Aufsätze

Crowdfunding in Deutschland - Interessen der Anleger schützen!

Im Jahreswirtschaftsbericht 2014 prognostiziert Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel einen Beschäftigungsrekord mit über 42 Millionen Erwerbstätigen. Dies entspricht einem Plus von 240 000 Beschäftigten gegenüber dem Vorjahr. Viele Unternehmen bereiten sich auf den erwarteten Konjunkturaufschwung vor. Zahlreiche Umfrageergebnisse unter kleinen und mittelständischen Unternehmen zu Geschäftslage und Geschäftserwartungen deuten auf Investitionsabsichten hin. Dafür benötigen die Unternehmen Kapital! Vor dem Hintergrund schärferer Eigenkapitalrichtlinien und restriktiverer Kreditvergaben der Banken gewinnen alternative Finanzierungsformen an Bedeutung. Als relativ neuer Weg, um an eigen- und fremdkapitalnahe Mittel zu kommen, rückt das Thema Crowdfunding ins Blickfeld. Um Schwarmfinanzierung nachhaltig als potenzielle Kapitalquelle für Startups und innovative KMUs zu etablieren, muss aus Sicht des CFA Institute ein einheitlicher rechtlicher Rahmen in Europa her, der die Interessen der Investoren, insbesondere der Privatanleger, schützt.

Potenziale versus Risiken

Crowdfunding erfolgt auf vier unterschiedliche Arten:

- Der Unterstützer enthält Anteile am Unternehmen (Equity),

- Die Geldgeber geben dem Unternehmen einen Kredit (Lending),

- Der Geldgeber erhält eine Gegenleistung (Reward),

- Spende (Donation).

Als "Investment-Geared Crowdfunding" werden diejenigen renditeorientierten Formen (Variante 1 und 2) auf Online-Plattformen bezeichnet, mit denen Startups und KMUs insbesondere in frühen Unternehmensphasen ihre Finanzierungslücken schließen können. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Crowdfunding-Plattformen in Europa im abgelaufenen Jahr bis zu einer Milliarde Euro eingesammelt haben. Weltweit geht die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) von einem Finanzierungsvolumen kreditbasierter Crowdfunding-Projekte in Höhe von 6,2 Milliarden US-Dollar in 2013 aus (was einem Wachstum von 145 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht).

Der reifste Markt für Crowdfunding ist bislang Großbritannien. Hier sammelten Unternehmer und Gründer über internetgestützte Plattformen in 2013 rund 490 Millionen Pfund ein. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass die Crowdfunding-Szene in Europa künftig eine ähnliche Größe wie der Markt für Business Angels und Venture Capital (zirka sieben bis acht Milliarden Euro) erreicht.

Aus Sicht des CFA Institute, eines globalen Berufsverbandes für Investment Manager, Finanzanalysten und professionelle Anleger mit über 120 000 Mitgliedern weltweit, stehen diesen Potenzialen erhebliche Risiken und Rechtsunsicherheiten, insbesondere im Zusammenhang mit "Equity"- und "Lending"-basierten Crowdfunding-Projekten, gegenüber. Fakt ist: Schaffen es die nationalen Aufsichtsbehörden nicht, eine Harmonisierung der Regelwerke auf EU-Ebene zu etablieren, könnte dies das Vertrauen bei potenziellen Investoren erheblich verspielen. Dies wiederum würde sich auf die Finanzierungsmöglichkeiten und den Zugang zu Kapital für Startups und KMU auswirken.

Ausfall-, Projekt- und individuelle Risiken

Risiken, die adressiert werden müssen, betreffen zu allererst Ausfallrisiken. Diese dürften bei Equitybasierten Finanzierungen höher sein als bei Lending-Varianten, jedoch sind die Schätzungen der UK Financial Conduct Authority und der IOSCO, die von einem Verlust jeglicher Ansprüche in mehr als 50 Prozent aller Fälle ausgehen, aus Sicht des CFA Institute für deutlich zu hoch gegriffen. Zu den spezifischen Projektrisiken zählen auch Betrugsrisiken, die sich durch geringere Mindeststandards und den Grad an Transparenz ergeben.

