Aufsätze

"Wir brauchen einen besseren Staat und zugleich gesunde Banken und Marktstrukturen"

Haben die Banken es übertrieben mit dem Streben nach Gewinn, und hat der Markt damit an Legitimation eingebüßt? Und: Taugt denn, wenn der Markt es nicht richtet, der Staat zum Banker, und wird er im Übrigen seiner Verantwortung als Regelsetzer und in der Finanzaufsicht gerecht? Das war das Thema dieser Tagung 1994, und es sind genau diese beiden Fragen, mit denen wir in der Tat auch nah am Kern dessen sind, worüber wir heute sprechen. Nur leider sind seit 1994 nicht nur einfach 16 Jahre vergangen. Nein, inzwischen ist eine Finanz- und Wirtschaftskrise über uns gekommen, die wir in dieser Dimension bitte alle miteinander nicht noch einmal erleben wollen und die wir auch unseren Kindern und Enkeln nicht wünschen. Das ist kein Ruhmesblatt für viele, ja viel zu viele Banken - nicht nur, aber eben auch in Deutschland. Und es ist kein Ruhmesblatt, siehe Landesbanken, auch für den Staat, was den Respekt dafür, wie gut das Krisenmanagement der Politik war, als es brannte in der Finanzwelt, in keiner Weise schmälern soll.

Erheblicher Vertrauensschaden

Wahr ist: Aller Entspannung und Erholung zum Trotz, die es seit der Akutphase der Krise gegeben hat, hat das Vertrauen der Menschen in den Markt und seine Leistungsfähigkeit erheblichen Schaden genommen und ist das Vertrauen - oder soll ich sagen: der Glaube, die Hoffnung - in den Staat gewachsen. Dass wir als Kreditwirtschaft im Zentrum der Kritik stehen und uns, immer noch, viel Misstrauen entgegenschlägt, müssen wir nach allem, was war, akzeptieren. Und wir müssen akzeptieren, dass man fragt: Brauchen wir in Zukunft nicht mehr Staat in der Kreditwirtschaft, und dass man sogar die Frage aufwirft, ob das Bankgeschäft überhaupt privatwirtschaftlich organisiert sein soll. Das ist die Lage, ob sie uns gefällt oder nicht.

Fakt ist auch, dass es ohne das beherzte Handeln von Regierungen und Notenbanken in den entscheidenden Phasen der Krise zu einer Kernschmelze im Finanzsystem gekommen wäre. In Zahlen: Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz 480 Milliarden Euro bereitgestellt. Aktuell steht bei der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung ein Garantievolumen von rund 151 Milliarden Euro aus. Gleichzeitig hält sie Kapitalbeteiligungen in Höhe von über 29 Milliarden Euro. Hinzu kommen weitere staatliche Garantien von 35 Milliarden Euro und Kapitalzufuhren von insgesamt knapp 15 Milliarden Euro, die verschiedene Bundesländer ihren Landesbanken gewährt haben. Und über ganz Europa addieren sich die von der EU-Kommission bewilligten Hilfen auf über vier Billionen Euro. Da kann einem noch immer schwindlig werden, auch wenn man sich inzwischen an die Milliarde als kleinste Recheneinheit gewöhnt hat.

Aber wir sind uns wohl einig: Es war richtig und nötig, dass der Staat in der Krise gehandelt hat, dass er zur Stelle war und es bis heute ist. Doch wir wissen auch: Das kann, das darf kein Dauerzustand sein. Auch wenn der ganz überwiegende Teil der staatlichen Hilfen auf Garantien entfällt, die womöglich gar nicht in Anspruch genommen werden müssen, so sind die Belastungen der öffentlichen Haushalte dem Steuerzahler dennoch nur schwer zu vermitteln und vor allem nicht dauerhaft zuzumuten.

