Privatkundengeschäft in Österreich

"Der Anteil unserer ausländischen Kunden liegt über 80 Prozent"

Herr Jauch, ist es richtig, dass die Raiffeisenbank Kleinwalsertal eher einer klassischen Privatbank ähnelt als einer deutschen Volks- oder Raiffeisenbank?

Ja. Die Marke Raiffeisen steht für Bodenständigkeit und Solidität. Wir entwickeln sie weiter in Richtung einer sympathischen, innovativen Privatbank. Heute geht es darum, eine nachhaltige Innovationskraft zu sichern und den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

Was ist das Besondere an Ihrer Bank und was sind Ihre Wettbewerbsvorteile?

Unsere Größe erlaubt uns, schnell auf Marktveränderungen zu antworten. Im letzten Jahr haben wir zum Beispiel eine strategische Kooperation mit der Zertifikate-Journal AG gestartet und gemeinsam ein neuartiges Asset Management entwickelt. Dieses Modell ist derzeit einzigartig in Europa.

Der Bankplatz Österreich bietet ein Bankgeheimnis im Verfassungsrang. In Deutschland geht die Transparenz vielen vermögenderen Kunden aus der Mittelschicht zu weit. Sie sind bereit, Steuern zu bezahlen, möchten aber vermeiden, dass zu viele Personen ihre Daten einsehen können.

Und dann sind wir eben doch keine typische Private-Banking-Adresse. Das gilt für unsere Netzwerkpartner, aber auch für unsere Mitarbeiter, die im Schnitt seit elf Jahren bei uns arbeiten. Wenn Kunden unser Private-Banking-Center betreten, erleben sie einen besonderen Empfang. Sie werden in die Beratungsräume begleitet und bekommen eine Getränkekarte, die vom Latte macchiato bis zum Single-Malt-Whisky reicht. Und das nicht erst ab einem Vermögen von zehn Millionen, sondern bereits ab 50000 Euro. Unsere Kunden spüren, dass wir uns besonders um sie kümmern.

Wie wichtig sind Innovationen für das Bankgeschäft?

Für Unternehmen unserer Größenordnung ist Innovation etwas ganz Wesentliches. Unser Ziel ist, den Kunden bei jedem Besuch zu überraschen. Sei es durch die Getränkekarte oder mit einem komplett neuartigen Konzept im Asset Management. Jeder Kunde soll immer das Gefühl haben, dass er etwas Besonderes ist und dass ihm Neues geboten wird. Kreativität ist nicht nur auf der Produktseite wichtig, sondern bei allen Beratungs- und Dienstleistungen.

Hat das Internet als Vertriebsweg Bedeutung für Sie?

Alle Auswertungen aus dem letzten Jahr zeigen sehr deutlich, dass über keinen
Kommunikationsweg mehr Interessenten auf unsere Bank stoßen als über das Internet. Das sind zunächst einfach Menschen, die neugierig auf unsere Bank sind. Nach dem ersten telefonischen oder elektronischen Kontakt folgt dann auf Wunsch die persönliche Beratung.

Die Bedeutung des Internets hat enorm zugenommen. Wir bieten einen Newsletter mit derzeit knapp 4000 Abonnenten. Das sind Kunden, Bankpartner und Interessenten, ein relativ großes Spektrum also. Insbesondere Jüngere haben eine höhere Affinität zu dieser Technologie und erwarten entsprechend mehr davon.

Wie viele Interessenten gewinnen Sie letztlich auch als Kunden?

Vom ersten Kontakt - in der Regel per E-Mail - bis zum Abschluss sind es derzeit zwischen 35 und 40 Prozent. Wenn Sie das persönliche Beratungsgespräch zugrunde legen, gewinnen unsere Berater im Schnitt drei von vier Interessenten auch als Kunden.

Sie verstehen sich als Vordenker der ganzheitlichen Finanzberatung. Wie definieren Sie diesen Begriff?

Von Anfang an war uns klar, dass wir nur dann gut beraten können, wenn wir möglichst viel über die Situation des Kunden wissen. Dahinter steckt folgendes Bild: Wenn Sie heute mit Schmerzen im rechten Ellbogen zum Arzt gehen, dann erwarten Sie, dass der Arzt nicht ausschließlich diesen Körperteil untersucht. Idealerweise checkt er Sie grundsätzlich durch. Vielleicht haben die Schmerzen im rechten Arm ja mit einem Problem im linken Bein zu tun.

