Gespräch des Tages

ESM - Kein Freifahrtschein (für kapitalschwache Banken)

Im Juni 2012 beschlossen Europäischer Rat und Eurogruppe den direkten Zugriff einer Bank auf ESM-Mittel für den Fall, dass es einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus für europäische Banken gebe. Ziel war es, eine Krise im Bankensektor eines Euromitgliedslandes stärker von einer Haushaltskrise zu entkoppeln und damit erforderliche Bankenrekapitalisierungen nicht sofort auf die Refinanzierungssituation eines Landes durchschlagen zu lassen. Damit war der Einstieg in die Bankenunion gelegt.

Bis zum 4. November dieses Jahres, wenn die EZB die Bankenaufsicht übernimmt, soll das Instrument der direkten Bankenrekapitalisierung in den ESM-Instrumentenkasten aufgenommen sein. Dazu bedarf es einer Anpassung von Art. 19 des ESM-Vertrages, der bisher ausschließlich Kredite und Garantien an ESM-Mitgliedstaaten vorsieht. Diese Ergänzung des Instrumentariums erfolgt durch eine Beschlussfassung im ESM-Gouverneursrat, dem der deutsche Finanzminister aber erst zustimmen darf, wenn er sich vorher eine Ermächtigung durch den Deutschen Bundestag eingeholt hat. Die entsprechenden Gesetzesvorschläge gehen jetzt nach der Beschlussfassung des Kabinetts an das Parlament.

Dass das Junktim zwischen direkter Bankenrekapitalisierung und europäischer Bankenaufsicht tatsächlich so schnell akzeptiert wurde, hat die deutsche Seite überrascht. Parallel zu den Verhandlungen zur Bankenunion betonte Wolfgang Schäuble deshalb immer wieder, er könne sich einen direkten Zugriff einer Bank auf ESM-Mittel nur schlecht vorstellen. Bis zuletzt arbeitete deshalb das Finanzministerium daran, den Finanztopf des ESM, dessen Ausstattung bei derzeit rund 702 Milliarden Euro liegt und für den Deutschland mit maximal rund 190 Milliarden Euro haftet, möglichst hoch zu hängen.

"Die politische Übereinkunft", die der Vorsitzende der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem Mitte Juni dieses Jahres verkündete, sieht dies nun auf zweierlei Weise vor: Zum einen wird das Instrument nur eingesetzt, wenn es einer Bank nicht gelingt, sich von privaten Kapitalgebern die notwendigen Mittel für eine Rekapitalisierung zu besorgen und der betreffende Staat nicht in der Lage ist, diese Bank zu rekapitalisieren, "einschließlich durch das Instrument der indirekten Rekapitalisierung durch den ESM". Der Nachsatz hat zur Folge, dass die direkte Rekapitalisierung zur indirekten nachrangig ist. Und zum anderen erfolgt sie nur nach einem vorherigen Bail-in.

Ab dem 1. Januar 2016 gilt hierfür die Haftungskaskade gemäß der Richtlinie zur Abwicklung und Sanierung von Finanzinstituten (BRRD), doch bereits für das kommende Jahr ist ein Bail-in von acht Prozent aller Verbindlichkeiten sowie ein Rückgriff auf die nationalen Bankenabwicklungsfonds vorgeschrieben. Damit sind die Auflagen höher als für die derzeit geltenden Beihilferegeln. Außerdem muss sich das jeweilige Land auch an der Kapitalmaßnahme beteiligen. Und wenn ESM-Gelder fließen, dann sind sie für dieses Instrument insgesamt auf 60 Milliarden Euro begrenzt und mit Finanzsektor-spezifischen und makroökonomischen Auflagen verbunden. Die Rekapitalisierung soll in erster Linie über den Erwerb von Stammaktien erfolgen, mit denen der ESM als Anteilseigner im Institut vertreten ist und auch Mitsprache in allen Bereichen hat.

Im Europäischen Parlament hat man Letzteres bereits anerkennend aufgenommen. "Halb verschenktes Geld à la Steinbrück gibt es nicht", sagt Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher von Die Grünen/EFA mit Hinweis auf den Einstieg des deutschen Staates bei der Commerzbank, bei dem seinerzeit keine Stimmrechte geltend gemacht wurden.

Das Fazit: "Bankengeld" aus dem ESM kommt bei der "Instrumentenkaskade" ganz zum Schluss und ist nach den vorgesehenen Richtlinien alles andere als eine Einladung zur Selbstbedienung instabiler Banken und Staaten und oder ein Freifahrtschein. Die Kehrseite: Ob mit dem zurechtgestutzten Instrument Banken- und Haushaltskrisen auch wirklich voneinander getrennt werden können, ist mehr als fraglich und wird erst die nächste Krise zeigen.

Bettina Wieß

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