der ist nicht alles und darf vor allem kein Vorwand sein, jegliche Regulierung von sich zu weisen. Ein Zuviel an Bürokratie im Bankensektor zieht das Gleiche nach sich wie in anderen Branchen auch: Reibungsverluste im internen Ablauf, höhere Ressourcenbindung in der Verwaltung, noch weniger Zeit für Kundengespräche. Das Deutsche Aktieninstitut hat kürzlich festgestellt, dass etwa jede siebte deutsche Bank oder Sparkasse wegen der bürokratischen Regulierung inzwischen auf die Aktienberatung verzichten würde. Dies ist weder im Sinne der Bank noch des Kunden.

Banken verwirklichen so manchen Freiheitstraum der Kunden. Sie tun dies im Übrigen nicht ausschließlich dadurch, dass sie Kredite gewähren, sondern auch dadurch, dass sie für eine reibungslose Bargeldversorgung und einen hervorragend funktionierenden Zahlungsverkehr sorgen. In Frankreich und Großbritannien muss man hierfür deutlich mehr Zeit und Nerven aufwenden. Wenn wir dieses qualitativ hochwertige Service-Angebot der Banken aufrechterhalten wollen - dazu gehört auch eine solide Anlageberatung -, sind natürlich die Institute selbst gefragt. Aber gleichzeitig muss auch die Politik dazu angehalten werden, die Freiheit der Institute nicht durch unnötige Bürokratie über Gebühr einzuschränken. Die Banken sind ein Teil dieses Wirtschaftsstandortes, und genauso wie andere Unternehmen auch können und müssen sie gegen zu viele Auflagen, gegen staatliche Regulierungswut ihre Stimme erheben - nicht zuletzt im Sinne ihrer Kunden.

Dritter Punkt: Mehr Freiheit auf der europäischen Bühne - warum nicht? Da hat die Freiheitsfrage noch ganz andere Facetten. Natürlich reden wir im Augenblick über ganz andere Dinge. Nicht wenige Banken in der Euro-Zone gehören nach wie vor zu den Sorgenkindern der Branche, von denen wir nicht wissen, wie viele Sorgen sie uns künftig noch tatsächlich bereiten könnten. Den in einigen Ländern verhängnisvollen Zusammenhang zwischen der Verschuldung der Staaten bei den Banken einerseits, der daraus resultierenden Anfälligkeit der Banken andererseits haben wir noch immer nicht aufgelöst. Wer gegenwärtig über die Freiheit an den europäischen Geld- und Kreditmärkten räsoniert, wird sich möglicherweise eine ganz andere Freiheit zurückwünschen: die Freiheit der EZB, endlich wieder in den Normalmodus zurückzukehren, anstatt weiterhin mit Bazookas und Anleiheaufkaufprogrammen operieren zu müssen.

Hoffnung auf die Bankenunion

Mit der Bankenunion soll endlich wieder Stabilität an den europäischen Finanzmärkten zurückkehren und die Europäische Währungsunion um eine wichtige Komponente ergänzt werden. Die Bankenunion ist unabdingbar, um wieder Ordnung in das europäische Bankenwesen zu bringen. Mit dem dreiteiligen Comprehensive Assessment - also der aufsichtlichen Risikobewertung, dem Asset Quality Review und dem gemeinsam von EZB und EBA durchgeführten Stresstest - wird im kommenden Jahr die Voraussetzung dafür geschaffen, schwächelnde Institute zu identifizieren und ihren Kapitalisierungsbedarf festzustellen. Mit der gemeinsamen europäischen Aufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank soll gewährleistet werden, dass eine künftige Schieflage einzelner Institute frühzeitig bekannt wird. Und mit einem gemeinsamen Abwicklungssystem wollen wir die Grundlage dafür schaffen, dass die Rechnung für eine kostspielige Bankenabwicklung in der Zukunft nicht dort landet, wo sie nicht hingehört.