Schließlich sind den jeweiligen Finanzierungsvarianten individuelle Risiken inhärent. Bei Equitybasierten Finanzierungen ist fehlende Liquidität ein entscheidender Aspekt inklusive der Abwesenheit eines potenziellen Sekundärmarktes. Bei Lending-Varianten kann es aufgrund gesetzlicher Uneinheitlichkeiten - gerade bei grenzüberschreitenden Finanzierungen - am Ende der Laufzeit zur verspäteten Rückzahlungen des Darlehensbetrags und der erwirtschafteten Zinsen an die Gläubiger kommen.

Analyse regulatorischer Rahmenbedingungen

Im Vorlauf zum Bericht der EU-Kommission, der am 28. März dieses Jahres veröffentlicht wurde, hat das CFA Institute daher das Positionspapier "Investment-Geared Crowdfunding - Sourcing Equity and Debt Funding from the Crowd: Developing a Regulatory Framework" zum Thema Crowdfunding in die Diskussion eingebracht. Der Report basiert auf einer Analyse der nationalen Vorschriften und regulatorischen Standards für Crowd-Finanzierungen in sieben Märkten (inklusive Deutschland).

Das CFA Institute spricht sich in dem Report für eine Harmonisierung der Regelwerke in Europa aus. Warum ist dies wichtig? In Deutschland sind beispielsweise für Projekte, die 100 000 Euro oder mehr einsammeln wollen, Prospektpflichten beziehungsweise die Erstellung eines Produktinformationsblatts (wesentliche Anlegerinformationen/Key-Investor-Information-Document) vorgeschrieben.

In anderen Märkten liegt diese Schwelle deutlich oberhalb von 100 000 Euro. Umgekehrt sind die Beteiligungshöhen pro Investor in anderen Ländern aus Anlegerschutzgründen begrenzter als hierzulande. Auch existieren erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Kriterien, die Anleger erfüllen müssen, um sich zu "qualifizieren". In Großbritannien ist der Markt beispielsweise weit weniger gegenüber Privatanlegern geöffnet als in Deutschland.

Die Rechtsunsicherheiten bestehen für Anleger daher vor allem in divergierenden nationalen Vorschriften, die gerade bei grenzüberschreitenden Projekten konfligieren und Grauzonen bedeuten können. Rein nationale Gesetze werden daher zur Regulierung künftig nicht mehr ausreichen. Die EU-Kommission hat in diesem Zuge die Idee eines "EU-Qualitätssiegels" eingebracht und die Einrichtung eines European Crowdfunding Stakeholder Forum (ECSF) angekündigt.

Vereinheitlichung der aufsichts- und steuerrechtlichen Bedingungen

Das CFA Institute unterstützt und begrüßt Maßnahmen, die auf eine länderübergreifende Vereinheitlichung der aufsichts- und steuerrechtlichen Bedingungen sowie der Prospektpflichten in den EU-Staaten hinarbeiten. Damit das Konzept "Crowdfunding" nachhaltig funktionieren kann, ist eine genaue Ausdifferenzierung der Investorenschutzthematik nun von vorrangiger Bedeutung.

Die Ergebnisse des im Vorlauf zum Bericht der EU-Kommission veröffentlichten Reports "Investment-Geared Crowdfunding - Sourcing Equity and Debt Funding from the Crowd: Developing a Regulatory Framework" legen nahe, dass dafür vor allem sechs Punkte adressiert werden müssen:

Integrität - Regulatorischer Rahmen und operative Richtlinien der Plattformen (zum Beispiel Verwaltung von Kundengeldern, Buchführung, Beschwerdesysteme),

Prospektpflichten - zum Beispiel Offenlegung von Liquiditätsrisiken durch die Emittenten sowie Kostenstrukturen durch die Plattformen,

Standards - zum Beispiel Limits hinsichtlich der Investmenthöhe pro Privatanleger,

Due Diligence - zum Beispiel Offenlegung der Kontrollverfahren durch die Plattformen und möglicher Interessenkonflikte,

Zugang zu Investment-Geared Crowdfunding - unter anderem Eingrenzung, für welche Unternehmen (primär Kleinstunternehmen und Firmen in ihrer Frühphase) diese Finanzierungsform relevant sein soll,

Corporate Governance - zum Beispiel Offenlegung aller Gesellschaftervereinbarungen.

Der vollständige Report inklusive einer tabellarischen Vergleichsübersicht der Ist-Situation in den Märkten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, USA und Neuseeland findet sich unter www.cfainstitute.org.

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