Aufsätze

Die Bedeutung eines effizienten Kapitalmarktes für die Unternehmensfinanzierung

Zuerst einmal: Herzlichen Glückwunsch, Dax! 25 Jahre sind ja eigentlich kein Alter. Aber obwohl die Geburtsstunde des deutschen Leitindex, wie er oft genannt wird, erst ein Vierteljahrhundert zurück liegt, kommt er einem doch wie ein uralter Bekannter vor. Kein Wunder, haben doch Börsen, Aktien und Kurse in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonnen, haben Begriffe wie Baisse und Hausse, wie Kursfeuerwerk und Kursrutsch Eingang in den Sprachschatz gefunden. Der Dax gilt als eine Art Fieberkurve der deutschen Wirtschaft, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Kurz: Der Dax ist mittlerweile aus dem öffentlichen Bewusstsein nicht mehr wegzudenken.

Seismograf der Konjunktur- und Markttektonik

Nun kann man fragen, was denn die IHK-Organisation mit dem Dax zu tun hat. Erst einmal ist jedes der 30 im Index erfassten Unternehmen Mitglied einer der 80 Industrie- und Handelskammern in Deutschland. Oder vielleicht auch Mitglied in einer der weltweit 120 Auslandshandelskammern und Delegationen. Für die jeweils 50 Unternehmen in S-Dax und M-Dax oder die 30 im Tec-Dax gilt das gleichermaßen. Doch auch für all jene Firmen, die das Börsengeschehen nur aus Fernsehen, Radio oder der Zeitung kennen, hat der Dax eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Denn längst ist die Zahl an der Kurstafel im Frankfurter Börsensaal zu einem wichtigen Datum für so manche Unter nehmens- und Unternehmerentscheidung geworden. Der Dax als Seismograf der Konjunktur- und Markttektonik. Das sollte man nicht unterschätzen, auch wenn wir gerade in den zurückliegenden Jahren der sich einander ablösenden Krisen gelernt haben, dass Realwirtschaft und Finanzmärkte nicht immer ein wechselseitig referenzielles System bilden.

Neben diesen eher weichen Einflussfaktoren lässt sich an anderen Zahlen ein doch recht deutlicher direkter Einfluss auf die Unternehmen hierzulande ablesen, besser gesagt auf die Unternehmensfinanzierung. Klar ist, dass das Wirtschaftswachstum der vergangenen 25 Jahre ohne die exponentielle Entwicklung des Finanzsystems und die enorme Breite seines Angebots an Finanzprodukten nicht denkbar gewesen wäre. Der Dax und mit ihm einhergehend die Bedeutungszunahme der Börsen - und Kapitalmarktfinanzierung sind Teil dieser Evolution. Die 160 Unternehmen, die im Dax und seinen drei Brüdern, M-Dax, S-Dax und Tec-Dax gelistet sind, repräsentieren sicher nur einen sehr geringen Anteil an der Gesamtzahl der Unternehmen hierzulande. Doch blickt man aus einer anderen Perspektive auf die Frage des Zusammenhangs von Dax und Unternehmensfinanzierung, nämlich aus jener des Finanzvolumens, dann dreht sich das Bild plötzlich.

Das Deutsche Aktieninstitut hat ermittelt, dass die Marktkapitalisierung der inländischen börsennotierten Unternehmen im Jahr 2010 einen Anteil von 50 Prozent an allen Finanzierungsquellen in Deutschland hatte. 15 Jahre zuvor waren es erst 25 Prozent gewesen. Der Anteil der Finanzierungsquelle Bankkredit sank im gleichen Zeitraum von 75 auf 44 Prozent. Werden die sechs Prozent Anteil der Unternehmensanleihen 2010 dazugerechnet, so lagen die Fremdkapitalfinanzierung und die Finanzierung mit Eigenkapital durch externe Dritte (nichts anderes ist ja die Aktienfinanzierung) gleichauf. Das gleiche Bild war in Frankreich zu beobachten, wenn auch mit leicht anderer Verteilung (Anleihen 16 Prozent, Bankkredite 35 Prozent, Aktien 49 Prozent). In Großbritannien hingegen schlug die Börsenfinanzierung mit 68 Prozent die beiden Fremdkapitalquellen Kredit und Anleihe mit 18 beziehungsweise 14 Prozent und damit zusammen 32 Prozent um Längen.