Hinweise zur Richtung

Das gilt nicht zuletzt für die Haushalte der Bundesländer, die ihre Landesbanken gestützt haben. Da wird Risikomanagement auch zu einer Aufgabe für die Haushaltspolitiker und Kämmerer. Dass die Kreditwirtschaft von so elementarer Bedeutung für die gesamte Wirtschaft ist, legitimiert das staatliche Krisenmanagement. Es legitimiert aber nicht dazu, Steuergelder auf Dauer in solchem Umfang für die Stabilisierung eines Wirtschaftszweiges zu binden. Doch einig sind wir uns wohl ebenso darin, dass es keinen Weg zurück in die Welt vor der Krise geben darf. Wir müssen aus dieser Krise lernen - und dazu gehört, das Verhältnis von Staat und Banken auf eine neue, nachhaltig tragfähige Grundlage zu stellen. Kurz gesagt heißt das: Wir brauchen weniger Staat als heute, aber einen besseren Staat, etwa bessere Regulierung. Und wir brauchen zugleich gesunde Banken und gesunde Marktstrukturen.

Mit einer solch vagen Zielvorgabe für die Neubestimmung des Verhältnisses von Staat und Banken werde ich zu Recht nicht davonkommen. Was ich geben kann und möchte, sind einige Richtungshinweise dafür, wie wir uns zwischen den beiden Polen Staat und Banken weiterbewegen sollten.

Exit: Gehen wir im Sinne einer Schadensabwicklung und -begrenzung vom Status quo aus, so ist klar, dass es nicht im Interesse der Steuerzahler sein kann, weiterhin zur Rettung einzelner und schwach kapitalisierter Banken herangezogen zu werden. Der Staat muss also zunächst seine unternehmerischen Risiken reduzieren, zumal er - das zeigt die Situation der Landesbanken uns seit Jahren - eben nicht der bessere Unternehmer ist. Deshalb gilt es, den Prozess des Ausstiegs aus den gestützten Banken rechtzeitig in die Wege zu leiten. So umfangreich, wie die Stützungsmaßnahmen nun einmal sind, wird das weder einfach noch schnell gehen können. Vielmehr wird man beim Einstieg in den Ausstieg jeweils sorgfältig im Auge haben müssen, wie die wirtschaftliche Situation der betreffenden Bank und wie die Marktlage ist. Die Bundesregierung hat gut daran getan, einen Expertenrat einzusetzen, der aufzeigen soll, wie der Ausstieg aus den krisenbedingten Beteiligungen des Bundes an Finanzunternehmen gelingen kann. Denn dieses Thema gehört schon deshalb auf die politische Tagesordnung, weil der Staat, wenn er in den Markt eingreift, immer Gefahr läuft, den Wettbewerb zu verzerren. Das kann vorübergehend, wie bei einer Medizin, die nötig ist und deren Nebenwirkungen hinzunehmen sind, geboten sein, aber zu viel Tabletten auf Dauer schaden dann doch mehr, als sie nützen. Auch für die Dosierung der Medizin staatlicher Stützung gilt daher: So stark und so lange wie nötig, so schwach und so kurz wie möglich. Mit ihren Beihilfevorschriften erweist sich die Europäische Kommission innerhalb Europas hier als ein guter Therapeut und hat wichtige und richtige Rezepte ausgestellt.

Staat als Regelsetzer und Schiedsrichter

Doch damit sind wir noch im Bereich der Schadensabwicklung. Vor gut einem Jahr hat Dominique Strauss-Kahn zu Recht darauf hingewiesen, man müsse, wenn das Haus brennt, erst einmal löschen und solle sich erst danach um die Schäden kümmern, die das Löschwasser angerichtet habe. Jetzt aber, nachdem die unmittelbarsten und schwersten Schäden bewertet und zum Teil auch beseitigt worden sind, ist die Zeit gekommen, eine neue Brandschutzordnung zu verabschieden und feuerfestere Häuser zu bauen. Und auf diesem Feld ist der Staat als Regelsetzer und Schiedsrichter gefordert.

