Mobile Banking

"Im Mobile Banking sehen wir einen Paradigmenwechsel"

Um die Jahrtausendwende gab es um das Mobile Banking bereits eine große Euphorie. Dann wurde es wieder still um das Thema, das jetzt eine neue Renaissance erlebt. Was hat sich seit damals verändert?

1999 bis 2001 kam erstmals ein Hype zum Thema Mobile Banking auf. Auch die Deutsche Bank hat damals dieses Thema intensiv aufgegriffen. Wir waren 2000 und 2001 als erster Finanzdienstleister in Deutschland mit einer Anwendung auf der CeBIT präsent und haben das WAP-Banking vorgestellt. Das Thema weckte medienseitig, aber auch bei den Nutzern eine große Neugierde. Das Problem zum damaligen Zeitpunkt war jedoch, dass die Endgeräte nicht in nennenswerter Anzahl verbreitet waren und das Mobile Banking deshalb nicht in den Massenmarkt kam.

Deshalb ist das Thema schnell wieder aus dem Fokus geraten. Auch die Deutsche Bank hat diesen Service bald wieder eingestellt, da kein nennenswerter Kundenbedarf vorhanden war.

Eine zentrale Erkenntnis war damals: Wir müssen uns in den kommenden Jahren, um Frontrunner zu sein und Märkte mitzugestalten, immer darauf konzentrieren, wann eine nennenswerte Akzeptanz in die Breite der Gesellschaft kommt, die von der Nutzungsfähigkeit her Relevanz bietet und zugleich finanziell für jeden leistbar ist. In den letzten zehn Jahren haben sich drei grundlegende Dinge geändert:

Es gibt heute mit einer Durchdringung von ein bis zwei Mobiltelefonen pro Erwachsenem in Deutschland eine enorme Sättigung an leistungsfähigen Geräten im Markt.

Dadurch ausgelöst, gab es eine komplette Änderung der Geschäftsmodelle. Selbst bei Vertragsbindung gibt es heute meist eine der Nutzungsdauer entsprechende monatliche Belastung oder Pauschale. Das ist auch für die Banken als Anbieter eine gute Grundlage, um mit neuen Angeboten an den Markt zu gehen.

Verändert hat sich auch die Form der Angebote. Heute geht es nicht mehr nur um reine Kontostandsabfragen oder Wertpapiertransaktionen, also die schmale Fokussierung auf wenige Bankthemen, sondern es geht auch beim Mobile Banking um die Interaktion - sei es nun den Anruf beim Berater oder die Suche nach dem nächsten Geldautomaten. Heute kann man eine ganz neue Form von Services auf das Handy bringen. Das ist für uns der Durchbruch. Seit drei Jahren bietet die Deutsche Bank Banking deshalb wieder mobil an.

Die Logik ist dabei jedoch eine andere als vor zehn Jahren. Mobile Banking ist heute nichts Isoliertes mehr, sondern fest integrierter Bestandteil unseres Banking-Ansatzes. Das ist der Paradigmenwechsel, der jetzt auf uns zukommt.

Ist das Mobile Banking im Vertriebswegemix schon ein etablierter Kanal?

Die strategischen Analysen von vor zehn Jahren sind jetzt Realität. Das macht das Thema Mobile Banking extrem spannend. Wir glauben daran, dass ein Großteil der nicht beratungsbasierten, persönlich interagierenden Welt im Bereich Finanzen/Vorsorge künftig mobil stattfinden wird.

Aktuell ist Mobile Banking im allgemeinen Kanalmix angekommen und integriert. Von der Wahrnehmung, Akzeptanz und Sympathie her ist es zunehmend ein etablierter Kanal, mengenmäßig aber noch nicht. Wir haben heute einige zehntausend Nutzer, die aktiv Mobile Banking betreiben. Aber die Dynamik ist mit 300 Prozent Wachstum im letzten Jahr enorm.

Wir glauben fest daran, dass Mobile Banking immer stärker das stationäre PC-Banking ergänzen und eines Tages ablösen wird.

Wird das mobile Endgerät dann auch zum echten Vertriebskanal, über den - auch mithilfe von Online-Tools - Abschlüsse getätigt werden?

Gegen komplexe Dinge wie die Nutzung von Online-Tools für die Baufinanzierung sprechen aus meiner Sicht physische Limitationen. Dafür sind die mobilen Endgeräte von heute mit ihren kleinen Displays zumindest für die nächsten Jahre nicht geeignet. Immer dann, wenn es um überschaubare, nicht allzu komplexe und überproportional relevante Bankvorgänge geht, werden wir solche Funktionen jedoch häufiger sehen, beispielsweise bei Tagesgeld oder Festgeldanlagen. Dann mag es auch so sein, dass etwa die Prolongation einer Baufinanzierung über den mobilen Kanal mindestens angeregt und vorbereitet wird.

