Wettbewerb im E-Banking

E-Banking der Genossen: per Rahmenauftritt zu höherer Online-Quote

Bisher sind die Internet-Auftritte der Volks- und Raiffeisenbanken äußerst heterogen:

Während knapp 900 Institute das neue Webcenter von VR Net-World - und davon 500 zusätzlich die Web-Bank - nutzen, haben rund 300 bis 400 Banken eigene Lösungen auf Basis der von den Verbund-Rechenzentren angebotenen Content-Ma-nagement-Systeme entwickelt.

Einige große Institute setzen zudem auf Web-Auftritte, die mit Hilfe von Agenturen realisiert wurden.

Andere Filialen unterschätzen nach wie vor die Relevanz des Internetkanals und haben die Inhalte der Webseiten deshalb bisher oft nur mit sehr geringen Mitteln in Eigenregie umgesetzt. Die Ergebnisse waren oft entsprechend unprofessionell.

Darüber hinaus gibt es auch noch knapp 300 - meist kleinere - Banken in der Gruppe, für die das Internet als Informationsplattform oder Vertriebskanal bisher überhaupt keine Rolle spielt.

Insgesamt nutzen heute dadurch nur rund 20 Prozent aller Kunden der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken Online-Banking. Ein Wert, der weit unter dem anderer Finanzdienstleister liegt.

Neuer Standard-Rahmenauftritt

Mit der neuen Web-Bank will die VR Net-World, die als zentraler Internetdienstleister für die Volks- und Raiffeisenbanken fungiert, diese Quote nun deutlich erhöhen und den Geldinstituten vor Ort dafür im Rahmen einer Multikanalstrategie ein attraktives Werkzeug an die Hand geben. Die Entscheidung für das neue Content-Management-System (CMS) Communique der Firma Day schuf die Grundlage für einen Standardrahmenauftritt, der sich an Bedürfnissen und Erfahrungen von Internetkunden orientiert und diese möglichst mit vier Mausklicks schnell zum gewünschten Ziel führen soll.

Darüber hinaus reduziert die Kombination aus neuem CMS und Internetauftritt mit Hilfe vorgefertigter Inhaltsvorlagen - den sogenannten Templates - den Aufwand für Erstellung und Pflege und erleichtert zugleich die Arbeit der Internet-Verantwortlichen in den einzelnen Instituten.

Gleichzeitig hat bei der Entwicklung der Web-Bank das einheitliche Erscheinungsbild der Marke "Volksbank Raiffeisenbank" eine wesentliche Rolle gespielt. Zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) wurde ein gemeinsamer Styleguide entwickelt, der den Rahmen für das "Look and Feel" der Volks- und Raiffeisenbanken im Internet bildet und so den Wiedererkennungswert des Verbunds im Netz maßgeblich verbessert. Der Rahmenauftritt erlaubt es aber auch, individuelle Besonderheiten entsprechend darzustellen.

Mit Rich-Internet-Applikationen schneller zum Ziel

In puncto Benutzerfreundlichkeit setzt die Web-Bank sehr stark auf sogenannte Rich-Internet-Applikationen. Dank der aus einer einzigen Bildschirmseite bestehenden Benutzeroberfläche kommen die Nutzer bei diesen Webanwendungen wesentlich schneller zu ihrem Ziel. Auch das Laden mehrerer Seiten für eine einzige Transaktion entfällt, da die Applikation ohne Neuaufbau direkt und unmittelbar auf Veränderungen reagiert. Anders als bei klassischen HTML-Seiten müssen zum Beispiel bei der Abwicklung einer Produktanfrage nicht die kompletten Bildschirmmasken, sondern nur einzelne Daten innerhalb dieser Maske ausgetauscht werden. Ändert sich also beispielsweise nur ein einziges Suchkriterium, werden auch nur diese Daten aktualisiert.

Ein weiterer Vorzug: Bei einer Rich-Internet-Applikation (RIA) bekommt der Nutzer sofort eine Rückmeldung, wenn er eine Information fehlerhaft oder gar nicht eingibt. Bei einer HTML-Lösung dagegen fällt ein solcher Fehler meist erst auf, wenn der Anwender die Seite wieder an den Server geschickt hat und die Eingaben dort geprüft worden sind.