Restrukturierungsgesetz: Mit dem Restrukturierungsgesetz, das die Bundesregierung in diesem Sommer auf den Weg gebracht hat, kommen wir dem Ziel, die Folge möglicher künftiger Krisen besser zu beherrschen, einen großen Schritt näher. Dies ist - das wird oft falsch dargestellt - kein Gesetz, um systemrelevante Kreditinstitute zu erhalten oder zu schützen, sondern ein Instrumentenkasten, mit dem wir systemrelevante Banken unter Heranziehung der Eigentümer und teils auch der Gläubiger reorganisieren, restrukturieren und, wenn nötig, auch abwickeln können. Die Teile einer Bank, die wichtig sind, damit das Finanz- und Wirtschaftssystem weiterfunktioniert und keinen Schaden nimmt, können herausgelöst und auf eine Brückenbank übertragen werden. Es geht um Marktschonung, nicht um Eigentümerschonung.

Das heißt: Eine Bank, die am Markt nicht besteht, wird und muss aus dem Markt ausscheiden, auch wenn sie systemrelevant und damit potenziell systemgefährdend ist. Aber der Marktaustritt wird sich in einem geordneten Verfahren vollziehen können, damit das System, der Markt, so wenig Schaden nimmt wie möglich. Damit der Staat möglichst nicht eingreifen muss, Hauruck-Rettungsaktionen in letzter Sekunde der Vergangenheit angehören und der Steuerzahler möglichst gar nicht zur Kasse gebeten werden muss. Davon profitieren alle Kreditinstitute und alle Finanzmarktakteure. Genau deshalb - und das ist wichtig - sollten alle Akteure in den Restrukturierungsfonds einzahlen.

Wer etwas anderes will, muss begründen, warum denn etwa vom Bankhaus Max Flessa in Schweinfurt, einer kleinen regionalen Privatbank, ein Risiko für die Finanzmarktstabilität ausgehen sollte, von der Sparkasse Schweinfurt oder der VR-Bank Schweinfurt aber nicht. Das erinnert an das alte Spiel der Verbundgruppen, mal als Ameisenschwarm und mal als Tausendfüßler daherzukommen, mal als lose Gruppe von Einzelunternehmen und dann wieder als Konzern. Es gab auch eine Zeit, in der die S-Finanzgruppe sich noch als "größte Bankengruppe der Welt" feierte. Auch wenn es um diesen vermeintlichen Global Player in letzter Zeit aus nachvollziehbaren Gründen doch etwas still geworden ist.

Wir privaten Banken haben das Restrukturierungsgesetz von Beginn an konstruktiv begleitet. Umso mehr halten wir es nun allerdings für absolut nicht akzeptabel, dass die Bankenabgabe - wie es aussieht - im nationalen Alleingang kommen soll. Selten ist die Seifenblase der Illusion einer international abgestimmten Regulierung so schnell geplatzt wie hier. Deutschland plant eine Abgabe zur Finanzierung von künftigen Restrukturierungen. Das Restrukturierungsregime in der Schweiz kommt ohne Abgabe aus, und im Vereinigten Königreich soll die dort erwogene Abgabe wohl in den allgemeinen Staatshaushalt fließen.

Fairer, unverzerrter Wettbewerb in Europa sieht anders aus, von international gleichen Spielregeln ganz zu schweigen. Hier gilt es, politisch noch zu retten, was an grenzüberschreitendem Schulterschluss zu retten ist. Wer hier einen deutschen Sonderweg geht, führt die deutschen Banken und mit ihm den Finanzplatz Deutschland ins Abseits. Nicht nachvollziehbar ist auch, dass Krisenmanagement und Abgabepflicht auf Kreditinstitute beschränkt werden. Schließlich muss der Gesetzgeber auch dafür Sorge tragen, dass international tätige Kreditinstitute nicht mehrfach belastet werden.

Basel III: Damit zu dem Thema, das Banken auf der ganzen Welt zurzeit umtreibt wie wahrscheinlich kein zweites: Basel III. Wir wissen: Banken brauchen mehr Eigenkapital. Sie brauchen es dort, wo die regulatorischen Anforderungen bisher zu niedrig waren. Was der Baseler Ausschuss am 12. September beschlossen hat, wird die Finanzmärkte stabiler machen und ist deshalb im Grundsatz nur zu begrüßen. Ich sage "im Grundsatz", weil wir nicht jede Maßnahme im Einzelnen, wohl aber das Gesamtpaket für zielführend halten. Die neuen Kapitalquoten sind, auch im Zusammenhang mit dem deutlich strengeren Kapitalbegriff und anderen Bewertungen, durchaus anspruchsvoll. Basel III fordert die Banken, aber es wird sie per se - das kann ich für die privaten Banken in Deutschland sagen - insgesamt nicht überfordern.

