Kundenbindung

Mehrwertprogramme - nicht jede Leistung ist im Paket sinnvoll

Während die Wirtschafts- und Finanzkrise derzeit branchenübergreifend Verunsicherung und Ratlosigkeit auslöst, gibt es eine Gruppe, die vom tiefgreifenden Struktur wandel im Bankensektor profitiert: die Sparkassen. Galten sie seit dem Aufkommen von Online- und Direktbanken Mitte der neunziger Jahre bei manchen als behäbig und als Bankenmodell überholt, zeigt sich jetzt die Stärke der öffentlichrechtlichen Institute. Denn sie sehen das Bankgeschäft mit Privat- und Firmenkunden schon von jeher als ihr Kerngeschäftsfeld an. Und sie stehen mit Qualität, Beratung und regionaler Nähe für Werte, die bei Kunden wieder gefragt sind.

Das belegt auch die Studie der GfK-Marktforschung vom Oktober 2008. Danach zieht es wechselwillige Kunden in Zeiten der Krise vor allem zurück zu den Sparkassen. 69 Prozent aller Befragten halten die bei den Sparkassen deponierten Gelder für sehr sicher angelegt. Bei den Sparkassenkunden selbst beträgt dieser Wert sogar 76 Prozent. Den Direktbanken wie der ING-Diba oder der Comdirect-Bank vertrauen dagegen nur noch 36 beziehungsweise 28 Prozent der Befragten völlig.

Für die regionalen Institute bedeutet dies nicht nur einen Imagegewinn, sondern es schlägt sich auch in Kundenzuwachs und steigenden Einlagen nieder. Die Hambur ger Sparkasse (Haspa) verzeichnete zum Beispiel 2008 einen Zuwachs der Kundeneinlagen um zwölf Prozent auf über 25 Milliarden Euro. Auch die Zahl der Girokonten hat sich bei der Sparkasse im vergangenen Jahr um über 80 000 deutlich erhöht.

Jetzt gilt es, diesen Vertrauensvorschuss gewinnbringend anzulegen und die Kunden, die neuen wie die alten, dauerhaft zu halten. Die Sparkassen sollten dazu all ihre Vorzüge gezielt ausspielen. Dazu gehört jedoch mehr als nur auf die klassischen Argumente wie das engmaschige Filialnetz und die persönliche Beratung zu setzen. Wer Kunden über die Krise hinaus halten will, muss sie emotional und rational stärker an das Unternehmen binden und auch langfristig echte Mehrwerte bieten.

Ankerprodukt Girokonto aufwerten

Für die Sparkassen kann sich das doppelt lohnen. Sie können die neu gewonnenen Kunden und Gelder auch mittel- und langfristig an das Haus binden, um Marktanteile zu sichern. Und mit intelligenten Ansätzen wie Mehrwertkonto-Modellen können sie sich auch im nächsten Aufschwung der wiederkehrenden Kostendiskussion entziehen, indem sie schon jetzt ein auf Qualität ausgerichtetes Ertragsmodell bei den Kunden durchsetzen.

Die Haspa ist diesen Schritt bereits Ende der neunziger Jahre gegangen, als der Markt für Girokonten durch die aufkommenden Direktbanken erstmals in Bewegung geriet. Gemeinsam mit der Affinion International stellte sich die Sparkasse der Herausforderung von Billiganbietern und Null-Euro-Konten. Die Unternehmen entwickelten ein umfassendes strategisches Konzept, das als Beispiel für erfolgreiche Kundenbindung und als stabile Ertragsquelle im Preiswettbewerb der Banken deutschlandweit Schule gemacht hat und auch für die aktuelle Herausforderung ein Vorbild sein kann: die Haspa-Joker-Konten.

Beim Haspa-Joker-Programm handelt es sich um die deutschlandweit ersten Girokonten, in denen klassische Bankleistungen mit ausgewählten Mehrwerten zu attraktiven - und rentablen - Paketen ver bunden werden. Aktuell offeriert die Haspa mit den Basis-, Silber- und Gold-Paketen drei Joker-Varianten für alle Kunden und mit den Paketen Intro und Unicus spezielle Pakete für jüngere Zielgruppen.

