Mittelstandsgeschäft

Öffentliche Förderung für den Mittelstand: Konkurrenz oder Ergänzung?

Die Förderlandschaft Deutschlands hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Wo Förderung früher die Vergabe von Zuschüssen über viele unterschiedliche Quellen bedeutete, bündeln heute schlanke Finanzinstitute die knappen öffentlichen Fördermittel der Länder und kombinieren sie mit innovativen Finanzierungskomponenten.

Dabei agieren sie an der sensiblen Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Finanzmärkten. Sie sind Mittler und Mitgestalter im Gefüge aus wirtschaftspolitischen Zielen, unternehmerischen Entscheidungen und kreditwirtschaftlichen Instrumenten als Partner für Wirtschaft und Finanzinstitute.

Stabile Basis der Förderbanken sind die Haftungsinstrumente Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, die sie im Rahmen der sogenannten Verständigung II zwischen der EU-Kommission und der Bundesrepublik Deutschland auch nach dem 18. Juli 2005 behalten haben. Im Falle der NRW-Bank, Förderbank des Landes Nord-rhein-Westfalen, haben die Eigentümer das Land Nordrhein-Westfalen (64,74 Prozent) sowie die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen Lippe (je 17,63 Prozent) - zudem eine explizite Refinanzierungsgarantie gegeben.

Diese Haftungsinstrumente können die Förderbanken für ihre gesetzlich festgelegten Förderaufgaben nutzen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Vorteile, die sich durch diese Haftungsinstrumente auf der Refinanzierungsseite ergeben, im Rahmen der EU-konformen und vom Landesgesetzgeber gewollten Fördermaßnahmen eingesetzt werden. Die erwirtschafteten Erträge bieten als "Förderdividende" neue Spielräume im Ausbau des Förderinstrumentariums und können die öffentlichen Haushalte weiter entlasten. Diesen Förderansatz verkörpert die NRW-Bank. Sie hat - wie alle deutschen Förderbanken - eine klare ordnungspolitische Ergänzungsfunktion und steht unter dem Primat der Politik. Sie hat eine Vollbank lizenz und vertreibt ihre Produkte für Mittelstand und Existenzgründer im komplementären und subsidiären Miteinander mit den Geschäftsbanken (Hausbankenverfahren). Bei ihrer Errichtung im Jahr 2002 wurde die Bank als umfassendes Kompetenzzentrum in Sachen Förderung aufgestellt: Sie ist zuständig für die Exis tenzgründungs- und Mittelstandsförderung, die Kommunal- und Infrastrukturfinanzierung, die soziale Wohnraumförderung und die Individualförderung.

Produktpalette um Eigenkapitalprodukte erweitert

Die NRW-Bank nutzt ihr Finanz-Know-how dazu, die förderpolitischen Ziele des Landes in kreditwirtschaftliche Instrumente zu gießen. Fördermittel können mit innovativen Finanzierungsinstrumenten kombiniert werden - mit dem Ziel, die breite Palette der regionalen, nationalen und internationalen Förderprogramme optimal auszuschöpfen und zu kombinieren. Die NRW-Bank hat insbesondere bei der Wirtschaftsförderung darauf geachtet, die Produktpalette um Eigenkapitalprodukte zu erweitern.

Das Hausbankenverfahren ist dabei die Formwerdung des partnerschaftlichen Miteinanders der Förderbanken mit der Kreditwirtschaft. Dieses Miteinander erstreckt sich auch auf die Risikoteilung. Auf Wunsch der Hausbanken geht die NRW-Bank zum Beispiel mit den Banken und Sparkassen eine Risikoteilung ein, um insbesondere bei Gründungen mehr Kapital in Nordrhein-Westfalen bereitzustellen.