Internationalen Überbietungswettbewerb vermeiden

In Seoul haben es die Regierungen der G20 in der Hand, ob Basel III wirklich ein Erfolg wird oder nicht. Ob es nämlich gelingt, Basel III überall, zu denselben Bedingungen und zur gleichen Zeit in Gang zu setzen, auch in den USA, wo bis heute noch nicht einmal Basel II in Kraft ist. Gelingt das nicht, dann können die neuen Regeln ihre Wirkung nicht voll entfalten und wäre zumindest der Wettbewerb erheblich verzerrt. Was es auch zu vermeiden gilt, ist ein internationaler Überbietungswettbewerb um unnötig hohe Eigenkapitalquoten.

Aufsichtsstruktur: Was wären die richtigen Regeln ohne jene, die dafür sorgen, dass diese Regeln auch eingehalten werden? Klar ist mit Blick auf die Finanzaufsicht und ihrer Struktur: Was wir in dieser Hinsicht vor der Krise hatten, war der Globalisierung der Finanzmärkte nicht gewachsen. Künftig wird es drei europäische Aufsichtsbehörden - eine für Banken, eine für Versicherungen und eine für den Wertpapierhandel - geben. Ein Schritt, der ebenso richtig wie überfällig ist. Die privaten Banken treten seit einem Jahrzehnt für eine europäische Finanzaufsicht ein. Viel Unterstützung haben sie dafür lange Zeit nicht bekommen - das hat sich geändert.

Dass eine Stärkung der europäischen Ebene die nationalen Freiheitsgrade einengt, ist nur konsequent - und überhaupt kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Signal für die Stärke des Finanzplatzes Europa. In den USA hat man es mit der Finanzreform, die ohnehin überschätzt wird, nämlich nicht geschafft, die kleinteilige Struktur der amerikanischen Aufsichtsbehörden zu überwinden. Man hat es eher noch verschlimmert. Europa ist hier auf besserem Weg zu einer einheitlichen Aufsichtskultur - auch deshalb, weil die europäische Aufsicht schon im ersten Schritt mit angemessenen Kompetenzen ausgestattet wurde und kein zahnloser Tiger sein wird.

Unabhängigkeit wahren

Aufsichtsqualität: Gute Spielregeln sind das eine, Schiedsrichter, die durchgreifen dürfen, das andere. Die Schiedsrichter müssen das Spiel aber auch fachlich beherrschen. Das klingt selbstverständlich, ist es aber, war es zumindest vor der Finanzkrise nicht. Viel zu sehr richtete die Aufsicht den Blick auf die einzelne Bank, auf die Mikroebene, während das Unheil auf der Makroebene seinen Lauf nahm, indem spekulative Blasen sich draußen auftürmten wie Ungeheuer, die man deshalb nicht sah, weil man drinnen, im Labor, die Augen immerzu fest auf das Mikroskop gepresst hielt. Not tut ein makroprudentieller Aufsichtsansatz, der das Gesamtbild, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, im Blick hat und Alarm schlägt, bevor es zu spät ist.

Dies soll künftig das European Systemic Risk Board leisten. Noch ist offen, wie ein solches Frühwarnsystem konkret aussehen und wie es mit der Aufsicht auf Institutsebene verzahnt werden soll. Wichtig ist aber vor allem eines: Dieses Gremium muss unabhängig sein. Denn Blasen an den Märkten bilden sich fast immer dann, wenn die Konjunktur boomt. Aber Sie wissen ja, wie das ist: Wer auf der Party ruft, es ist zu laut, gilt als Spielverderber, wird ausgebuht und nicht mehr eingeladen. Durchgreifen kann aber nur, wer die Hausordnung in der Hand hat und selber gar nicht mitfeiern will. Und das heißt für das Systemic Risk Board: Es muss unabhängig sein und seine Autorität aus einem festen Regelwerk und klaren Zielvorgaben ableiten, um Krisen wirksam vermeiden zu helfen.