Die Pakete bieten neben einer Flatrate für Kernleistungen wie Kontoführung, Überweisungen und Onlinebanking auch Zahlungs- und Kreditkarten sowie banknahe Schutz- und Versicherungsleistungen wie Reisekranken-, Unfall- und Handydiebstahlversicherung, die internationale Notfallversorgung mit Bargeld und einen Schlüssel- und Gepäck-Fundservice. Darüber hinaus enthalten sie attraktive Zusatzleistungen wie Preisvergünstigungen bei regionalen Partnern wie Kinos, Tiergärten oder Autowaschanlagen, exklusive Kartenkontingente für Konzerte, Rückvergütungen bei der Reisebuchung bis hin zum Concierge-Service mit Rund-um- die-Uhr-Unterstützung in allen Lebenslagen.

Höhere Erträge, niedrigere Fluktuation

Das Haspa-Joker-Programm wirkt dreifach positiv für die Bank und den Kunden. Erstens emotionalisiert es das Produkt Girokonto, indem es aus einem weitgehend als austauschbar erlebten Basiskonto ein attraktives Paket schnürt, das der Kunde in seinem Alltag gerne und häufig nutzt und als positiven Mehrwert erlebt. Davon profitiert auch das Kreditinstitut, das von einem austauschbaren Abwickler von Verwaltungsakten wie dem Zahlungsverkehr zu einem Partner im Leben der Kunden wird. Aus der Kundenbindung wird so eine echte Verbindung zum Kunden, die die Kernwerte der Haspa reflektiert: Nähe, Menschlichkeit und die regionale Verbundenheit mit Hamburg (siehe Abbildung 1).

Zweitens steigt mit der richtigen Auswahl und Zusammenstellung von Kernleistungen und Mehrwerten auch die Zahlungsbereitschaft beim Kunden. Denn während das reine Girokonto am Markt zunehmend umsonst angeboten und damit als wertlose Leistung positioniert wird, löst die Verbindung mit attraktiven Mehr werten beim Kunden eine höhere Preisbereitschaft aus.

Damit können Girokonten als Ertragsquelle nicht nur erhalten, sondern noch gestärkt werden, indem sogar höhere monatliche Kosten im Markt durchsetzbar sind.

Dies geschieht auch zum Vorteil des Kunden. Denn durch den Zugang zu exklusiven Leistungen, Vergünstigungen bei häufig genutzten Freizeit- und Dienstleistungsangeboten und der Flatrate für Bankleistungen selbst, lohnt sich das Konto nicht nur für den Kunden, der das Besondere mit dem Komfort des Kontos verbindet, sondern auch für Preisfüchse, die mit spitzem Bleistift rechnen.

Mehrwertkonto steigert Kontakthäufigkeit

Drittens steigert das Mehrwertkonto auch die Kontakthäufigkeit und damit die Chance auf Cross-Selling für die Sparkasse. Über etablierte Kanäle wie etwa das Haspa-Kundenmagazin, die Haspa-Joker-Webseiten und weitere, auch neue Kanäle wie SMS-Informationen sind die Kunden nicht nur besser erreichbar, sondern insgesamt auch viel offener für weitergehende Beratungs- und Produktangebote ihrer Bank.

Messbare Ergebnisse belegen, dass ver schiedene Affinion-Partner die Kundenabwanderung durch Mehrwertprogramme um durchschnittlich 48 Prozent, im Einzelnen sogar um bis zu 75 Prozent reduzierten. Überdies steigern Mehrwertkonten die Kundenzufriedenheit. Bankkunden, die über ein Mehrwertkonto verfügen, sind durchschnittlich um 38 Prozentpunkte zufriedener als Inhaber von Standardkonten. Untersuchungen bei einer weiteren Affinion-Partnerbank zeigen: Die Kontakthäufigkeit zu Kunden mit Mehrwertkonto liegt bis zu 82 Prozent über dem Durchschnitt normaler Kunden, die Cross-Selling-Quote liegt bis zu 83 Prozent höher. Banken, die Mehrwertkonten anbieten, sind somit sehr viel näher am Kunden als ihre Konkurrenz (siehe Abbildung 2).