Die Palette der von Finanzdienstleistern angebotenen oder in Erwägung gezogenen Anwendungen ist breit. Welche halten Sie für zukunftsfähig?

Am wichtigsten ist der Kommunikationsbedarf zwischen Kunde und Bank.

Das zweite Thema heißt Information. Hierzu gehört beispielsweise die Suche nach Geldautomaten, Öffnungszeiten von Filialen oder direkte Anwahl von Hotline-Nummern.

Das dritte Thema ist die Transaktion und Konfirmation: Überweisung und Kontostandsabfrage, aber auch Information zum Beispiel über den vollzogenen Verkauf von Wertpapieren, beim Über- oder Unterschreiten eines bestimmten Konto- oder Depotstands. Daneben lassen sich bestimmte Sekretariatsaufgaben aufs Mobiltelefon übertragen. So kann der Kunde beispielsweise eine Benachrichtigung via E-Mail oder SMS über den Eingang eines Antrags und den Bearbeitungsstatus erhalten, oder an einen Beratungstermin erinnert werden. Das halten wir für sehr spannend, weil es einen Nutzen für den Kunden bedeutet.

Welche Mobile-Banking-Projekte verfolgt die Deutsche Bank derzeit?

In den letzten zwölf bis 24 Monaten sind wir sehr anwendungsspezifisch vorgegangen und haben alle zwei bis drei Monate eine neue Komponente veröffentlicht, um damit den Markt zu prägen und die Kunden immer weiter für das Mobile Banking zu begeistern.

Im Dezember 2009 haben wir das Thema Mobile TAN live gebracht, wofür wir eine Plattform aufgebaut haben, die viel mehr kann als nur mobile TANs auszuliefern. Und ein weiteres Thema, an dem wir aktuell arbeiten, ist eine komplette i-Phone-App für das Banking & Brokerage, mit Funktionen wie Filialsuche in Verknüpfung mit direkten Kommunikationsmöglichkeiten (beispielsweise Rückruf) und Produkt-Angeboten.

Welche Anwendung wird von Ihren Kunden am stärksten genutzt?

Das sind eindeutig die Kernanwendungen, die auch heute schon beim PC-Banking am stärksten genutzt werden: Kontostandsanzeige, Depotübersicht und Überweisungen.

Sind Finanz-Apps für das i-Phone Killerapplikationen?

Die Bezeichnung Killerapplikation halte ich grundsätzlich für ein Marketingschlagwort. Ich persönlich glaube nicht an die eine Killerapplikation. Mobile-Banking-Apps sind jedoch wesentliche Bausteine in einer Veränderung in der Interaktion zwischen Kunde und Bank.

Lohnt es sich, Mobile-Banking-Angebote für "normale" Handys ebenso zu entwickeln wie für das i-Phone?

Unbedingt. Wir wollen den Kunden nicht zwingen, bestimmte Hardware oder bestimmte Telekommunikationsanbieter zu nutzen. Wir verfolgen Themen, die losgelöst von einem Industriestandard jedem zugänglich sind. Und mittlerweile hat fast jedes Handy einen normalen Web-Browser, sodass man über das Mobiltelefon auch durchs Internet surfen kann.

Welche Chancen sehen Sie für das Mobile Payment?

Für das mobile Bezahlen gibt es heute nur einen vergleichsweise spitzen Bedarf in ganz spezifischen Situationen, beispielsweise im Taxi, am Skilift oder etwa beim E-Ticketing unterwegs.

Dennoch ist das Bezahlen per Handy sicher eine der großen Erwartungen. Bis heute hat sie sich zwar noch nicht nennenswert durchgesetzt, birgt aber in der Zukunft durchaus Potenzial, wenngleich es vermessen ist, heute zu sagen, in welcher Form dies sein wird. Auch hier haben wir in den letzten zehn Jahren eine Reihe von Erfahrungen gesammelt.

Im Moment ist der Wettbewerb um die schlagkräftigen Ideen und die Akzeptanz in breiten Bevölkerungsschichten noch relativ offen. Es gibt eine Reihe von Interessenten, die das Thema betreiben wollen. Es gibt aber noch nicht den einen Standard.

Entscheidend wird sein, mit einem dosierten Aufwand von Zeit und Geld an verschiedenen Projekten mitzuarbeiten und daraus maximale Rückschlüsse abzuleiten, was es mittelfristig bedeutet, wenn sich bestimmte Tendenzen konsolidieren. Nur dann kann man einer der ersten Anbieter sein, die in solchen Märkten erfolgreich präsent sind. Denn nur im Pilotieren kann man Erkenntnisse gewinnen, die man dann auf seinen eigenen Prozessstrukturen und am eigenen Geschäftsmodell überprüfen kann.

Was kostet der Aufbau eines Mobile-Payment -Angebots heute?