Politik und Staat handeln, um die Finanzmärkte besser zu regulieren und stabiler zu machen. Zu behaupten, dass nichts passiert, ist schlicht und einfach falsch. Deutlich wird aber auch: Wenn wir heute vom Staat und den Banken sprechen, dann reden wir über hoch komplexe, internationalisierte Finanzmärkte und Regeln, die global, zumindest europäisch ineinandergreifen oder besser noch, harmonisiert sein müssen - und die, wenn sie das nicht sind, in Konkurrenz zueinander treten oder einander gar konterkarieren. Das heißt: Auf den entscheidenden Feldern, gerade zur Abwehr künftiger Krisen, ist Regulierung im nationalen Alleingang im besten Fall wirkungslos und im schlimmsten Fall gefährlich, meist zumindest schädlich. Wir brauchen international abgestimmte Regeln. Das ist politisch nicht einfach, aber wenn es nicht gelingt, wird der Preis hoch sein. Hoch, wie es heute aussieht, vor allem für Deutschland.

Ein hoher Preis droht auch, wenn bei der Vielfalt, der Vielzahl und der Schärfe dessen, was zurzeit an neuen Regeln diskutiert wird, die Gesamtbelastung der Institute aus dem Blick gerät. Mehr Eigenkapital, höhere Kosten der Refinanzierung, Bankenabgabe, neue Steuern auf das Bankgeschäft, die EU-Harmonisierung der Einlagensicherung: Das alles zusammen würde den Banken die Luft abschnüren - zu Lasten der Kunden, vor allem der Wirtschaft, die auch morgen finanziert sein will.

Modernisierung des deutschen Bankenmarktes: Politik und Banken arbeiten gemeinsam daran, die Sicherheit der Straßen, auf denen wir Banken unterwegs sind, zu verbessern. Hier werden neue Leitplanken eingezogen, dort Geschwindigkeitsbeschränkungen und Radarkontrollen eingeführt. Gute Regulierung oder - um im Bild zu bleiben - ein gut ausgebautes Straßennetz ist aber nur die eine Seite. Wie gut der Verkehr rollt, hängt entscheidend auch von der Qualität der Fahrzeuge ab, die dort fahren. Staus durch Autopannen sollten minimiert werden. Und um jetzt das Bild zu verlassen: Wir brauchen Institute mit tragfähigen Geschäftsmodellen, die es schaffen, ihr Eigenkapital angemessen und risikogerecht zu verzinsen und auf diese Weise langfristig am Markt bestehen können. Die deutsche Kreditwirtschaft insgesamt muss stärker werden. Eine deutsche Industrie in der Champions League braucht auch Banken in der Champions League, und zwar mehr als heute.

Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle

Es geht nicht allein um die Interessen der privaten Banken. Es geht auch nicht allein um das Interesse der Sparkassen und Landesbanken, der Genossenschaftsbanken oder einzelner Bundesländer. Nein, es geht um unser gemeinsames - ja, ich könnte auch sagen, um das nationale - Interesse. Das Interesse von Bürgern und Steuerzahlern, das Interesse unserer Kunden, das Interesse der Wirtschaft. Wie aber werden wir dem gerecht? Die Antwort ist eigentlich einfach: Wir brauchen einen international wettbewerbsfähigen, starken und stabilen Bankensektor. Wir brauchen Banken, die ihren Privatkunden moderne Finanzprodukte und Dienstleistungen zu marktgerechten Konditionen bieten und die die deutsche Wirtschaft vor allem kompetent ins Ausland begleiten können - dorthin, wo sie einen großen Teil des Wohlstands erwirtschaftet, den wir zu Hause in Anspruch nehmen.