Eine funktionierende Bankenunion könnte aber auch gleichbedeutend mit einem Freiheitsgewinn für die Banken sein. Denn sie schafft endlich wieder die Chance, dass die Banken nicht länger als ein Teil des Problems, sondern als ein Teil der Lösung wahrgenommen werden. Für den in einigen Ländern der Euro-Zone dringend benötigten Aufschwung benötigen wir leistungsfähige Banken, die Kredite in ausreichender Höhe zur Verfügung stellen können. Ich bin optimistisch, dass uns die Bankenunion schneller an den Punkt führen wird, dass auch in Südeuropa die Kreditvergabe wieder so funktioniert, wie sie in Deutschland in all den Jahren funktioniert hat.

Die Bankenunion ist noch in einer weiteren Hinsicht zwingend erforderlich. Zeiten der Krise sind bekanntlich Zeiten der akuten Schadensbegrenzung, in denen sich das Hauptaugenmerk auf das Löschen der großen Brände richtet. Wir wissen aber nur zu gut, dass auch das Löschwasser Schäden verursachen kann. Banken in der Euro-Zone haben sich in den letzten Jahren aus nicht wenigen grenzüberschreitenden Geschäften auf ihre heimischen Märkte zurückgezogen, zum Teil zurückziehen müssen, was in einer Phase anhaltender Unsicherheit zunächst eine plausible Strategie sein kann.

Die Stabilisierung an den Finanzmärkten hat damit aber auf Kosten einer Renationalisierung stattgefunden, die wir alle nicht gutheißen können. Ohne einheitlichen europäischen Finanzmarkt, wird die europäische Wirtschaft nicht wieder in Schwung kommen können - jedenfalls nicht in dem gewünschten Maße. Grenzüberschreitend tätige Banken sind kein Luxus, sie sind unabdingbar für einen gemeinsamen europäischen Binnenmarkt. Es müssen nun die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Banken diese Freiheit auch wieder verstärkt wahrnehmen können.

Ein Geben und ein Nehmen

Zum Ende sei noch einmal daran erinnert, dass Freiheit ein Geben und ein Nehmen ist. Wir alle kennen die öffentliche Wahrnehmung des Finanzsektors: "Banken sind nur ein großes Zahlengebäude ohne Wertschöpfung" hat ein Aphoristiker einmal gängige Vorurteile auf den Punkt gebracht. Und dennoch nehmen wir uns selbstverständlich die Freiheit, unsere Meinung, unsere Expertise in den Regulierungsprozess mit einfließen zu lassen. Das stößt hier und da - nicht bei unseren Ansprechpartnern - auf nur mäßige Zustimmung. Der Lobbyismus steht nun einmal in einem schlechten Licht. Zugleich dürfte uns allen bewusst sein, welcher Balanceakt bisweilen notwendig ist. Banken müssen nicht in Sack und Asche gehen. Aber nach wie vor müssen und wollen wir das zurückgewinnen, was verloren gegangen ist: das Vertrauen der Gesellschaft.

Wir wissen, dass die übergroße Mehrzahl der Beschäftigten im Bankensektor auch vor 2008 eine ehrenwerte Arbeit gemacht hat. Und wir wissen zugleich, dass seither nicht nur an der Regulierungsfront viel geschehen ist, sondern auch die Banken selbst so einiges verändert haben. Und dennoch können wir eines nicht hinwegdiskutieren: Selbstgerechtigkeit und fehlendes Verantwortungsbewusstsein haben vor 2008 mit dazu beigetragen, eine Krise globalen Ausmaßes heraufzubeschwören. Der Gesellschaft schulden wir das Bemühen, aus den Fehlern die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Aber genauso handeln wir im Sinne der Gesellschaft, wenn wir auf ein leistungs- und wettbewerbsfähiges Bankensystem drängen. Nehmen wir uns die Freiheit, das eigene Verhalten kritisch zu überprüfen. Aber auch die Freiheit, das zu sagen und zu fordern, von dem wir glauben, dass es richtig und notwendig ist.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors anlässlich der 59. Kreditpolitischen Tagung "Die Banken und die Freiheit" der ZfgK am 8. November 2013.

Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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