Entsprechend haben wir das, was jetzt als Financial Planning bezeichnet und in vielen Instituten praktiziert wird, schon immer erfragt. Daraus haben wir ein mehrdimensionales Vermögensmanagement entwickelt, bei dem mehrere Ebenen mit dem Kunden diskutiert werden:

In welchem Rechtsraum sollte der Kunde seine Konten führen? Macht es Sinn, das gesamte liquide Vermögen zum Beispiel in Deutschland zu haben? Oder wäre eine Streuung vielleicht geschickter?

Ist es vorteilhaft, die gesamten Vermögenswerte nur auf die natürliche Person zu führen, oder wäre es besser, internationale Gesellschaftsstrukturen, Versicherungen oder Ähnliches einzubeziehen?

Welche Assetklassen sind am besten geeignet? Dabei sprechen wir noch nicht über spezielle Produkte.

Auf der Produktebene haben wir schon frühzeitig strukturierte Kapitalmarktprodukte in Ergänzung zu Aktie, Rente und klassischer Kreditmarktanlage eingesetzt.

Seit Kurzem ermitteln wir zusätzlich zur finanziellen Risiko-Tragfähigkeit auch eine mentale Risiko-Tragfähigkeit. Sie ist zyklisch: Laufen die Börsen gut, schätzen sich viele Anleger als risikobereit ein. Gibt es eine starke Korrektur, möchten sie plötzlich kein Risiko mehr eingehen. Und meistens ist genau diese Entscheidung die falsche.

Wie sieht Ihre Auslandsstrategie aus?

Wir bauen unser neues Geschäftsfeld Business Development International mit vier Sub-Einheiten auf. Erstens: Netzwerk-Aufbau in Deutschland. Zweitens: Netzwerkaufbau in Spanien, ausgehend von einer Repräsentanz in Palma de Mallorca, die wir Anfang Juni eröffnet haben. Drittens: Produkteinkauf und Produktentwicklung sowie viertens: PR und Marketing.

Unser wesentliches Ziel ist, mit diesen Einheiten nachhaltig Kunden zu überzeugen und zu gewinnen. Dabei haben wir uns die Länderschwerpunkte Österreich und Schweiz, Deutschland und Spanien gesetzt.

In den beiden zuletzt genannten Ländern bauen wir ein internationales Vermittler-Netzwerk auf. In Deutschland wollen wir mit Dienstleistern aus allen Branchen, die mit vermögenden Kunden zu tun haben, Kooperationen eingehen. Das können freie Finanzdienstleister mit BaFin-Zulassung sein oder Steuerberater.

Warum starten Sie damit gerade jetzt?

Wir glauben, dass der Zeitpunkt ideal ist. Der gesamte Vermittlermarkt ist momentan stark in Bewegung: Produkte, die aus Provisionsgesichtspunkten sehr lukrativ waren, gibt es nicht mehr. Außerdem nehmen die aufsichtsrechtlichen Richtlinien deutlich zu. Jetzt kommen Vermittlerrichtlinie und MiFID (Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente) und damit wird es insbesondere für freie Finanzberater zunehmend schwierig, Kunden umfassend zu betreuen.

Darüber hinaus stellen sich viele Finanzdienstleister die Frage, wie sie sich von der Masse unterscheiden können. Mit unseren Dienstleistungen verändert sich ihr Angebotsportfolio: Sie können eine gute Alternative für das traditionelle Bankkonto sowie zwei zusätzliche Rechtsräume anbieten. Und sind so in der Lage, neue Kundengruppen zu gewinnen.

Haben Sie bestimmte Produkte im Fokus?

Im Mittelpunkt stehen bei uns der Kunde und seine Situation. Wenn ein Vermittler einen Kunden betreut, für den die genannten Faktoren von Interesse sind, dann spricht er ihn auf unser Angebot an. Die eigentliche Beratung erfolgt dann von uns.

Welche Resonanz erfahren Sie?

Die Resonanz, die wir im Rahmen von Veranstaltungen für freie Finanzdienstleister und Steuerberater erfahren haben, war durchweg positiv. Hinzu kommt, dass wir zum freien Dienstleistungsverkehr in Deutschland und Spanien zugelassen sind. Im Gegensatz zu Mitbewerbern, zum Beispiel aus der Schweiz, können wir in einem rechtlich einwandfreien Rahmen Veranstaltungen durchführen.