Es kommt auf die Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells an. Sie hat zunächst einmal nichts mit der Größe eines Unternehmens oder seiner Eigentümerstruktur und Rechtsform zu tun. Ein Geschäftsmodell, das sich auf eine Region, ein Produkt oder eine Dienstleistung konzentriert, kann genauso nachhaltig sein wie ein Geschäftsmodell, das den weltweiten Marktauftritt mit breiter Produkt- und Dienstleistungspalette sucht. Ob und wie gut ein Geschäftsmodell funktioniert, entscheidet der Markt - eine Blaupause dafür gibt es nicht. Deshalb wird - und das ist gut so - der Bankenmarkt auch morgen eine Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsmodelle hervorbringen - und eine Vielzahl sich wandelnder Geschäftsmodelle. Was heute erfolgreich ist, kann morgen stagnieren und übermorgen scheitern. Was die Kunden wollen, was die Technologie hergibt, was der Wettbewerb erzwingt und, nicht zuletzt, was regulatorisch nötig ist, das alles ändert sich und verlangt immer neue Antworten.

Damit stellt sich auch die Frage: Wie nachhaltig sind die Strukturen des Bankenmarktes? Für wie viele Banken bietet er Raum und nachhaltige Ertragschancen? "Deutschland ist immer noch ein Markt mit absolut zu vielen Banken" - das sind jetzt die Worte von Bundesbankpräsident Axel Weber, aber es ist auch meine Meinung. Die Geschäftsbasis, so Axel Weber, sei für alle Banken insgesamt zu klein und der Wettbewerbsdruck führe dazu, dass höhere Margen, die mit Blick auf die neuen Eigenkapitalanforderungen geboten wären, sich am Markt nicht durchsetzen ließen.

Konsolidierung erwünscht

Die Gretchenfrage ist und bleibt: "Wie hältst du's mit der Konsolidierung?" Denn wenn der deutsche Bankenmarkt so gut werden soll wie unsere Kunden, zumal die Wirtschaft, es von uns erwarten - und zu Recht erwarten -, dann werden wir nicht um größere Einheiten herumkommen. Bei den privaten Großbanken ist hier eine Menge passiert, einiges steht noch an - und jeder weiß: Das war und ist nicht immer einfach. Aber weiteren nennenswerten Spielraum sehe ich hier derzeit nicht.

Ganz anders - natürlich - bei den Landesbanken: Ich weiß nicht, ob in dieser Republik inzwischen auch wirklich der Letzte begriffen hat, was die Stunde bei diesem Thema geschlagen hat. Bis wir - am Ende wieder einmal durch Nachhilfe aus Brüssel - an diesen Punkt gekommen sind, hat es unfassbar lange gedauert. Umgekehrt ist es eindeutig Aufgabe der Eigentümer, die richtigen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen. Allen Eigentümern wünsche ich hierzu die nötige Entschlossenheit. Dazu noch drei Anmerkungen: Erstens ist es offensichtlich, dass einige Landesbanken ohne funktionierendes Geschäftsmodell unterwegs waren und immer noch sind. Die Übergangsfrist für den Wegfall der staatlichen Garantien, von der EU Kommission großzügig eingeräumt, haben die Eigentümer nicht genutzt, um die Landesbanken neu auszurichten. Stattdessen suchte man den Erfolg in Geschäften, die man nicht beherrschte - mit den bekannten, fatalen Folgen. Zweitens: Fusionen allein werden die Probleme nicht lösen. Weder ist Größe per se ein tragfähiges Geschäftsmodell noch wird aus zwei Lahmen, die sich unterhaken, ein Sprinter. Konsolidierung wird hier auch Kapazitätsabbau heißen müssen.

Keine politische Instrumentalisierung Drittens: Es ist vor allem problematisch, dass die Sparkassen - von wenigen Ausnahmen abgesehen, die die Sparkassenorganisation gleich als "Sündenfälle" einstuft - den Landesbanken den Weg ins Privatkundengeschäft versperren. Auch über einigen der jetzt diskutierten Fusionsmodelle schwebt das Damoklesschwert, man werde die Zusammenarbeit zwischen Landesbanken und Sparkassen im Fall einer Teilprivatisierung möglicherweise einstellen. Warum eigentlich? Eine gesamtwirtschaftlich überzeugende Begründung für eine solche Abgrenzung kann ich nicht erkennen.

