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Studienkredite: die Sicht der Kunden

Studienkredite stellen in vielen Ländern keine Besonderheit dar, sondern bewähren sich seit Jahren. Insbesondere dort, wo - auch in Form von Studiengebühren schon lange eine höhere private Beteiligung an der Finanzierung der Studienkosten gegeben ist (zum Beispiel in den USA), gibt es auch eine Vielzahl entsprechender Studienkredite. Private Hochschulen in Deutschland haben zwar schon seit langem vor allem lokale Kreditinstitute als Partner entdeckt, um ihren Studierenden ein zusätzliches Finanzierungsangebot zu unterbreiten. Das Thema Studiendarlehen ist aber hierzulande erkennbar in Bewegung. Verstärkt bieten private Anbieter landes- oder bundesweit Studiendarlehen an. Neu ist zudem ein steigender Bedarf an Studienkrediten im Kontext der Einführung von Studiengebühren. Und es zeichnet sich eine zunehmende ökonomische Rationalität bei der Entscheidung für oder gegen einen Kredit ab; ideologische Vorbehalte, die es gab und gibt, treten mehr und mehr in den Hintergrund.

Studienkredite ergänzen die Finanzierung

Dabei muss man aber berücksichtigen, dass Studienkredite auch von den potenziellen Kreditnehmern in aller Regel nicht zur Vollfinanzierung des Studiums eingesetzt werden (sollen). Vielmehr werden diese genutzt, um die Finanzierung des Studiums punktuell zu ergänzen. Typischerweise werden Studienkredite daher für folgende Zwecke eingesetzt:

elternunabhängige (Teil-)Finanzierung des Studiums, wenn die Eltern zu einer entsprechenden Unterstützung nicht willens oder in der Lage sind,

Konzentration auf das Studium durch eine Reduktion des studienfernen Jobbens ("Mc-Jobs"), besonders in der Studienabschlussphase, dadurch auch Senkung der Opportunitätskosten aufgrund eines ansonsten späteren Berufseintrittes,

Finanzierung besonderer Praktika oder Auslandsaufenthalte, die anders nicht möglich wären,

Finanzierung von besonderen Studiengängen, Ergänzungsstudiengängen und natürlich

Refinanzierung von Zusatzkosten durch allgemeine Studiengebühren.

Das heißt, dass Bafög, Stipendien, Elternunterstützung, Jobben und sonstige Einnahmen weiterhin eine gewichtige Rolle im Refinanzierungsmix der Studierenden spielen werden. Studienkredite können diesen aber in besonderen Situationen und unter besonderen Bedingungen in sinnvoller Weise ergänzen.

Im Jahr 2006 hat das CHE erstmalig den CHE-Studienkredit-Test durchgeführt. Mehr als 40 Banken und Sparkassen, die eigene Studienkredite für angehende Akademiker anbieten, konnten einbezogen werden. Dabei waren deutliche Unterschiede bei den Kosten und der Risikobegrenzung, aber auch beim maximal möglichen Finanzierungsvolumen festzustellen.

Studiengebühren schaffen neue Marktsituation

Seit klar war, dass ab dem Wintersemester 2006/07 in zahlreichen Bundesländern Studienbeiträge eingeführt werden, haben verschiedene Kreditinstitute die Chance ergriffen und individuelle Studienfinanzierungsangebote konzipiert. In den "Gebühren-Ländern" werden zudem Darlehen im Kontext der sozialverträglichen Absicherung der Gebühren entwickelt und zum Beispiel von Landesförderbanken etabliert.

Immerhin gründete die Aufhebung des bundesweiten Gebührenverbots durch das Bundesverfassungsgericht im Januar 2005 auch auf die Annahme, dass Studiengebühren nicht per se sozial selektiv sein müssen. Gebührenmodelle, die Zukunft haben sollen, müssen daher auf den Aspekt der Sozialverträglichkeit eingehen und überzeugende Lösungen erarbeiten. Eine Option ist dabei die Bereitstellung sozialverträglich gestalteter Studienbeitragsdarlehen.

