Leitartikel

Währungsblöcke - Luftbilder ohne solides Fundament

Viel Verwirrung und unnötige Missverständnisse in der Finanzwelt wären leicht zu vermeiden, gäbe es die Schlagwortfetischisten nicht - seien es solche aus dem Lager einiger Ökonomen - oder solche aus dem wesentlich größeren der Politiker. Was den schwierigen und oftmals nur nebulös in Worte zu fassenden Begriff der "Währungsblöcke" anbetrifft, wuchert das Chaos der Gedanken besonders perfide. Gehen wir auf der Suche nach den Ursachen medias in res. Schon die ersten Überlegungen zeigen, dass es im ökonomischen Bereich einen methodischen Unterschied gibt: Auf der einen Seite finden wir die Bereiche, die in sich selbst ruhen und auch beeinflussbar sind. Die Wirtschaft kann eben durch mehr oder weniger Arbeitseinsatz, durch die Kostenstruktur und den Grad der möglichen Innovationsfreude summa summarum durch den Markt gesteuert werden. Es handelt sich also sozusagen um einen originären Block des volkswirtschaftlichen Ganzen. Dieser sendet Impulse aus, die den subsidiären Bereich verändern.

Nota bene: Nur und ausschließlich nur jene marktinduzierten Segmente sind in der Lage, in jene Sparten des zweiten Gliedes positiv oder auch negativ einzuwirken. Die Währung eines Staates ist ohne Zweifel so ein Sekundär-Phänomen oder bildlich gesprochen: Ohne Sonnenlicht bliebe der Mond optisch für immer verborgen. Bedauerlicherweise leben aber viele Politiker quasi hinter dem Mond und halten Wechselkurse für machbar. Und sie schwärmen von der Fata Morgana der Währungsblöcke auch wenn ihre Vorgänger damit prinzipiell immer Schiffbruch erlitten haben. Der berühmteste, und wohl auch schmerzlichste Lernprozess auf diesem Gebiet war das Experiment von Bretton Woods. Die Delegationen aus 44 Staaten trafen sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs in dem kleinen Badeort Bretton Woods, weil sie Währungsmanipulationen, Abwertungsrennen zum Nutzen von nationalen Volkswirtschaften und ohne Rücksicht auf die Nachbarn satt hatten. Die eigentlichen Akteure waren freilich nur die USA und Großbritannien, sodass sich am Ende ein Dollarblock herauskristallisierte. Doch auch dieses scheinbar so mächtige Gebilde trug den Keim der Fäulnis in sich. Man konnte nicht haushalten in Washington, sodass der damalige Präsident Nixon im August 1971 vor die Kameras treten und eingestehen musste, dass die Einlösungspflicht des Dollars in Gold nicht mehr aufrecht zu halten sei.

Die Märkte waren freilich vor allem deshalb in Aufregung, weil Nixon gleichzeitig einen Einfuhrzoll von zehn Prozent auf alle Importe in die USA verordnete. Rückkehr in die alten Zeiten befürchteten nicht nur die exportlastigen Deutschen. Das war zwar nicht so, aber gedanklich waren die Dämme gebrochen; das Ende des Dollar-Blocks von Bretton Woods stand vor der Tür. Armer John Maynard Keynes: Sein Plan, Wohlhabende und schwache Länder müssten im Fall von Ungleichgewichten im Außenhandel ihre Politik gleichermaßen modifizieren, wurde verworfen und die Anpassungslast allein den kränkelnden Ländern aufgebürdet. Die festen Wechselkurse waren daher bald Geschichte. Nach einigen sehr heftigen Ausschlägen und von Hilflosigkeit geprägten Versuchen (Plaza und Louvre), doch noch zu einer gewissen gesteuerten Dollarkonsistenz zu kommen, sah man sich vom Markt geschlagen.

Daran hat sich bis auf den heutigen Tag nichts geändert. Was hat es doch für Wunschvorstellungen gegeben! Bis zu einer "Triade" verstieg man sich und promovierte kurzerhand Dollar, Yen und Euro-Bereiche zu den angeblich treibenden Kräften am Devisenmarkt in dieser Welt. Wie schade nur, dass die Realität ganz anders aussah: Die Amerikaner dachten gar nicht daran, ihr riesiges Leistungsbilanzdefizit zu reduzieren, das jetzt wie ein Damoklesschwert über der Finanzwelt schwebt, die Japaner kämpften lange mit hauseigenen Schwierigkeiten und von einem einheitlichen, homogenen Euro-Block zu sprechen, wäre die reine Blauäugigkeit.

In Südostasien gab es Pläne zu mehr geldpolitischer Gemeinsamkeit, Saudi-Arabien und die Emirate planten einen "Block" der Währungen, bis eine brüske Absage Omans die Blase zum Platzen brachte. Ist das riesige China bereits ein "Block"? Es hat bereits mehr als 1 000 Milliarden Währungsreserven in Form von US-Papieren angesammelt und stemmt sich damit erfolgreich gegen die USA, die mit einer Hartnäckigkeit sondergleichen die Aufwertung des Yuan zu erzwingen versucht. Das alte Schwert der drakonischen Einfuhrzölle auf Importe in die Staaten bleibt somit wenigstens bilateral - begleitet freilich von konstanten Drohungen - in der Scheide. Aus dem Alleinherrscher Dollar ist ein recht zahmer Tiger geworden.

