Leitartikel

Behutsames Networking

sb - Das neuerdings mancherorts zu hörende Wort "wulffen" wird sich vermutlich nicht dauerhaft im deutschen Wortschatz etablieren. Die wochenlange Diskussion über die allzu große Nähe des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff zur Wirtschaft zeigt aber, mit welcher Skepsis solche Verbindungen hierzulande betrachtet werden. Die böse "Autolobby" hat die Politik mit zigtausenden an Arbeitsplätzen als Druckmittel seit Jahr zehnten fest im Griff. Und die "Bankenlobby" zieht dem Steuerzahler das Geld gleich mehrfach aus der Tasche, durch "Abzocke" im täglichen Geschäft und im Bunde mit der Politik bei Finanz- und Staatsschuldenkrise, so die öffentliche Wahrnehmung. Gerade wenn es um den Bereich Finanzdienstleister geht, mag deshalb kaum jemand den Begriff "Lobby" in den Mund nehmen. "Interessenvertretung" hört sich vermeintlich unverfänglicher an.

Dass die Deutsche Bank in Berlin (auf Kosten der Ausstellungshalle Deutsche Guggenheim) ein neues Forum für den Dialog zwischen Wirtschaft und Politik schaffen will, zeigt aber, wie notwendig dieses Kontakt-Halten in einem unverfänglichen Umfeld ist. Das gilt natürlich zum einen für die Unternehmen und ihre Verbände, denen daran gelegen sein muss, bei Gesetzesinitiativen ihre Vorstellungen von einem gelungenen gesetzlichen Rahmen weitestmöglich umgesetzt zu sehen. Doch auch die Politik braucht den Draht in die "reale" Welt, um die nötigen Informationen zu erhalten und keine praxisfernen Rahmenbedingungen zu schaffen. Schließlich muss sie auch die Interessen der deutschen Wirtschaft auf internationaler Ebene - etwa in der EU - vertreten. Die Beispiele des Elektronischen Lastschriftverfahrens und des Lastschriftenmandats im Sepa-Umfeld oder die Berücksichtigung der Institutssicherung in den beiden Verbünden bei den Regelungen zur europäischen Einlagensicherung zeigen, wie wichtig dieser Schulterschluss von Politik und Wirtschaft tatsächlich ist.

Die Ansätze dafür sind vielfältig. Da gibt es schriftliche Stellungnahmen zu Gesetzesvor lagen oder die Teilnahme an Anhörungen. Auch juristische Auseinandersetzungen können ein Instrument der Interessenvertretung werden. Als Beispiel sei der Rechtsstreit von Mastercard mit der EU-Kommission um die Interchange genannt, mit dem endlich klar gestellt werden soll, wie weit die Politik in die Preisgestaltung von Kartenemittenten eingreifen darf. Das Instrument der Marktforschung kann genutzt werden, um die eigene Position mit Zahlen zu untermauern. Wenn etwa der DSGV statistisch belegen lässt, wie wichtig den Deutschen die Existenz regionaler, öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute ist, dann ist das ein Fingerzeig an die Politik, in Brüssel dafür zu sorgen, dass deren Existenzfähigkeit nicht durch die Regulatorik infrage gestellt wird. All das lässt sich durch gute Öffentlichkeitsarbeit an ein breites Publikum - und damit das Wahlvolk - transpor tieren, auf das dessen Repräsentanten Rücksicht nehmen müssen.

Trotz all dieser Ansätze sind auch persönliche Kontakte für beide Seiten - die Informationssuchenden und diejenigen, die ihre Anliegen vortragen möchten - unabdingbar. Und diese müssen gepflegt werden, manchmal auch im informellen Rahmen. Wenn etwa ein Deutsche-Bank-Chef als eine Art ungewählter Sprecher der deutschen Wirtschaft gesehen wird, dann ist auch ein Abendessen im Kanzleramt mehr als eine bloße Völlerei auf Steuerzahlerkosten, obgleich sich der konkrete Nutzen des Zusammentreffens für beide Seiten nie in Euro wird ausweisen lassen. Unternehmen, die sich in der täglichen Praxis mit den regulatorischen Vorgaben auseinandersetzen müssen, wissen dies. Nicht zuletzt deshalb zahlen sie Beiträge zu mannigfachen Verbänden, die als Stimme einer ganzen Branche weitaus mehr erreichen können, als dies den Betrieben als "Einzelkämpfer" möglich wäre. In der Öffentlichkeit wird dergleichen aber häufig durch die "Neidbrille" wahrgenommen. Das tatsächlich unverzichtbare "Networking", das der Generation Facebook doch selbstverständlich sein sollte, wird deshalb immer eine Gradwanderung bleiben.

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