Leitartikel

Woher soll es kommen?

sb - "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert", heißt es im Volksmund. Was im privaten Leben manchmal durchaus seine Berechtigung haben kann, gilt aber bekanntlich noch lange nicht fürs Geschäft. Eher das Gegenteil ist der Fall. Ist man hier erst einmal ins helle Licht der öffentlichen Aufmerksam geraten, wird die nicht mehr ganz weiße Weste umso intensiver nach weiteren Schmutzflecken abgesucht. Dies hat die Finanzdienstleistungsbranche nur zu schmerzhaft erfahren müssen. Und wer intensiv genug sucht, der findet so mancherlei (oder glaubt, etwas zu finden) - sei es nun bei Defiziten in der Beratung, beim Datenschutz oder der Konditionengestaltung. Nicht alles, was öffentlichkeitswirksam beanstandet wird, geht wirklich dermaßen zulasten des Kunden, wie es auf den ersten Blick scheint. Das hat das jüngste BGH-Urteil zu den Abschlussgebühren der Bausparkassen gezeigt. Doch selbst dort, wo (wie in diesem Fall) die Anbieter Recht bekommen, bleibt in aller Regel ein ungutes Gefühl zurück.

Hinzu kommt: Das Image der Kreditwirtschaft war seit jeher ein schlechtes. Bereits in der Antike galten Geldverleiher, ebenso wie Händler, als wenig respektabel, da man das Empfinden hatte, hier würde ohne Arbeit verdient. Im Mittelalter waren es die Juden, denen man die Ausübung eines "ehrbaren Handwerks" verweigerte und sie so in Handel und Geldverleih drängte, denen man aber gleichzeitig die so erzielten Einnahmen neidete. Diese skeptische Grundhaltung gegenüber Finanzdienstleistungen hat sich die Menschheit offenbar bis heute bewahrt, wobei sich die Kreditwirtschaft sogar noch negativ vom Handel abgekoppelt hat. Denn während man letzterem bei aller Suche nach dem günstigsten Schnäppchen immer noch eine gewisse Marge zubilligt, werden Finanzdienstleistungen zunehmend zum Selbstkostenpreis, wenn nicht gar gratis erwartet.

Beispiele gibt es genug: im Mittelstandsgeschäft die politische Empörung über die Kreditkonditionen für bonitätsschwache Unternehmen; im Privatkundengeschäft die Bargeldverfügungen an den Automaten fremder Kreditinstitute oder die Erregung der Stiftung Warentest (und darauf folgend auch von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner) darüber, dass die Konditionen für Dispositionskredite so deutlich über den Refinanzierungssätzen liegen. Mit Gleichmut registriert die Öffentlichkeit am ehesten Erträge aus dem Investmentbanking, so es denn gut läuft - eben in dem Geschäftsfeld, das in jüngster Zeit die größte Volatilität aufwies und das also nur sehr bedingt als Basis einer stabilen Kreditwirtschaft herhalten kann, die selbstredend jedermann fordert. Fallen größere Verluste an, ist man freilich auch hier schnell mit Schelte über die "Zocker-Mentalität" der Branche bei der Hand. Mit den immensen Boni, die schnell zum Stammtisch-Thema wurden, haben viele Banken dieser Kritik selbst neue Nahrung gegeben.

Dass Verbraucherschützer es für den privaten Kunden stets so günstig haben möchten wie möglich, ist keine Frage; dass die breite Öffentlichkeit entsprechende Initiativen ger ne aufgreift nicht weniger. Die Politik freilich steht in größerer Verantwortung. Und hier drängt sich der Eindruck auf, dass die eine Hand nicht recht weiß, was die andere tut. Aktionismus gibt es auf breiter Front. Es kann aber nicht sein, dass man sich einerseits bemüht, mit immer neuen Auflagen (und Abgaben! ) größtmögliche Stabilität der Finanzbranche zu erreichen und deren Kunden zu schützen, andererseits aber immer dann, wenn die Konditionenfrage aufs Tapet kommt, auf die "Geiz-ist-geil-Welle" aufspringt. Wer die Zocker-Mentalität der Kreditwirtschaft rügt, der muss ihr auch stabile Erträge aus dem alltäglichen Kundengeschäft zubilligen, statt ständig nur "zu teuer" und "unmoralisch" zu rufen. Beratungshonorare, das neue Lieblingskind der Verbraucherschützer, können sicher nicht das Allheilmittel sein.

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