Glaubt man McKinsey, dann etabliert sich - Euro hin oder her - in Europa eine Finanzkraft, die schon eher Block- Charakter hätte. Die Banken in Europa haben bereits 2006 vermutlich erstmals mehr Einnahmen aus Wertpapiergeschäften erzielt als die USA. Außerdem drohe London New York auch als Zentrum für die Kreation neuer und profitabler Produkte den Rang abzulaufen. Noch schneller als in den herkömmlichen Ballungspunkten wachse aber der Finanzsektor in Asien. Was baut sich dort auf? Nicht zu vergessen ist Russland, das mit seinem Öl- und Gasreichtum kräftig und rücksichtslos Politik macht. Die Ukraine und Weißrussland mussten angesichts der Knute des Energiemonopolisten klein beigeben. Der private Netto-Kapitalzufluss nach Russland hat sich 2006 fast vervierzigfacht. Allerdings steht und fällt dieser Monolith mit den bislang reichlich sprudelnden fossilen Brennstoffen; steht also auf tönernen Füßen. Die Wiederentdeckung der Kernkraft in Schweden gibt einen ersten kleinen Vorgeschmack. Wie von Anbeginn an: Die Dinge sind im Fluss, und wenn es je Währungsblöcke gegeben haben sollte, sie hatten eine kurze Verfallzeit. Das werden auch die Südamerikaner erleben, die sich - siehe Argentinien - vom Green Back abgewendet haben und hie und da mit währungspolitischer Gemeinsamkeit liebäugeln.

Regionale Freihandelszonen sind en vogue, wenn man so will das Eingeständnis, dass das Machbare nun endlich im originären und nicht im sekundären Bereich gesucht wird. Die USA versuchen es mit Südkorea, was als Vorstufe einer solchen Zone mit Japan angesehen wird. Aber auch da gibt es Haken und Ösen. Um die 1994 angedachte "Tafta" einer transatlantischen Freihandelszone, ist es still geworden. Immerhin stehen sich die nützlichen Strukturreformen - so bescheiden sie sich nach wie vor ausnehmen - der Wachstumsbremse der hohen amerikanischen Ungleichgewichte gegenüber. Also: Wie kann sich eine starke Währung entwickeln, wenn die makroökonomischen Voraussetzungen dazu fehlen? Es gibt zu denken, wenn potenziell starke Staaten zwar gelegentlich von der Substitution des Dollars durch den Euro in den Währungsreserven sprechen; konkrete Maßnahmen hatten aber bis heute wenig Substanz. Das klingt nicht gerade überlaut nach Währungsblock.

Die internationalen Akteure haben ohne Zweifel gewittert, dass die Eurozone keineswegs der Rocher de Bronce des Großen Friedrich von Preußen ist, sondern im Inneren bedenkliche Anzeichen der mangelnden gemeinsamen Gesinnung erkennen lässt. Die Ansichten Frankreichs und Deutschlands klaffen in wesentlichen, je den entscheidenden Punkten des Wirtschaftens auseinander. Rechts des Rheins hat man gelernt, dass die Freiheit des Marktes den Wohlstand der Nachkriegszeit geschaffen hat und weiß zwischen originär und derivativ wohl zu unterscheiden. Dieses Denken ist - leider - Paris fremd, wo man an die Machbarkeit der Ökonomie einschließlich der Wechselkurse glaubt. Staatspräsident Jacques Chirac forderte in seiner Neujahrsansprache eine " aktive Steuerung der Wechselkurse". Nicht nur die Inflation müsse die Währungspolitik bekämpfen, sondern auch für mehr Beschäftigung und Wachstum sorgen.

Das ist gleichzeitig auch ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Chirac steht mit seinen Attacken nicht allein: Ins gleiche Horn stoßen Nicolas Sarkozy, voraussichtlicher Präsidentschaftskandidat der Konservativen und auch Ségolène Royal von der sozialistischen Opposition. Die Kurssteigerung des Euro sei die Schuld der EZB - und dies müsse schnell geändert werden, weil dies der französischen Exportwirtschaft schade. Industriepolitik reinsten Wassers also. Bisher hat EZB-Chef Claude Trichet, ein Franzose, dieses scharf verurteilt. Zwei Welten also. Kein Wunder wenn die Umfrage der "Financial Times" ergab, dass über die Hälfte der Befragten in Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland der Meinung waren, die Einführung des Euro habe einen negativen Einfluss auf die Wirtschaft ihres Landes ausgeübt. Wie mag es da in kleineren Euro-Ländern aussehen? Das Wort "Währungsblock" kann man getrost vergessen. Das Gebilde bewegt sich zwar im Takt der internationalen Zinsunterschiede, doch bleibt es ein vom Erfolgswillen der Politiker getragenes Luftbild ohne solides Fundament. Ein gedachter Staat EU hätte kein Staatsvolk und keine Staatsgewalt, gibt Prof. Dieter Spethmann zu bedenken. Sein Fazit: Also geht nur eine EU durch Delegation, das heißt, als Staatenbund. David Cameron, Chef der britischen Konservativen, formulierte Anfang dieses Jahres im Wildbad Kreuth lapidar: "Der EU- Verfassungsvertrag ist tot; er kann nicht wiederbelebt werden."

Ernst zu nehmende Ökonomen haben die Art der nötigen Reformen schon lange aufgelistet, seufzen aber, dass die politischen und administrativen Widerstände allseits enorm hoch sind. Schon vor geraumer Zeit haben Abgesandte mehrerer kleiner Euro-Teilnehmer bei der EZB vorgesprochen und gefragt, ob es denn jetzt nicht genügend Stabilität gebe und man zur monetären Expansion übergehen sollte. Vergessen wir also getrost Blöcke und andere Fantasien. Der Markt wird schon - wenn man ihn nicht daran hindert - zur Realität zurückführen. OS.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X