Der Markteintritt von Großbanken und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in den Bereich der Studienfinanzierung schafft zudem eine Marktsituation, die in Deutschland vorher nicht existiert hat und die über das staatliche Mindestmaß hinaus den Studierenden neue und weitere Studienfinanzierungsoptionen - in diesem Fall nicht alleine für Studiengebühren, sondern auch für die Finanzierung des Lebensunterhaltes - bietet. Darüber hinaus gibt es ein ebenfalls umfängliches Angebotsspektrum, welches durch die lokalen Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken ermöglicht wird.

Studienkredit-Test bringt Transparenz

Für den einzelnen Studierenden ist die sich entwickelnde Angebotsvielfalt zur Refinanzierung von Studienkosten ein äußerst positiv zu bewertender Fortschritt. Eine begründete und sachgerechte Entscheidung für das eine und wider das andere Kreditangebot setzt jedoch transparente und nachvollziehbare Vergleichs- und Auswahlmöglichkeiten voraus. Eine entsprechende Analyse-Systematik fehlte bisher.

Mangelnde Transparenz hinsichtlich der Ausrichtung, den Zugangsmöglichkeiten, der Konditionen, der Kosten und Risiken sind ein Hindernis für die Etablierung des Studienkredit-Marktes und eine Hürde für die Studierenden. Der Studienkredit-Test sollte dazu beitragen, dass diese Hindernisse abgebaut werden und der Markt für Studienkredite an Transparenz gewinnt.

Sparkassen und Genossen wollen Kunden binden ...

Es wird deutlich, dass das berücksichtigte Portfolio von Studienkrediten äußerst heterogen ist. Es lassen sich wenigstens folgende Typen unterscheiden:

Studienbeitragsdarlehen der Förderbanken der Länder mit dem alleinigen Zweck der Refinanzierung von Studiengebühren (faktisch gebundene Mittelverwendung, zum Beispiel über direkte Auszahlung an die Hochschulen). Diese dienen allein der verfassungsrechtlich gebotenen sozialverträglichen Ausgestaltung der Studiengebühreneinführung. Eine Gewinnerzielungsabsicht seitens der anbietenden Banken ist hier nicht gegeben.

Das KfW-Darlehen, das bundesweit auch über ausgewählte Banken, Studentenwerke und Sparkassen vertrieben wird und der Refinanzierung von Kosten des Lebensunterhalts dienen soll. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist hier ebenfalls nicht gegeben.

Studienkredite "der ersten Generation", die schon länger auf dem Markt sind und teilweise jetzt an die neue Marktsituation angepasst werden. Diese waren häufig als Kundengewinnungsinstrument konzipiert.

Angebote von Volks- und Raiffeisenbanken (VR-Bildungsfinanzierung) in Bayern oder Sparkassen (Sparkassen-Bildungskredit) in ganz Deutschland, die auf Rahmenkonzepten der jeweiligen Dachorganisationen basieren, ergänzen weiterhin das Spektrum.

Auch hier steht im Wesentlichen das Motiv der Kundengewinnung- und/oderbindung im Vordergrund, teilweise erfolgt die Bereitstellung aus der Unternehmenskultur sowie Aufgabenzuordnung heraus. Eine Durchsicht der Konditionen zeigt, dass diese Angebote auch nur begrenzt zur Gewinnerzielung geeignet sein können.

... Großbanken moderate Gewinne erzielen

Kreditmodelle von Großbanken dagegen fußen offenbar ganz klar auf Überlegungen, bei denen nicht nur die Gewinnung von Kunden vorkommt, sondern durchaus auch die Erzielung moderater Gewinne anvisiert wird.

Bildungsfonds-Konzepte wie das von Career-Concept dagegen stellen eine ganz andere Philosophie in den Vordergrund, indem sie Zusatznutzen wie Kontakte zu den Fördernden (Unternehmen = Arbeitgeber, Privatpersonen) herstellen und die Vernetzung der Studierenden als ergänzendes Angebot mit bewerkstelligen.

