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ING-Diba - Zu früh gefreut?

Gewohnt angriffslustig hat Rolf Gerlach anlässlich der Jahresberichterstattung des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe (SWL) das Ende der Direktbanken ausgerufen. Das Internet als komfortabler Vertriebskanal, so der Verbandspräsident, sei längst kein Alleinstellungsmerkmal der Distanzbanken mehr - so nennt er die lästigen Konkurrenten wie die ING-Diba gerne. Sowohl in der Breite des diesbezüglichen Leistungsangebotes als auch in der Technologie sieht er die Sparkassen mittlerweile auf Augenhöhe.

Nach aktuellem Stand hat sich der SWL möglicherweise zu früh gefreut. Denn zumindest für das Berichtsjahr 2009 konnte die ING-Diba mit Zahlen kontern. Um 17 Prozent oder 10,9 Milliarden Euro auf 75,3 Milliarden Euro hat demnach der hiesige Direktbankableger der niederländischen ING-Gruppe das Volumen der Kundeneinlagen gesteigert. Inwiefern das dazu gereicht hat, als "größte Sparbank in Deutschland" vor die Postbank zu rücken, wie der Vorstandsvorsitzende Ben Tellings stolz betonte, wird man auf die genaue Abgrenzung der einbezogenen Positionen hin prüfen müssen. Denn die Postbank selbst beziffert ihre Kundeneinlagen per Ende 2009 auf gut 111 Milliarden Euro.

Im Vergleich der Zuwächse mussten sich die Frankfurter aber nicht auf Westfalen-Lippe beschränken, sondern konnten es gleich mit der gesamten S-Gruppe aufnehmen. Den Zahlen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes nach sind die Kundeneinlagen aller deutschen Sparkassen 2009 in Summe um 9,6 Milliarden Euro gestiegen. Und dabei resultierte der Zuwachs ausschließlich aus Zuflüssen aus dem Unternehmenssektor. Zumindest diese Dimensionen des Marktwachstums hat die ING-Diba zurechtgerückt, auch wenn der Bestand der Kundeneinlagen der Sparkassen mit 751,9 Milliarden Euro immer noch das Zehnfache beträgt.

Selbst mit dem im Vergleich zu früheren Zeiten bescheiden klingenden Zinssatz von 1,5 Prozent auf ihr Extra-Konto ist es der Frankfurter Direktbank gelungen, in diesem Segment noch neue Kunden anzulocken. Doch der seit dem zweiten Quartal 2009 über dem EZB Leitzins liegende Basiszins zeigt auch sichtbare Belastungen für die Ertragsrechnung. Trotz großer Flexibilität bei der Gestaltung der Marketingaufwendungen (minus 35 Millionen Euro auf rund 63 Millionen Euro) und einer Senkung der Verwaltungsaufwendungen um zehn Prozent auf 503 Millionen Euro hat das Ergebnis vor Steuern gelitten. 277 Millionen Euro bedeuten einen Rückgang um ein Drittel. Konditionenwettbewerb belastet eben auch die Direktbanken. Mo.

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