Leitartikel

Symbiotisches

Gut zwei Jahre ist es her, dass mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers der vorläufige Höhepunkt der Finanzkrise erreicht wurde. Seitdem ist vor allem auf der Regulierungsseite eine überaus hektische Betriebsamkeit an den Tag gelegt worden. Basel III, Bankenabgabe, Finanztransaktionssteuer, europäische Einlagensicherung - all das soll dafür sorgen, dass künftig die Kreditwirtschaft ihre Probleme bitte schön selber lösen kann und nicht auf den Staat als "lender of last ressort" vertrauen muss.

Durch die Finanzkrise ist deutlich geworden, "dass Wachstum in der Finanzwirtschaft nicht gleichbedeutend ist mit Mehrung volkswirtschaftlichen Wohlstands. Und es ist klar, dass sich die Finanzwirtschaft in ihren Wachstums- und Gewinnaussichten nicht ohne Inkaufnahme erheblicher Stabilitätsrisiken von der übrigen Volkswirtschaft abkoppeln kann", so formulierte es Heinrich Haasis, Präsident des DSGV auf der 56. Kreditpolitischen Tagung. So viel zur Einsicht der Branche. Gleichzeitig warnte Haasis aber ebenso wie BVR-Präsident Uwe Fröhlich und Bankenpräsident Andreas Schmitz vor den Folgen einer Überregulierung. So bedürfe es eines besonderen Grundes, die Wirtschaftsfreiheit zu reglementieren. Grundlage, so Haasis, könne und dürfe nicht das allgemeine Gefühl sein, die Finanzwirtschaft irgendwie einschränken zu müssen.

Genau dieses Gefühl ist aber da. Schließlich werden Banken derzeit von nahezu allen Beteiligten außerhalb des Kreditwesens als uneingeschränkt unanständig und unmoralisch betrachtet. Das darf ruhig so sein, weil viel zu viele von ihnen den Status sui generis, den ihnen Staat wie Markt bislang eingeräumt haben, als Freibrief definiert haben. Es ist nahezu beispiellos, mit welch einer Geschwindigkeit und mit welch einer Konsequenz die Bankenbranche ihren ehemals so guten Ruf verspielt hat. Bespitzelungen auf höchster

Ebene, schmutzige Hilfsmittel wie fragwürdige Dienstleister und vermeintliche Kinderpornografie, Unterschlagung, persönliche Bereicherung, Wortbruch - all das ist widerlich und all das passt nicht zum Bild des seriösen Unternehmensführers oder gar ehrbaren Kaufmanns. Sind Banker auch nicht mehr! Viel zu oft stehen vor allem das persönliche Erfolgs- und Gewinnstreben im Mittelpunkt der Handlungen - ähnlich wie bei Politikern oder Fussballtrainern. Was morgen aus dem Verein, der Bank, dem Unternehmen wird? Egal - das Heute zählt. Garantiert der kurzfristige Erfolg doch höchstes Ansehen und mit Sicherheit den lukrativen Anschlussvertrag woanders. Der Leidtragende ist die öffentliche Hand und damit auch der Steuerzahler, der nun für die Kosten all der Fehltritte, Fehleinschätzungen und Übertreibungen aufkommen muss. Wie Exekutive und Legislative aus großem Zorn heraus auf diese Missstände reagieren, ist dennoch leider zu oft mehr Rache als Zukunft. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass Staat und Bankenzueinander in einem viel symbiotischeren Verhältnis stehen, als dies viele sich selbst und anderen bislang zugestanden haben. Wenn nun beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Beteiligung der Banken als Gläubiger an möglichen Staatspleiten fordert, so trifft das sicherlich Volkes Wille, darf aber ob seiner Auswirkungen hinterfragt werden. Zunächst gibt es keinen Zweifel, dass Investoren für eingegangene Risiken auch selber einstehen müssen. Sollte es aber dazu kommen, dass innerhalb der europäischen Gemeinschaft und erst recht der Eurozone kein Verlass mehr auf Solidarität sein kann, hätte das Folgen. So würden anfällige Staaten wie derzeit Irland oder Portugal ob des Risikos keine Investoren mehr finden und bekämen Probleme mit der Staatsfinanzierung, da sich Banken als größte Anlegergruppe verabschieden würden. Soliden Ländern wie Deutschland dagegen würden die Papiere aus den Händen gerissen, mit unerfreulichen Auswirkungen auf Preise und Renditen. Doch wer sagt, dass die Bundesrepublik immer am guten Ende stehen wird? Und schließlich ist es mehr als zweifelhaft, dass die Bundesrepublik im ärgsten Fall allen Ernstes beispielsweise die Deutsche Bank wegen übertriebener und schiefgelaufener Investments in Irland sterben ließe. Nein, es gilt natürlich immer noch das "to big to fail". Und der Blick auf die angehäuften Staatsbeteiligungen in deutschen Banken erinnert an das Pokerspiel: Sind erstmal viel eigene Chips im Topf, wird das Aussteigen immer schwieriger. Warum also sollten Banken ihr Geschäftsgebaren ändern? Der öffentlichen Meinung wegen? Des eigenen Schuldbewusstseins wegen?

Dabei kann es natürlich nicht richtig sein, dass staatlich überlebensfähig gemachte Institute wie die Commerzbank und die Hypo Real Estate (oder Deutsche Pfandbriefbank) den anderen Instituten unbelastet von ihrer Vergangenheit feinsten Wettbewerb liefern können, ohne dafür zahlen zu müssen. "Ich bin doch nicht blöd", so lautet der Slogan des Mediamarktes. Gleiches könnte man auch aus dem Hochhaus-Turm der gelben Bank in Frankfurt hören. Dass unter dem Strich für dieses Jahr die Erzielung eines Gewinns sicherlich nicht oberste Priorität für die Führungsmannschaft um Martin Blessing hatte, war schon früh klar, schließlich wären dann die Zinsen für die nicht unerheblichen stillen Einlagen zu bedienen gewesen. Das kann man noch verstehen (vgl. auch Kreditwesen 6-2010, Gespräch des Tages). Nun nach drei Quartalen aber nach IFRS einen Gewinn, nach HGB dagegen einen Verlust auszuweisen, sich so international erholt zu präsentieren aber dennoch keine Zinsen zu zahlen (für diese ist der HGB-Abschluss maßgeblich), empfindet mancher schon als Verhöhnung, auch wenn die Rechnung sicherlich legal ist.

Der Staat als Eigentümer muss auch dies mitmachen. Das zeigt das ganze Dilemma, wenn der Schiedsrichter plötzlich bei der ein oder anderen Mannschaft mitspielt. Allerdings ist ein Ausstieg noch lange nicht zu erwarten. Die Kreditwirtschaft jedenfalls wird sich daran gewöhnen müssen, sich ebenfalls noch lange größter Aufmerksamkeit sicher zu sein. So lange, bis die Banken irgendwann mal wieder "bessere" sein werden.

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