Angesichts der Breite der Angebotspalette an Studienkrediten wird auch klar, dass der jeweilige Sinn und Unsinn von bestimmten Kreditangeboten nur vor dem Hintergrund jedes einzelnen Angebotstyps bestimmt werden kann. Der CHE-Studien-kredit-Test hat daher explizit die "Kundensicht", also die individuelle Perspektive der Studierenden eingenommen. Eine Unterscheidung zwischen staatlichen und privaten Angeboten wurde nicht vorgenommen, da diese sowohl komplementär als auch substitutiv sein können und aus Sicht der Studierenden damit den gleichen Anforderungen genügen müssen.

Sparkassen kombinieren Sparen und Kredit

Für Studierende gilt zwar, dass ein gründlicher Vergleich sowie eine Bestimmung der Finanzierungslücke der Aufnahme eines Kredites vorausgehen müssen, gleichwohl können für bestimmte Studierende bestimmte Angebote von besonderem Interesse sein. Nachfolgend findet sich eine erste - nicht abschließende - Übersicht:

Studiengebühren refinanzieren: Wer nur die Kosten von Studiengebühren abfangen möchte, ist meist mit den Angeboten der Länder gut bedient. Insbesondere Bafög-Empfänger sollten die Vorteile des Studienbeitragsdarlehens prüfen. Wenn die Darlehenssumme aus Bafög-Rückzahlungsverpflichtungen und Studienbeitragsdarlehen einen bestimmten Betrag überschreitet, verfallen in einigen Bundesländern Belastungen. Gerade für "Vollgeförderte" ergibt sich ein starker Anreiz, diese Modelle zu nutzen.

Ansparen statt Kredite aufnehmen: Sparer, die bereits länger vor dem Studienbeginn wissen, dass sie einen Kredit in Anspruch nehmen wollen, sollten das Sparkassenmodell prüfen. Es kombiniert Bildungskredite und Bildungssparen.

Überschuldung vermeiden und Lücken abdecken: Für alle, die flexibel bleiben wollen oder die Verschuldung gering halten wollen, ist beispielsweise das Konto-korrent-Modell der Dresdner Bank besonders interessant. Aber auch in anderen Kreditangeboten lassen sich Begrenzungen vornehmen oder Auszahlungshöhen verringern, wenn der Bedarf sinkt.

Wer einen oder mehrere Auslandsaufenthalte plant, sollte sich insbesondere über die Modelle von Dresdner Bank, Career- Concept und DKB informieren. Dort gibt es zum Beispiel für Auslandsaufenthalte Unterstützung. Bei anderen Anbietern ist das teilweise nur schwierig oder gar nicht möglich. Wer lediglich ein Studienabschluss- oder Überbrückungsdarlehen benötigt, sollte sich bei dem örtlichen Studentenwerk nach Angeboten zum Beispiel des Bundesverwaltungsamtes erkundigen.

Leistungsorientierte Modelle bei Career-Concept, DKB und Dresdner Bank

Gute Studienleistungen und Berufsaussichten in die Waagschale werfen: Leistungsorientierte sollten insbesondere die Angebote von Career-Concept, der DKB, der Dresdner Bank ins Auge fassen. Auch die Volks- und Raiffeisenbank Bad Waldsee bietet Konditionen, die sich an Leistungen orientieren. Wer schon ein erstes Studium oder eine Ausbildung abgeschlossen hat, bekommt generell günstigere Konditionen bei der Dresdner Bank.

Wer an einer privaten Hochschule studieren möchte, sollte sich vor Ort nach bestimmten Sonderkonditionen oder singulären Banken-Kooperationen erkundigen - dort existieren zahlreiche spezifische Modelle.

Sicherheit sozial verträglich bekommen und Risiken vermeiden: Leicht zugänglich und überall verfügbar ist das Angebot der KfW. Gleichzeitig bietet es verlässliche Konditionen und ein gewisses Maß an staatlicher und sozialer Kontrolle der Konditionen. "Risikoaverse" fahren damit gut.

Die Breite der Angebote, Verwendungszwecke und Konditionen macht deutlich, welch hohes Nutzenpotenzial für Studierende in den Angeboten steckt.