Denn: An fehlendem Geld darf eine Erfolg versprechende Gründung nicht scheitern - das ist der Anspruch der NRW-Bank. Gerade im Bereich innovativer technologischer Gründungen sind aber die Risiken und der Eigenkapitalbedarf gleichermaßen hoch. Risiken teilen, lautet deshalb eine Devise der Bank - und sie tut dies im Bereich der Eigenkapitalfinanzierung mit dem NRW-Bank-Seed-Fonds. Über eine deutschlandweit einmalige Dachfonds-Struktur stellt er jungen nordrhein-westfälischen Technologie-Unternehmern Eigenkapital zur Verfügung - mit einem Gesamtvolumen von rund 30 Millionen Euro.

Förderinstrumente mit Haftungsfreistellung der Hausbank

Gemeinsam mit Banken und Sparkassen vor Ort sowie mit privaten Kapitalgebern wird in Regionen investiert, die bereits technologische Stärken aufweisen. Angesprochen sind Firmen der Zukunftssparten Life Science, Informations-, Telekommunikations- und Kommunikationstechnologien sowie Werkstoffe und Verkehrssysteme.

Sechs solcher regionaler Fonds sind unter dem Dach des Seed-Fonds bereits entstanden. Die beteiligten Partner teilen sich dabei die Risiken - und bringen ihre regionale Kompetenz mit. Regionale Seed-Fonds bestehen bereits in den Regionen Aachen, Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Emscher-Lippe und Köln-Bonn. Weitere Fonds sind in Planung.

Auch für die Wachstumsphase im Unternehmenszyklus hält die NRW-Bank die passenden Förderinstrumente bereit. Benötigt beispielsweise ein Mittelständler Wachstumskapital, bietet ihm die NRW-Bank in Kooperation mit der Bürgerschaftsbank NRW den besonders zinsgünstigen Mittelstandskredit an, bei denen die Hausbank zu großen Teilen von der Haftung freigestellt wird. Bei Bedarf kann dieses Programm um Eigenkapitalfinanzierungen, wie zum Beispiel den NRW-Bank-Mittelstandsfonds, ergänzt werden. Hier zeigt sich deutlich die Komplementärfunktion einer Förderbank. Förderinstrumente mit Haftungsfreistellungen und Eigenkapitalhilfen eröffnen den Unternehmen neue Spielräume auf der Fremdkapitalseite - Förderbanken arbeiten Hand in Hand mit Banken und Sparkassen.

Risikoorientiertes Zinssystem auch bei Förderprogrammen

Mezzaninekapital wie zum Beispiel Nachrangdarlehen oder die Umwandlung von verlorenen Zuschüssen in revolvierende Fonds bereichern weiter die Förderpalette. Die Einführung des risikoorientierten Zinssystems bei den Förderprogrammen passt sich in die Umsetzung von modernen Ratingverfahren im Zuge von Basel II ein und erleichtert mittelständischen Unternehmen den Zugang zu Fremdkapital .

Für den Erfolg solcher Programme muss eine Förderbank im Kräftefeld zwischen Politik und Wirtschaft fest verankert sein und beide "Sprachen" perfekt beherrschen. Sie spricht die Sprache der Politik und übersetzt ihre Vorgaben in die Sprachwelt der Wirtschaft und der Finanzen. Anregungen von deren Seite wiederum trägt die Bank in die Politik und berät ihre Auftraggeber. In der Synthese modelliert sie in diesem dialogischen Prozess neue Programme und Produkte.

Beispiel: Studienbeitragsdarlehen. Im Rahmen der Einführung der Studienbeiträge an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen hatte die Politik die NRW-Bank beauftragt, ein Produkt zu entwickeln, das eine starke soziale Ausgewogenheit hat sowie flexibel und günstig ist. Seit dem Wintersemester 2006/2007 bietet die NRW-Bank ein Studienbeitragsdarlehen mit eben diesen Merkmalen an. Die Kappungsgrenze von 10 000 Euro sorgt dafür, dass für den Großteil der Bafög-Empfänger die Rückzahlungsverpflichtung ganz oder teilweise entfallen wird.