Zusätzlich erhellt die Entwicklung der schieren Anzahl von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien den Einfluss der modernen Börsensysteme, deren Teil der Dax ist. In Deutschland sank die Zahl dieser Kapitalgesellschaften zwischen 1960 und Mitte der 1980er Jahre von rund 2 600 auf knapp über 2 000. Ab dem Geburtsjahr des Dax 1988 steigt die Kurve wieder an und das sogar recht steil bis zum Jahr 2000, dem Scheitelpunkt des New Economy Booms. Damals zählten Börsenbeobachter über 16 000 AGs und KGaAs. Mittlerweile hat die Zahl sich wieder verringert auf zirka 12 000 Unternehmen, hält sich auf diesem Niveau aber stabil.

Verglichen mit anderen Volkswirtschaften ist Deutschland in Sachen Aktienkultur sicher noch so etwas wie ein Entwicklungsland. Zwischen Helgoland und Oberammergau, zwischen Rhein und Oder halten nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung direkt Aktien. Zusammen mit Fondsanlegern verdoppelt sich dieser Anteil zwar, er liegt aber immer noch weit abgeschlagen hinter dem der Niederlande (30 Prozent), Japans (28 Prozent), der USA (25 Prozent) oder Großbritanniens (23 Prozent).

Und auch die Affinität gegenüber den Finanzmärkten als Finanzierungsort für Unternehmen ist in der angelsächsischen beziehungsweise angelsächsisch geprägten Welt größer als im kontinentalen Europa. Aber hier verändern sich aktuell die Einstellungen. Zum einen sucht die genormte Liquidität in Europa und den USA nach Anlagemöglichkeiten, und das bei gestiegener Risikoaversion. Folglich erleben Aktientitel aus M-Dax und S-Dax momentan eine außergewöhnliche Performance. "Anleger stürzen sich auf Aktien des Mittelstands" titelte die Tageszeitung Die Welt im Februar dieses Jahres. Hinzu kommen Meldungen, dass auch die Private Equity Fonds dieses Struktursegment der deutschen Unternehmenslandschaft verstärkt in den Blick nehmen.

Alternativen zum Bankkredit

Zusätzlicher Veränderungsdruck erwächst von einer anderen Seite: Die im Ergebnis der Finanzmarkt- und Euroschuldenkrise aufgesetzten und bald angewendeten verschärften Regulierungsrahmenwerke zwingen viele Unternehmen der sogenannten Kredit nehmenden Seite, Ausschau nach Alternativen zum guten alten Bankkredit zu halten. Langfristfinanzierung wird wegen des erhöhten Risikos und der Notwendigkeit zur Fristentransformation künftig keinesfalls billiger. Auch wenn die Niedrigzinspolitik der EZB diese Unausweichlichkeit noch aufschiebt, aufheben wird sie sie nicht können.

Damit tritt neben anderen Instrumenten auch der Gang auf die Kapitalmärkte stärker in den Fokus der CFOs und Treasurer. Egal, ob als Anleihe oder als Anteilsrechte, die Finanzierungsquellen, über denen in irgendeiner Form auch immer das Türschild Dax hängt, werden an Relevanz für die Unternehmensfinanzierung gewinnen. Also braucht es keine allzu große prophetische Gabe, um vorhersagen zu können, dass die nächsten 25 Jahre sicher ebenso erfolgreich werden für den Dax wie die zurückliegenden. Alles Gute!

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