Leitartikel

Französische Genossen

sb - "Ein Markt - eine Bank": Um sich neben dem üblichen Wettbewerb nicht auch noch innerhalb der Familie Konkurrenz zu machen, verfolgen die deutschen Genossenschaftsbanken diesen Grundsatz mit wachsender Konsequenz - jüngstes Beispiel dafür ist einmal mehr die Frankfurter Volksbank, die durch die angekündigte Fusion mit der Volksbank Main-Taunus unter anderem Überschneidungen der Geschäftsgebiete beseitigen will. Über Staatsgrenzen hinweg gibt es solche Absprachen nicht. Sie waren bisher auch nicht nötig. Mit dem zunehmenden Interesse ausländischer Kreditinstitute am deutschen Retail-Markt und zugleich einem nie da gewesenen Angebot an Kaufobjekten hat sich diese Situation geändert. Mit der Übernahme der Citibank durch den französischen Crédit Mutuel betritt ein genossenschaftlicher Wettbewerber aus dem Ausland den deutschen Markt - und zwar bundesweit. Den genossenschaftlichen Verbund mag dies vermutlich nur mäßig zu begeistern. Man trägt es jedoch mit Fassung: Ein Wettbewerber ist ein Wettbewerber, aus welchem kreditwirtschaftlichen Lager er auch kommen mag.

Aus deutscher Sicht wird die getroffene Entscheidung vielfach als verpasste Chance zu einer Marktbereinigung gewertet. Für die Deutsche Bank ist es bereits die zweite entgangene Gelegenheit: Schon 1973 hätte sie das Vorgängerinstitut der Citibank, die damalige KKB, kaufen können. Doch damals wie heute konnten die Verantwortlichen für das Privatkundengeschäft den Konzernvorstand offenbar nicht genügend begeistern. Für die Volks- und Raiffeisenbanken muss die Entscheidung zugunsten des Crédit Mutuel nicht von Nachteil sein. Je nachdem, wie engagiert sich die Franzosen dem deutschen Markt nähern, wäre die Übernahme durch eine deutsche Großbank mit einer anschließenden Bündelung der Retail-Aktivitäten für die regionalen Institute vielleicht deutlich stärker zu spüren gewesen. Möglich also, dass der eine oder andere Volksbanker den Verkauf an den Crédit Mutuel sogar mit einer gewissen Erleichterung aufgenommen hat. Vielleicht lässt sich dem Markteintritt der Franzosen auf längere Sicht sogar etwas Positives abgewinnen. Dass das Ratenkreditgeschäft der Citibank unter der Ägide der Franzosen in einen reinen Vertrieb des Easy Credit (mit Rücksicht auf die Volks- und Raiffeisenbanken tunlichst im White-Label-Ansatz) umgewandelt wird und dem Verbund somit ein hübscher Zusatzertrag zufließt, wäre vermutlich etwas sehr optimistisch gedacht. Dass sich mit der Zeit in marktfernen Bereichen eine Kooperation realisieren lässt oder die heutige Citibank etwa bei der Bargeldversorgung vom Cash-Pool zu den VR-Banken wechselt, wäre immerhin nicht völlig undenkbar.

Auch ohne solche Annäherungen gilt: Ganz neu ist die Konfrontation mit einem Wettbewerber aus dem französischen Genossenschaftslager für die deutschen Institute nicht. Mit der Stuttgarter Creditplus-Bank ist hierzulande eine "Enkelin" des Crédit Agricole aktiv, die als Spezialinstitut für die Volks- und Raiffeisenbanken freilich nur im Geschäftsfeld Ratenkredit zu spüren ist - und Vertriebspartner unter anderem im öffentlich-rechtlichen Lager hat. Für die Neuerwerbung des Crédit Mutuel heißt die Präsenz von Creditplus jedoch: Zumindest im Kerngeschäft der heutigen Citibank machen sich die französischen Genossen hierzulande künftig auch gegenseitig Konkurrenz.

Eindeutig zufrieden mit dem Verkauf an den Crédit Mutuel dürfte man im Talanx-Konzern sein: Während beim Postbank-Verkauf die Gefahr droht, dass die erst vor kurzem um 15 Jahre verlängerte Vertriebsvereinbarung mit der PB Leben mit bestehenden Aktivitäten des Investors in Konflikt gerät, ist diese Gefahr für die mit der Citibank kooperierende CiV jetzt vom Tisch, da der Crédit Mutuel keine entsprechenden Verbindungen mitbringt. Das bis 2026 laufende Abkommen mit der CiV wird also nur in der Frage der Marke tangiert. Bei Bankassurance-Aktivitäten unterhält Talanx für jeden Partner eine eigene Gesellschaft, die sich aus Vertriebsgründen vom Namen her an den Partner anlehnt. Gemäß dieser Strategie steht für die CiV wohl in absehbarer Zeit ein Namenswechsel an.

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