Mehr als Bonuspunkte und Bundling-Konzepte

Schon bei der Einführung der Joker-Konten im April 1999 überzeugte das Joker-Konzept im Markt. Bis heute haben sich mehr als 505 000 Haspa-Kunden für ein Joker-Konto entschieden. Das entspricht einer Quote von etwa 60 Prozent aller privaten Girokonten des Instituts. Über die kostenfreien Vergünstigungen für Ehe- und Lebenspartner nutzen sogar rund 700 000 Menschen das Vorteilskonto der Haspa. Dass das Modell langfristig trägt, zeigt die Nutzungsstatistik auch im Vorjahr des zehnjährigen Joker-Jubiläums. So stieg 2008 die Nutzung aller Joker-Vorteile durch die Bestandskunden noch einmal um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die über Partner angebotenen Vergünstigungen und Services wurden 2008 sogar um 20 Prozent häufiger in Anspruch genommen.

Der Erfolg des Haspa-Joker-Programms und von vergleichbaren Mehrwert-Kontomodellen hängt wesentlich von der intelligenten Auswahl und Zusammenstellung der Mehrwerte ab. Deutlich abzugrenzen ist dieser qualitätsorientierte Ansatz auf jeden Fall von den herkömmlichen Bonusprogrammen im Markt.

Die Erfahrung mit Rabattmarken oder Punktesammelsystemen wie zum Beispiel Payback oder dem Happy-Digits-Programm zeigt schon bei den Teilnehmern aus dem Kaufhaus- oder Telekommunikationssegment deutliche Probleme in der Schaffung von Loyalität oder Bindung zum Kunden. Denn regelmäßig ist der Zeitraum zwischen dem Sammeln von Punkten und dem späteren Einlösen relativ lang. Somit stellt sich häufig das gewünschte positive Erlebnis bei der Nutzung dieser Programme nicht ein. Das spätere Einlösen gegen Wunschleistungen wird oft nicht mehr mit dem Anbieter in Verbindung gebracht.

Zudem werden die Waren und Leistungen solcher Programme häufig von Kunden als austauschbar erlebt. Typischen Bonusgeschenken wie Toaster oder T-Shirts haftet damit das gleiche Problem an, mit dem ein klassisches Girokonto bereits selbst zu kämpfen hat. Es ist wenig spezifisch, selten qualitativ hochwertig und damit kaum geeignet, eine positive oder exklusive Verbindung zur Sparkasse herzustellen.

Einzig das sehr erfolgreiche Miles-and-More-Programm der Lufthansa hat sich am Markt durchsetzen können. Der Grund dafür liegt jedoch nicht in der Fülle der Gegenstände, die für Bonusmeilen eingetauscht werden können, sondern im exklusiven Zugang zu Kernleistungen der Lufthansa wie den Flughafen-Lounges und einer bevorzugten Platzvergabe an Vielflieger.

Emotionaler Aspekt der Kundenbindung oft außer Acht gelassen

Auch die im Bankenbereich noch üblichen Bundling-Konzepte unterscheiden sich von den Mehrwertkonten dadurch, dass häufig nur die Kombination von begehrten mit weniger attraktiven Bankleistungen im Rahmen einer Kostenflatrate gemeint ist. Dies mag sich für die anbietenden Institute zwar kurzfristig rechnen, lässt aber den emotionalen Aspekt der Kundenbindung außer Acht. Gerade die Kombination von Bankleistungen mit geldwerten Vorteilen und die Integration einer relevanten Erlebniswelt für den Kunden macht die Attraktivität der Mehrwertprogramme für die Nutzer aus.

Oberstes Gebot bei der Auswahl und Zusammenstellung der Mehrwertleistungen ist eine strenge Prüfung von Qualität und Verfügbarkeit des Angebots. Dabei gilt, dass jede Zusatzleistung der Qualität der Kernleistung zumindest entsprechen muss. Denn durch die enge Verbindung der Mehrwerte mit der Kernleistung können die Zusatzleistungen dem eigenen Image nicht nur nützen, sondern auch schaden.