Aber wie können Sie Beratern garantieren, dass die Raiffeisenbank Kleinwalsertal den Kunden nicht vollständig abwirbt? Sie sind im Cross-Selling doch gut, oder?

Diese Gefahr besteht nicht. Unser Angebot ist eindeutig auf Ergänzung ausgerichtet. Wir bieten dem Kunden des Vermittlers eine Kompetenz, die dieser in aller Regel gar nicht anbieten darf.

Haben Sie schon Verträge mit Beratern abgeschlossen?

Wir haben in Deutschland und Spanien bereits erste Verträge abgeschlossen. Für uns ist aber weniger die Zahl der Verträge entscheidend als vielmehr Partner zu finden, die das entsprechende Anlagevolumen vermitteln. Ziel ist es, in den deutschen Ballungsräumen mindestens zweimal im Jahr mit Veranstaltungen vertreten zu sein. Bisher haben wir mit Köln, Stuttgart und Hamburg den Anfang gemacht.

Welche Vermittler kommen für Sie infrage?

Es gibt relativ kleine, freie Finanzdienstleister, die sich zutrauen, pro Jahr fünf Millionen Euro zu vermitteln. Und es gibt andere, die hier und da ein Geschäft erwarten, aber keine bestimmte Größenordnung. Das Spektrum ist relativ groß.

Ähnlich ist es bei Steuerberatern: Einige möchten gerne eine Kooperation eingehen. Andere sind bereits mit einer Bank verbunden. Aber wenn es um eine konkrete Anfrage geht, die eine heimische Bank nicht befriedigen kann, dann setzen sie sich mit uns in Verbindung.

Sie veranstalten auch Beratertage für Kunden in Deutschland und Spanien. Wie laufen diese Tage ab, und wie ist die Resonanz?

Aus unserer Sicht sehr positiv. In Köln hatten wir zum Beispiel etwa hundert Gespräche. Ursprünglich wollten wir nur rund drei Tage mit einigen Beratern vor Ort sein. Am Ende haben wir für die hundert Gespräche etwa einen Monat gebraucht.

Großveranstaltungen sind für unsere Ziele eher ungeeignet. Wir stellen uns Interessenten in größeren Städten persönlich vor. Viele haben von unseren Auszeichnungen gehört oder gelesen. In unverbindlichen Vier-Augen-Gesprächen geben unsere Berater individuelle Hinweise zur Ausgangslage und für entsprechende Konzepte.

Welche Aktivitäten verfolgen Sie in der Schweiz?

Der Schweizer Markt wird aufgrund der geografischen Nähe überwiegend von unserer Tochter Raiffeisen Bank (Liechtenstein) betreut.

Wie entwickeln sich Ihre Kundenzahlen aktuell?

Wir haben zum Jahresende 2005 rund 3,2 Milliarden Euro Kundenvermögen verwaltet und sind jetzt auf einem aktuellen Stand von etwa 3,4 Milliarden. Damit sind wir zufrieden.

Wie hoch ist der Anteil der ausländischen - also nicht österreichischen - Kunden?

Er beträgt sicherlich über 80 Prozent. Das liegt an unserer geografischen Lage.

Sie sprachen von einem nachhaltigen Kundenstrom. Wo sind dafür Grenzen? Wie groß kann die Raiffeisenbank Kleinwalsertal in den heutigen Strukturen werden?

Für uns steht im Vordergrund, zufriedene Kunden zu haben und zu halten. Das heißt, wir wollen auch aus dem Bestand wachsen. Daneben ist unser Anspruch, stets etwas stärker zuzulegen als der Markt.

Welche Rolle spielt das Bankgeheimnis bei Ihrer Kundenakquise?

Seit Einführung des vierten Finanzmarkt-Förderungsgesetzes in Deutschland ist das der zentrale Grund, über eine Geldanlage im Ausland nachzudenken. Das geht auch aus einer Studie hervor, die wir bei der GfK in Auftrag gegeben haben. Danach ist der Anteil derjenigen, die ihr Geld im Ausland anlegen wollen, in den letzten zwei Jahren um 50 Prozent gestiegen. Letztendlich existiert ein Blumenstrauß an Motiven. Viele Kunden geben an, dass sie schon mehrfach über uns gelesen und von unseren Auszeichnungen gehört haben.

