bank und markt aktuell

Leserbrief - Zweifelhafte Qualität von Auskunfteidaten - eine Replik auf Rainer Neumann

Von Dieter Korczak - Die GP Forschungsgruppe hat im Sommer 2009 eine Untersuchung vorgelegt, die sich mit der Qualität der bei Auskunfteien gespeicherten Daten von Konsumenten befasst. In dieser Untersuchung werden von 100 Testpersonen Selbst- beziehungsweise Eigenauskünfte bei den Auskunfteien Schufa, Creditreform, Arvato-Infoscore und Bürgel eingeholt. Die Ergebnisse zeigen, dass die bei den vier Auskunfteien gespeicherten Daten in unterschiedlichem Ausmaß unvollständig, fehlerhaft oder falsch sind. Ihr Nutzen für die Bonitätsbeurteilung wird daher in Zweifel gezogen.

Es ist nicht überraschend, dass der Vorsitzende des Vorstands der Schufa Holding AG, Rainer Neumann, im Heft 9 von bank und markt zu einem Rundumschlag gegen die Studie "Verbraucherinformation Scoring" ausholt. Er ist der Auffassung, dass damit "bewährte Systeme ohne Grund in Frage gestellt" werden. Zum Beleg führt er unter anderem an, dass die Verfasser vor Beginn der Studie keinen Kontakt zu den Auskunfteien aufgenommen haben und die Testpersonen ihre Eigenauskünfte falsch interpretiert haben könnten. Hierzu ist anzumerken, dass bei allen gespeicherten Angaben die Speicherfristen bei der Beurteilung, ob es sich um einen veralteten oder falschen Eintrag handelt, berücksichtigt wurden. Falsche Interpretationen sind daher aus methodischen Gründen nicht möglich.

Welchen Informationswert hat der Basisscorewert?

Generell stempelt Herr Neumann die Ergebnisse der Studie als "fragwürdige Zahlen" ab. Leider geht er in keiner Weise auf die von den Autoren aufgeworfenen Fragen ein. Eine ist beispielsweise, welchen Informationswert der Basisscorewert der Schufa für die Konsumenten hat. Herr Neumann behauptet, dass "die vorhergesagten Ausfallwahrscheinlichkeiten nahezu perfekt eintreffen". Ist damit eine Fehlerquote von zwei, zehn oder gar 20 Prozent gemeint? Es wäre überzeugender gewesen, wenn eine wissenschaftliche Untersuchung vorgelegt worden wäre, die in einem Vorher-Nachher-Szenario zeigt, wie viel Prozent der im Schufa Schulden-Kompass dokumentierten 2,5 Prozent Kreditausfälle tatsächlich vorab als hoch risikoreich eingestuft wurden.

Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch eine Stellungnahme, ab welchem Wert ein Basisscore als hoch risikoreich zu gelten hat: Gilt das bereits ab 90 oder erst unterhalb von 75? Es mutet seltsam an, wenn die Zahlen der Studie, deren Zustandekommen methodisch transparent beschrieben werden, als "fragwürdig" abgestempelt werden, obwohl in keiner Weise offengelegt wird, wie die Basisscores zustande kommen und was sie für die Bonitätseinschätzung bedeuten.

Keine Meldepflicht für Hypotheken

Es ist richtig, dass die Autoren vor Beginn der Studie keinen Kontakt zu Auskunfteien aufgenommen haben. Was hätte das an der empirisch ermittelten Fehlerquote geändert? Was hätten die Autoren zusätzlich zu den veröffentlichten Informationen erfahren können? Ihnen wäre dann nach Neumanns Ansicht nicht entgangen, dass für Hypotheken keine Meldepflicht besteht. Laut Schufa-Eigenauskunft sind bei 20 Prozent der Testpersonen grundpfandrechtlich gesicherte Immobilienkredite gespeichert. Bei weiteren fünf Prozent sind existierende Immobilienkredite nicht gespeichert. Die Studie macht der Schufa daraus keinen Vorwurf, aber eine Grundvoraussetzung für die Bonitätsbeurteilung von Verbrauchern und für die Qualität von Scoringverfahren ist die Vollständigkeit und Richtigkeit aller gespeicherten Daten.

Es wäre den Autoren weiterhin mitgeteilt worden, dass im Schufa-System eine Rückzahlungswahrscheinlichkeit von 100 Prozent nicht vorgesehen ist. Warum nicht? Die Basisscores sind Individualscores. Laut Schulden-Kompass der Schufa fallen nur zwei bis drei Prozent der Kreditnehmer aus. Die weit überwiegende Masse hat also eine hundertprozentige Rückzahlungswahrscheinlichkeit. Das berücksichtigt aber das von der Schufa verwendete Score-Berechnungsverfahren nicht. Der "beste" Basisscorewert der 100 Testpersonen beträgt 99,70.

Aus einem weiteren Grund geht der Vorwurf, dass die Autoren sich nicht bei den Auskunfteien informiert haben, ins Leere. Die GP Forschungsgruppe hat sich bereits früher intensiv mit den Positionen von Schufa, Creditreform und Arvato-Infoscore vertraut gemacht. Dies ist nachzulesen in den Studien "Verantwortungsvolle Kreditvergabe" (2005) und "Scoring im Praxistest" (2008).

Das angeblich bewährte System ist unserer Ansicht nach aufgrund der Unvollständigkeiten und Fehleranfälligkeit in der vorhandenen Form in Frage zu stellen. Es wäre wünschenswert, dass sich die Auskunfteien einer sachlichen Diskussion hinsichtlich der Verbesserung dieses Systems stellen.

Dieter Korczak ist Geschäftsführer der GP Forschungsgruppe, München

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