Gespräch des Tages

Persönliches - Für Helmut Schieber

Zentralbanker sind unbedingt etwas Besonderes. Erstens ist schon ihre jeweilige Berufung in aller Regel ein jeweiliges Politikum. Eben, weil sie von der Politik berufen werden, ohne in allen Fällen für das besondere Amt von vornherein berufen gewesen zu sein. Zweitens genießt die Bundesbank, gerade diese, trotz gewisser Persönlichkeitsstörungen in den letzten Jahren noch ziemliches Ansehen (ohne welches die Interruptionen gar nicht sonderlich aufgefallen wären). Drittens ist die permanente Eurokrise zwar eine Staatenkrise - aber doch eine, deren detaillierte Komplexität besonderen geldpolitischen Sachverstand verlangt, dabei offenkundig denjenigen von Investmentbankern, die derzeit bescheidene Wertschätzung genießen.

Viertens schließlich bewirken Zentralbanken sogar im Eurosystem, dass ihre Präsidenten, Direktorien, Vorstände sofort nach Ablegen des Amtseides eine Metamorphose durchmachen. Sie lernen blitzschnell, dass die Worte "Financial Stability" zum Tagesgruß ihres Auftretens gehören müssen - und sie widersprechen praktisch über Nacht dem Unsinn, den sie noch am Nachmittag zuvor für ihre politischen Absender als "alternativlos" deklarierten. Sehr schön lässt sich dieses justament im neuen Verhältnis von Herrn Weidmann zu Frau Merkel beobachten.

Helmut Schieber ist einer jener Zentralbanker gewesen, die berufen wurden, ohne dass es ein Politikum war. Einer, dessen Ansehen in der Institution Bundesbank nicht erst entwickelt werden musste, sondern das er dorthin schon mitbrachte. Einer, dessen Fachkompetenz in seiner Zeit als Außenminister des Hohen Hauses dem berühmten "System Tietmeyer" folgte: Wo internationale Währungspolitik der Notenbankebene auf feinfühligem, diplomatischem Gespür für monetäre und persönliche Empfindsamkeiten gründete, waren die schwäbische Konsilianz und die blitzende Listigkeit Schiebers für Deutschland wie das wachsende Eurosystem ein gewinnendes Geschenk.

Schieber war trotz seiner dicken Wurzeln in der Landeszentralbank Stuttgart und um sie herum von der großen Währungspolitik fasziniert. Er vermochte alsbald die Interessen der diversen Institutionen, Gremien, Vereinigungen, in denen die Notenbanken nur zu oft flicken müssen, was die Regierungen zerrissen haben, entsprechend faszinierend zu erklären. Dass ihm dabei nicht alle Zuhörer intellektuell folgen konnten - er nahm es hin. Wunderschön leidenschaftlich jedoch pflegte er allemal auf bemühte Gespräche über Musik im Allgemeinen und Jazz im Speziellen zu reagieren. Denn "nach Bach" schien ihm allein der Jazz noch dem klassischen Gesetz und dem daraus folgenden Regelwerk gerecht zu werden. Bis eben ist Schieber mit dem Banjo dabei gewesen, und gerade hatte er seinem Herrenklub nach den Vorträgen wieder mit seinen Aperçus für den guten Nachhauseweg Mut gemacht. Man darf sehr um ihn trauern. Er starb in den letzten Septembertagen, nur knapp über die Siebzig. K. O.

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