Bislang hat die EU-Kommission beihilferechtliche Entscheidungen zu den Kapitalzufuhren bei der WestLB und der LBBW getroffen. Neben umfangreichen Auflagen hat sie ihre Genehmigung dabei im Fall der WestLB mit der Auflage des Eigentümerwechsels und bei der LBBW mit konkreten Anforderungen an die Governance-Struktur verbunden. So muss die LBBW in die Rechtsform der Aktiengesellschaft wechseln, wobei sicherzustellen ist, dass für Aufsichtsratsmitglieder entsprechend den Vorgaben der EU-Bankenrichtlinie ab sofort eine Art Eignungstest eingeführt wird.

Diese Auflagen berühren das Thema "Der Staat und die Banken" sehr konkret. Es geht im Kern darum, den politischen Einfluss auf die operative Geschäftsführung zu begrenzen: Die Banken sollen nicht länger zur Umsetzung politischer Ziele eingesetzt werden. Das heißt nicht, dass der Staat keine wirtschaftspolitischen Ziele verfolgen darf, etwa Innovationsförderung oder Strukturpolitik in bestimmten Regionen. Dazu gibt es in Deutschland aber Förderbanken wie die KfW und die Landesförderinstitute.

Diese Banken können, um ihre besonderen Aufgaben zu erfüllen, auch auf staatliche Garantien und andere Privilegien zurückgreifen, und dies im Einklang mit dem europäischen Wettbewerbsrecht. Aber natürlich dürfen Förderbanken nur dort aktiv werden, wo der Markt allein nicht zu guten Ergebnissen führt. Deshalb sind - dies nur nebenbei - Förderprogramme auch kontinuierlich auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Und insofern ist es schon bemerkenswert, dass im hoch entwickelten Bankenmarkt Deutschland mit der KfW eine Förderbank das viertgrößte Kreditinstitut ist.

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Keine politische Instrumentalisierung bedeutet auch, dass die öffentlichen Banken an ihre Eigentümer marktübliche Renditen ausschütten müssen. Warum sind die Kommunen nicht in der Lage, ihre Sparkassen so im Wettbewerb aufzustellen, dass sie auf das eingesetzte Kapital einen ordentlichen Ertrag erwirtschaften? Jedem verzweifelten Kämmerer, in dessen kommunalem Haushalt es an allen Ecken und Enden kneift, sodass Schwimmbäder und Bibliotheken geschlossen werden, müsste dies richtig umtreiben.

Ohne Zweifel sind wir heute in einer Phase, in der sich viel darüber entscheidet, wie gut und zuverlässig die Kreditwirtschaft morgen und übermorgen arbeiten kann, auch und gerade in Deutschland. Dabei sage ich selbstbewusst: Deutschland braucht starke private Banken. Weil nur sie die deutschen Unternehmen in ihrer Breite und Vielfalt an die Kapitalmärkte oder ins Ausland begleiten können und gut zwei Drittel des deutschen Außenhandels schon heute über private Banken finanziert werden. Weil private Banken für jeden dritten Arbeitsplatz in der deutschen Kreditwirtschaft und jeden dritten Euro an Unternehmenskrediten sowie große Teile der privaten Vermögensverwaltung und Euro bei der Emission von Anleihen deutscher Unternehmen stellen.

Damit das so bleibt, damit Deutschland die Banken bekommt, die es verdient, müssen auch Staat und Politik ihrer Verantwortung nachkommen. Der Staat und die Banken, beide haben eine Bringschuld. Zum Schluss sei ein großer Bankier zitiert: "Die Banken", so hat Jürgen Ponto einmal gesagt, "haben eine dienende Rolle, aber keine Nebenrolle". Das stimmt, ohne jede Einschränkung. Aber gilt es nicht genauso uneingeschränkt für den Staat?

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors bei der 56. Kreditpolitischen Tagung der ZfgK am 5. November 2010. Die Zwischenüberschriften sind von der Redaktion eingefügt.

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