Heute muss man keine bestimmte Institutsgröße und Investitionskraft mehr haben, um überhaupt im mobilen Markt mitzuspielen. Ich persönlich begrüße es, wenn möglichst viele Anbieter aus der Finanzbranche solche Services offerieren, um damit auch breite Nutzerschaften zu interessieren. Wir lernen auch viel daraus, was andere Mitbewerber oder Anbieter aus anderen Branchen an mobilen Services anbieten.

Bei den Investitionskosten bewegen wir uns heute in deutlich geringeren Größenordnungen, als man vielfach glaubt. Dadurch ist das Investitionsrisiko auch geringer als noch vor zehn Jahren.

Mittlerweile haben sich sowohl technische als auch Nutzungsstandards viel stärker durchgesetzt. Vor zehn Jahren musste man eine eigene Mobile-Banking-Infrastruktur bauen und erreichte dann einen Investitionsbetrag in Millionenhöhe. Heute erlauben es die technologischen Voraussetzungen, das PC-basierte Onlinebanking so zu konfigurieren, dass die Bankinganwendung in einer kleinen, skalierbaren Form auch mobil verfügbar ist. Durch diese Weiterentwicklung der Technologie lassen sich Mobile-Banking-Angebote mit überschaubaren Budgets entwickeln.

Bei der Entwicklung einer i-Phone-App sprechen wir von Entwicklungskosten von deutlich unter 100 000 Euro.

Bei SMS-Services muss man bestimmte Funktionen sicher mit Bankinfrastrukturen verknüpfen können. Aber auch das verschlingt heute keine Millionenbeträge mehr.

Beim Mobile Payment sieht das sicher anders aus, weil dort ganz andere Sicherheits- und Transaktionsinfrastrukturen dazugehören.

Kann man sich mit mobilen Angeboten noch vom Wettbewerb differenzieren?

Anwendungen wie die Filial- oder Geldautomatensuche sind heute schon Standard und bieten sicher kaum Chancen zur Differenzierung, auch wenn sie noch nicht von allen Kreditinstituten angeboten und bisher nur von wenigen Menschen genutzt werden.

Convenience und spezifische Mehrwert-Dienste werden jedoch immer eine Wettbewerbschance sein, über die man sich differenzieren kann. Entscheidend ist letztendlich aber immer die Attraktivität und Leistungsfähigkeit des Anbieters über die rein technologische Basis hinaus.

Für welche mobilen Anwendungen ist der Kunde zu zahlen bereit?

Grundsätzlich möchte der Kunde natürlich viele Leistungen gratis oder möglichst preiswert erhalten. Die mobile TAN beispielsweise wird von vielen Instituten zum Selbstkostenpreis angeboten.

Dennoch glaube ich, dass man auch beim Mobile Banking zu einer Kombination kommen wird, wie sie uns die Telekommunikationsindustrie vorgemacht hat: Die Basisausstattung wie Kontozugang oder Geldautomatensuche wird gratis bereitgestellt werden müssen, spezifische Services können optional gegen Entgelt zugebucht werden - wie es übrigens auch in der klassischen Bankenwelt (beispielsweise beim Girokonto) verbreitet ist.

Das bietet uns viele Chancen, in der Spreizung unserer Zielgruppen verschiedene Ausbaustufen und Servicetiefen anzubieten. Hier schauen wir auch sehr interessiert in andere Industrien aus dem Bereich Reise, Luftfahrt oder Hotellerie, wo man dergleichen praktiziert.

Was für kostenpflichtige Zusatzservices können Sie sich vorstellen?

Services, die wir gegen eine Zusatzgebühr anbieten werden, können zum Beispiel Premium-Services im Hinblick auf eine spezifische Kompetenz beziehungsweise Erreichbarkeit von Ansprechpartnern sein. Vorstellbar wären so praktische Push-Services wie Informationen bei speziellen Umsätzen, Abbuchungen, Wertpapiertransaktionen beziehungsweise Limitüberschreitungen.

Wie wird Mobile Banking zum Business Case?

Mobile Banking ist - durch die Grundvoraussetzung, keine eigenen IT-Landschaften zu benötigen, die amortisiert werden müssen - heute ab dem ersten Moment ein Business Case, weil es der Bank Effizienzvorteile und dem Kunden zusätzliche Optionen verschafft, situativ und flexibel Bankgeschäfte zu tätigen. Dafür braucht es erst einmal keinen mobilen Produktverkauf. Zubuchbare Services wären in diesem Sinne ein "Zusatzertrag".

Wie viele Kunden brauchen Sie, damit sich das Mobile Banking rechnet?

Die Hypothese ist, dass sich die Nutzung von Mobile Banking innerhalb von wenigen Jahren analog zum Onlinebanking verhält. Es geht uns aber nicht darum, Menschen von der Filiale auf den Computer oder ins Mobile Banking zu leiten, sondern es ist für uns eine sinnvolle Addition der Servicekanäle. Wir wollen das Thema dadurch pushen, dass wir die mobilen Services konsequent an den Bedarfen unserer Kunden orientieren und mediengerecht weiterentwickeln.

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