Professionelle Abwicklung der Leistungen

So sollten zum Beispiel Unfallversicherungen, die im Paket mit dem Girokonto angeboten werden, nicht nur Bagatellsummen bieten und Zusatzleistungen wie Reisekrankenversicherungen dürfen nicht durch zahlreiche Ausnahmen, Einschränkungen oder Sonderregelungen im Alltag kaum nutzbar sein. Fühlt der Kunde sich nicht ernst genommen oder sogar über den Tisch gezogen, wird das weder der Kundenbindung noch dem Image des Anbieters langfristig nutzen. Fairness und Qualität sollten hier ebenso selbstverständlich sein wie bei den Bankgeschäften selbst.

Ebenfalls wichtig ist die professionelle Abwicklung aller Leistungen. Ausreichende Kapazitäten in den Servicecentern, kurze oder keine Wartezeiten am Telefon sowie gut geschultes und freundliches Personal stehen in der laufenden Umsetzung für die Qualität der Bank.

Dem öffentlichen Start der erfolgreichen Haspa-Joker-Programme ging 1998 eine rund einjährige Konzeptions- und Planungsphase voraus. In deren Verlauf wurden mittels umfangreicher qualitativer und quantitativer Marktforschung unter potenziellen und Bestandskunden der Haspa die Leistungsgruppen und Einzelservices identifiziert, die für Bankkunden attraktiv und relevant sind. Im Ergeb-nis wurden zunächst vier Joker-Pakete sowie die möglichen Preisober- und -untergrenzen definiert, die am Markt und bei den Kunden optimal durchsetzbar wären.

Kostenersparnis oder Sicherheitsthemen sind relevant

Die Erfahrung mit Mehrwertkonten hat mittlerweile gezeigt, dass nicht jede auch hochwertige - Leistung im Paket mit Girokonten sinnvoll ist. Um langfristig auf die Beziehung zwischen Bank und Kunde einzuzahlen, sollten die Mehrwerte wirklich relevant sein, also entweder eine Kostenersparnis bieten, das Thema Sicherheit bedienen oder dem Kunden Zeit und Aufwand ersparen.

Das Beispiel der Haspa-Joker-Konten zeigt, dass ein intelligent aufgesetztes Mehrwertkonzept die Kundenbasis der Bank langfristig bindet. Dabei handelt es sich hier um mehr als nur eine klassische Kundenbindungsmaßnahme. Die Haspa-Joker-Konten führen zu einer grundlegenden Umstrukturierung der Kundenbeziehungen. Diese muss professionell vorbereitet, bei der Einführung intern und extern gezielt beworben, konzeptionell weiterentwickelt und auch langfristig durch Werbung und Marketing gepflegt werden.

Erweiterung auf neue Zielgruppen

Sinnvoll ist zum Beispiel die Erweiterung der Mehrwertkonten auf mögliche neue Zielgruppen, wie sie die Haspa für Jugendliche und Studenten vorgenommen hat. Mit den richtigen Paketlösungen können auch zukünftige Kundengruppen schon früh an das Institut gebunden und mit der Weiterentwicklung in Beruf und Privatleben in die ertragreichen Kern-Kontogruppen überführt werden. 2007 hat die Haspa das Mehrwertkonto-Konzept mit dem sogenannten Haspa Mäuse-Konto sogar auf die Jüngsten ausgedehnt.

Ebenfalls wichtig ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der eigentlichen Mehrwerte innerhalb der Pakete. So werden manche Leistungen wie die Wiederbeschaffung verloren gegangener Flugtickets durch die zunehmende Umstellung auf papierlose Buchungen von der technischen Entwicklung langsam obsolet. Gleichzeitig bietet zum Beispiel der Wandel im Einkaufs- und Zahlungsverkehr wie Online-Shopping eine Fülle neuer und relevanter Möglichkeiten, Kunden attraktive neue Mehrwerte rund um Sicherheit und Bequemlichkeit anzubieten.

Sparkassen, die vom krisenbedingten Zustrom an Kunden und Geldern nicht nur kurzfristig profitieren wollen, sollten jetzt aktiv werden. Wer dem Beispiel der Haspa folgt und schon in der Krise dauerhafte Beziehungen mit Mehrwert aufbaut, kann im wirtschaftlichen Aufschwung doppelt profitieren: mit treuen Kunden und einem solideren Geschäftsmodell.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X