Es ist darüber hinaus sozial, weil das Darlehen erst dann zurückgezahlt werden muss, wenn der Darlehensnehmer über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügt. Es ist mit einem Zinssatz von nominal 5,9 Prozent preiswert. Zusatzgebühren entstehen keine, die Zinsen werden bis zur Rückzahlung gestundet und diese beginnt erst zwei Jahre nach Ende des Studiums. Es gibt keine Bonitätsprüfung - auch dadurch ist die Abwicklung schnell und transparent. In dieser Kombination ist das Produkt in der Bundesrepublik einzigartig. Bearbeitet werden die Daten übrigens auf der Basis einer für den Bereich Wirtschaftsförderung der NRW-Bank bereits entwickelten Software - ein gutes Beispiel für die vielfältigen Synergieeffekte zwischen den Förderbereichen.

Haus- und Förderbanken als zentrale Anlaufstellen

Mit einer derart breit aufgestellten Förderbank wird eine bis dato häufig gestellte Frage überflüssig: Welche Stelle vergibt welche Fördergelder? Bislang scheiterten an diesem Problem potenzielle Fördernehmer oftmals ebenso wie viele Berater in den Banken und Sparkassen. Jetzt schaffen universale Förderbanken wie die NRW-Bank größtmöglichen Überblick. Dabei bieten sie nicht nur den Kammern und Wirtschaftsförderungsgesellschaften fundierte Beratung an, sondern zunehmend auch den Unternehmen und Kommunen.

Immer wichtiger wird in diesem Zusammenhang das Internet. Die NRW-Bank hat ihren Webauftritt als Förderplattform ausgebaut. Ein Lotse führt den Nutzer zielgenau zu den in Frage kommenden Förderprodukten. Mit diesen Informationen kann er dann bei seiner Hausbank detaillierter nachfragen. Ein interaktiver Förderberater gibt im Portal Soziale Wohnungsbauförderung erste Auskunft darüber, ob eine Förderung im Rahmen der Förderrichtlinien möglich ist. Oder: Mit einem Tilgungsrechner können Studierende den Tilgungsplan ihres Studienbeitragsdarlehen durchspielen.

Verschieben sich durch den neuen Typ Förderbank die Gewichte bei den Finanzdienstleistern? Nein, denn auch starke Förderbanken haben eine eng umgrenzte, gesetzlich festgelegte Geschäftsstrategie. In einer Marktwirtschaft bedarf Förderung immer einer transparenten und sauberen Begründung. Komplementäre und subsidiäre Angebote zu den Geschäftsbanken bereitzuhalten, ist die Antwort. Um die Förderprodukte wiederum effizient zu vertreiben, hat sich das Hausbankenverfahren seit vielen Jahren bewährt.

Bankenwettbewerb nicht ausschalten

Durch den Bankenleitweg werden die Partner der Wirtschaft vor Ort eingebunden, und die Förderung ist Teil der Gesamtfinanzierung der Investition. Niemand kann ein Unternehmen in seiner Bonität besser beurteilen als die ortsansässige Bank oder Sparkasse und weitere Bankdienstleistungen anbieten. Wichtig ist dabei, dass alle Banken und Sparkassen den gleichen Zugang zu den Fördermitteln haben und somit der Bankenwettbewerb nicht ausgeschaltet wird. Für Förderbanken sind deshalb die Hausbanken ihre wichtigsten Partner.

Das gute Zusammenspiel von Förder- und Hausbanken hängt entscheidend davon ab, ob die Wirtschaftsförderung mit zeitgemäßen Instrumenten auf die Bedürfnisse der Kreditwirtschaft eingeht. Genauso wie die Finanzmärkte neue Finanzierungsinstrumente entwickeln, ist die Wirtschaftsförderung gefordert, ihr Produktportfolio anzupassen und Produktinnovationen hervorzubringen. Die bloße Durchleitung von staatlichen Zuschüssen hat zum Beispiel nur noch eine untergeordnete Ergänzungsfunktion.

All dies zeigt: Förderbanken spielen in einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung - auch und gerade in einer globalisierten Welt - eine wichtige Rolle. An der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft leisten Förderbanken im komplementären Zusammenspiel mit den Banken und Sparkassen einen wichtigen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Für den fundamentalen Zielkanon: Wachstum fördern, den Wandel zu einer modernen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft mitgestalten und zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen.

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