Auch aus gesellschaftlicher Perspektive muss eine Bewertung des Nutzens vorsichtig positiv ausfallen. Es ist nicht alleine das Urteil des BVG, das es erforderlich gemacht hat, staatlicherseits neue Angebote im Bereich der Studienbeitragsdarlehen zu schaffen. Die Gesellschaft profitiert auch dort von den neuen Angeboten, wo Teile der Bevölkerung, die bisher nicht studieren konnten, nun einen Zugang zur Studienfinanzierung finden. Gleichzeitig wird das deutliche Signal ausgesendet, dass Bildung und die Finanzierung derselben, nicht alleine Aufgabe des Staates, sondern aller ist. Damit etabliert sich in verschiedenster Hinsicht eine neue Kultur, die auch in Studienkrediten eine Chancen und nicht vorrangig ein "Verschuldungsrisiko" sieht.

Schwierige Kundenbindung

Es bleibt die zentrale Frage, worin denn nun der Mehrwert für die Banken aus der Bereitstellung von Studienkrediten besteht und warum solche Angebote auch in deren Portfolios ihren Platz haben können oder gar sollen. Dass dies überhaupt fraglich ist, dürfte im Wesentlichen mit zwei Besonderheiten auf dem Markt für staatliche Studienkreditangebote zu tun haben: Zum einen muss die Gestaltung der Studienkredite auf die besonderen Lebenssituationen von Studierenden sowohl in Auszahlungswie auch in Rückzahlungsphase Rücksicht nehmen. Hohe Renditen lassen sich unter diesen Nebenbedingungen nur schwer realisieren.

Zum anderen zeigen Studierende eine überdurchschnittliche Mobilität - sowohl, was die Bindung an Kreditinstitute angeht, als auch, was die regionale Bindung angeht. Ersteres tangiert die Kundenbindung für alle Kreditinstitute, Letzteres wiederum die Kundenbindung insbesondere bei Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken.

Dass Angebote dennoch zustande kommen liegt an weiteren Anreizmechanismen. Teilweise werden die Angebote im Auftrag von Ländern und/oder Bund erstellt (KfW, Landesförderbanken). In anderen Fällen ist es der Rolle und dem Selbstverständnis der Kreditinstitute geschuldet, auch gemeinwohlorientierte Angebote zu unterbreiten (Volksbanken, Sparkassen). Und gerade für Großbanken scheint darin doch ein Geschäftsinteresse zu liegen, das auch aufgeht - weil Studienkredite ein mächtiges Instrument in der Akquise, Bindung und im Cross-Selling mit Blick auf eine große und attraktive Zielgruppe sind.

Erste Marktbereinigungswelle läuft

Mit Studienkrediten ist ein neues und wichtiges ergänzendes Angebot in die Studienfinanzierung eingeführt worden. Das breite und in weiten Teilen auf die besonderen Bedürfnisse von Studierenden abgestimmte Angebot lässt wohlüberlegte und bedarfsorientierte Schuldenaufnahme für eine gute Ausbildung mehr oder minder erstmalig als attraktiv erscheinen. Auch Studieninteressenten, die bisher durch alle "Förderraster" gefallen sind, finden hiermit ein neues Angebot, das auch ihnen ein Studium ermöglicht.

Gleichzeitig bildet sich ein neues gesellschaftliches Verständnis heraus, das Bildung nicht als Ware, aber sehr wohl als Investition in die Zukunft betrachtet. Dass Banken mit diesen Angeboten dabei Geld verdienen oder über Kundenbindungs- und Cross-Selling-Effekten von den Studienkrediten profitieren, ist dabei nicht schädlich und auch nicht kritisierenswert.

Vielmehr ist dieser Anreiz eines sich entwickelnden Geschäftsfeldes die marktwirtschaftliche Grundbedingung dafür, dass hier nicht alleine staatlich beauftragte "Standardangebote" entstehen, sondern dass ergänzend auch private Kreditangebote erwachsen und neuen Zielgruppen ein Studium sowie die Finanzierung spezifischer Studienelemente ermöglichen. Der Markt ist sicherlich noch lange nicht gesättigt, gleichwohl vermittelt sich der Eindruck, dass bereits eine erste Marktbereinigungswelle erfolgt - viele lokale Anbieter setzen zukünftig auf das KfW-Angebot und stellen eigene Kreditlinien für Studierende wieder ein.

Informationen zum CHE-Studienkredittest vom Mai 2006 sind verfügbar unter www.che-studienkredit-test.de.

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