Gespräch des Tages

Euro - Krisenzyklen als Ideengeber

Wer sich ein Bild davon machen will, mit welchen Instrumenten die europäische Politik die Probleme der Staatsschuldenkrise zu lösen und den Euro zu halten gedenkt, muss eigentlich nur warten, bis sich die Lage an den Kapitalmärkten wieder einmal in einer neuen Welle verschärft. Besonders dann entwickelt die EU-Kommission den Erfahrungen der vergangenen Jahre nach die besten Ideen. Zuletzt brachte Mitte Juni das als Schicksalswahl apostrophierte Votum in Griechenland einer erstaunten deutschen Bevölkerung und auch vielen Interessenvertretern aus Politik und Wirtschaft die vermeintliche Lösung näher. Im ohnehin von höchster Unsicherheit und Anspannung geprägten Vorfeld der Abstimmung wurde ausgerechnet von der eigentlich doch als einer Art europäischer Regierung gedachten EU-Kommission munter über die Segnungen einer Bankenunion philosophiert. Und auch die EZB mischt in der noch anhaltenden Debatte kräftig mit. Sehr offen wird dabei verdeutlicht, dass dieses Instrument seine Wirkung nur dann richtig entfalten kann, wenn es eng mit einer europäischen Bankenaufsicht, einer europaweiten Einlagensicherung und einem europäischen Bankenstabilisierungsfonds verbunden wird.

Erstaunlicherweise wurde der Vorschlag just dann besonders offensiv ins Spiel gebracht als die Märkte wieder einmal mit Druck auf die Konditionen der spanischen Staatsfinanzierung nach einer konkreten Lösung für die Krise der spanischen Banken verlangten. Die Öffentlichkeit durfte die Bankenunion quasi als konkreten Gegenentwurf zu sonstigen angedachten Lösungen verstehen. Als die Lage dann letztlich doch in der Zusage von 100 Milliarden Euro aus den schon vorhandenen Rettungsfonds zumindest eine vorübergehende Entschärfung fand, haben Spötter die Wirksamkeit der Milliardensumme auf drei Stunden taxiert und die Frage aufgeworfen, was denn eine Marktberuhigung für drei Tage kosten würde.

Nun mag man der EU-Kommission bei Beurteilung ihrer Initiative zur Bankenunion zugute halten, dass es ursächliche Aufgabe einer Regierung ist, rechtzeitig über langfristige Perspektiven nachzudenken. Aber muss sie ausgerechnet mitten in heftigen Marktturbulenzen mit einem weitergehenden Vorschlag kommen, der wegen fehlender rechtlicher Voraussetzungen auf die akute Lage überhaupt noch nicht anwendbar ist? Erinnert Brüssel mit solchen Vorstößen nicht an Oppositionsparteien, die zuweilen munter Lösungsansätze ins Spiel bringen können, weil sie weder die Etatverantwortung tragen noch bis ins Detail an der Machbarkeit der konkreten Umsetzung gemessen werden können? Oder darf man das Ganze vielleicht sogar als raffiniertes Signal zur Beruhigung oder auch Verunsicherung der Märkte verstehen? Gehört das alles etwa zu einem Szenario, das in dem Spiel auf Zeit irgendwie doch von den nationalen Regierungen und den EU-Gremien gemeinsam getragen wird?

Zumindest Letzteres ist höchst unwahrscheinlich. Denn hierzulande reagierten alle spürbar überrascht - angefangen von der BaFin und der Bundesbank bis hin zu den Verbänden der Bankwirtschaft, die allesamt eng mit der deutschen und europäischen Politik vernetzt sind. So beklagte sich etwa der Verband Öffentlicher Banken laut vernehmbar über diese Art von politischem Aktionismus. Vor der Schaffung einer mit umfassenden Eingriffsbefugnissen ausgestatteten Europäischen Aufsicht für systemisch wichtige Banken, so hat der VÖB mit Blick auf das Machbare verdeutlicht, müssten unter anderem ein harmonisiertes Verwaltungsrecht, ein einheitliches Insolvenzrecht und eine Angleichung von Regelungen zu möglichen Schadensersatzansprüchen umgesetzt werden.

Und auch verfassungsrechtliche Fragen könnten tangiert sein. Auf solche Erfordernisse zur Aufgabe nationaler Souveränitätsrechte hat kürzlich die Vizepräsidentin der Bundesbank, Sabine Lautenschläger, in ihrem Eröffnungsvortrag zum Symposium "Bankenaufsicht im Dialog" hingewiesen und die Bankenunion schon aus Gründen der Machbarkeit als Instrument zur kurzfristigen Krisenbewältigung ausdrücklich ausgeschlossen. Noch viel wichtiger ist ihr aber die Frage des Zusammenspiels von Haftung und Kontrolle. Wenn eine Bankenunion nationale Risiken des Bankensystems vergemeinschaften soll, sprich das Geld der hiesigen Steuerzahler in anderen Ländern eingesetzt werden soll, so ihre Botschaft, dann bedarf es zwingend des festgeschriebenen Rechts auf Kontrolle. Der saubere Weg wäre also das Hinwirken der politisch Verantwortlichen auf eine Fiskalunion bis zur (Teil-)Aufgabe des nationalen Haushaltsrechts mit all der zeitraubenden Überzeugungsarbeit im demokratischen Umsetzungsprozess. Aber das hilft leider nicht kurzfristig.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X