Das Thema wird in Österreich anders bewertet als in Deutschland. Dort hat der Schutz der Privatsphäre in Finanzangelegenheiten historisch einen hohen Stellenwert. In Österreich ist das Bankgeheimnis Teil der Sparkultur, in Deutschland nicht. Insofern handelt es sich um einen Mentalitätsunterschied. Aber wir sagen den Kunden nicht, dass sie wegen des Bankgeheimnisses zu uns kommen sollen. Das wäre ein ähnlich schlechter Rat, so wie die Empfehlung, ein bestimmtes Produkt nur unter steuerlichen Aspekten zu kaufen. Wozu das in Deutschland geführt hat, wissen wir. Wichtig ist die Vielfalt der Argumente, nicht ein einzelnes Kriterium.

Sie haben Ihre Öffentlichkeitsarbeit im vergangenen Jahr spürbar intensiviert. Was war der Hintergrund?

Für ein Institut unserer Größenordnung ist klassisches Marketing in dem Umfang, wie es eine UBS oder die Deutsche Bank Wealth Management betreiben, nicht möglich. Dennoch haben wir auf der Image-Seite einen Entwicklungsschritt gemacht. Anfang der neunziger Jahre sind viele Anleger aus relativ einfachen Gründen ins Ausland gegangen. Heute spüren sie, dass es ein vereintes Europa gibt. Sie erkennen, dass private Altersvorsorge immer wichtiger wird. Sie möchten es nicht dem Zufall überlassen, wo sie ihr Geld anlegen.

Unsere Auszeichnungen haben dazu geführt, dass wir mit einer Qualitätsoffensive stärker nach vorne gehen konnten. Ein zweiter Grund für die Zunahme der Veröffentlichungen waren unsere Innovationen. Allein das Thema "Vermögensmanagement der nächsten Generation" hat uns enorme mediale Aufmerksamkeit beschert. Daneben haben steuerliche und rechtliche Änderungen immer wieder eine große Rolle gespielt.

Haben Sie die Zinsrichtlinie 2005 in Ihrem Geschäftsergebnis bemerkt?

Nein, die europäische Quellensteuerregelung hatte letztendlich keine großen Auswirkungen auf unser Geschäft. Das hat damit zu tun, dass wir für unsere deutschen Kunden auch Erträgnisaufstellungen nach deutschem Steuerrecht ausstellen.

Sie richten Gehaltskonten nur für Personen ein, die ihren Wohnsitz im Kleinwalsertal haben. Für welche anderen Produkte gilt diese Bedingung ebenfalls?

Das gilt primär für den laufenden Zahlungsverkehr und das Kreditgeschäft.

Wie hoch ist Ihr Marktanteil?

Im Kleinwalsertal selbst haben wir im Retailbanking einen Marktanteil von etwa 60 Prozent. Bei den gewerblichen Finanzierungen ist die Zahl ähnlich hoch, wobei der Fokus klar auf Tourismus im Kleinwalsertal liegt. Der hohe Marktanteil ist unter anderem dadurch bedingt, dass wir das einzige Institut mit Hauptsitz im Kleinwalsertal sind. Alle anderen Banken sind Filialen, deren Mütter in Bregenz, Wien oder Deutschland sitzen.

Sie fühlen sich also trotz der internationalen Ambitionen in besonderer Weise mit Ihrer Region verbunden?

Die Aktien der Raiffeisenbank Kleinwalsertal AG und ihrer Tochter Raiffeisen Bank (Liechtenstein) AG werden mehrheitlich von der Raiffeisen Holding gehalten. Der Anspruch des Hauptaktionärs ist in erster Linie, die Entwicklung des Kleinwalsertals zu fördern. Über eine Stiftung werden zum Beispiel Solarstrom-Anlagen oder der Wiederaufbau alter Walser-Brücken finanziert - also insbesondere gemeinnützige Projekte. Über die Beteiligungsgesellschaft unterstützen wir vor allem den Tourismus. So sind wir an der Finanzierung des "Walser-Bus" und regionaler Bergbahnen wie Fellhorn- und Nebelhorn-Bahn beteiligt.

Wer sind Ihre Wettbewerber im Tal?

Da sind Vorarlberger Hypo, Dornbirner Sparkasse, Bank Austria Creditanstalt, Sparkasse Sonthofen/Kempten und Volksbank Vorarlberg.

Wen betrachten Sie im Private Banking als Ihre Wettbewerber?

Im Qualitäts- und Innovationswettbewerb messen wir uns eher an klassischen Privatbanken in der Schweiz und Deutschland.

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