In vier Schritten zur Produktempfehlung

In der Web-Bank kommen webbasierte Rich-Internet-Applikationen, die von ihrer Funktionalität her sehr stark normalen PC-Programmen ähneln, bereits in den Modulen "Produktanfrage online", "VR-An-lage-Check", "Kontoanfrage online", "Kreditrechner" sowie "Anlage- und Ansparrechner" zum Einsatz. Voraussetzung für ihre Nutzung ist der Flash-Player von Adobe, der aber weltweit bereits auf über 98 Prozent aller Computer mit Internetzugang installiert ist.

Das Beispiel des VR-Anlage-Check zeigt den Nutzen: Dieses Modul kann von der örtlichen Volks- und Raiffeisenbank einfach über einen Konfigurator individualisiert und mit bis zu neun verschiedenen Passivprodukten gefüllt werden. Konditionen, Produktnamen, Produktbeschreibungen und eigene Bilder sind dabei problemlos einstellbar.

In vier Schritten wird der Kunde durch gezielte Fragen zu Einzahlungsrhythmus, Anlagebetrag, Anlagezeitraum, Risikobereitschaft und Verfügbarkeit zu einer individuellen Produktempfehlung geführt. Um ihn mit dieser Information nicht "alleine stehen zu lassen", ist der VR-Anlage-Check nahtlos mit dem Modul Produktanfrage online verknüpft. Auf diese Weise reißt der Vertriebsprozess nicht ab, und der Kunde wird von der Produktempfehlung direkt zu der Berechnung und Beantragung seines Wunschproduktes geführt.

In der Produktanfrage online kann der Interessent mit seinen Angaben - wie beispielsweise Anlagebetrag, Laufzeit und den hinterlegten Konditionen der Bank verschiedene Beispielrechnungen durchführen. Das Ergebnis und den Wertverlauf bekommt er sowohl sofort in einer ansprechenden Grafik als auch in verschiedenen Detail-Ansichten (Monats-, Jahres-Detail-Ansicht, Zins- und/oder Bonusstaffel) centgenau angezeigt. Möchte der Kunde das Produkt beantragen, kann er die Details seiner Auswahl mit seinen persönlichen Daten an die zuständige Bankfiliale absenden. Diese erhält eine E-Mail mit den notwendigen Informationen und bereitet den Produktantrag so weit vor, dass dieser beim nächsten Besuch in der Filiale nur noch unterschrieben werden muss. Der Nutzer wird so im Online-Kanal in seinem Kaufprozess von der Produktauswahl bis zum Antrag optimal ohne Medienbruch begleitet.

Für den Online-Abschluss fehlen noch die Schnittstellen

Um die Potenziale des Online-Vertriebs vollständig auszuschöpfen, wäre der On-line-Abschluss über Pin/TAN beziehungsweise HBCI und Chipkarte mit Integration in die Back-End-Systeme wünschenswert. Doch dafür stehen derzeit der Web-Bank noch nicht die Schnittstellen zu den Ban-king-Systemen zur Verfügung.

Doch auch wenn gegenwärtig noch kein durchgängiger Prozess möglich ist, war es für die VR Net-World GmbH dennoch wichtig, die Übergänge des Nutzers in andere Kanäle bereits mit der jetzt eingeführten Lösung so gut wie möglich vorzubereiten. So kann von jeder Seite des Auftritts per Mail oder Formular der direkte Kontakt zur Filiale hergestellt werden. Prospekte zum Download ermöglichen eine intensivere Auseinandersetzung mit Produkten oder Themen, Ausdrucke und Checklisten erleichtern die Vorbereitung eines anschließenden Filialbesuchs.

Einstellungsmöglichkeiten fürs Regionalprinzip

Ein weiteres Beispiel für die neue Generation von Webanwendungen ist das von der Aachener VWD-Tochter Gevasys entwickelte Modul Kontoanfrage online. Für die Volks- und Raiffeisenbanken ist das Girokonto heute - wie bei allen anderen Geldinstituten auch - die Basis für jegliche Geschäftsbeziehung mit dem (Neu)Kunden und muss deshalb auch über einen On-line-Prozess abgewickelt werden können. Allerdings sind dabei in der genossenschaftlichen Bankengruppe einige Besonderheiten zu beachten.

So ist bei der Entwicklung neuer Online-Tools der Unabhängigkeit jeder einzelnen Bank und damit der hohen Flexibilität der Institute Rechnung zu tragen. Es werden deshalb Webanwendungen benötigt, die unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche sehr individuelle und oft unterschiedliche Anforderungen der örtlichen Filiale abbilden können. Dadurch erwächst der Anspruch der maximalen Flexibilität und Individualisierbarkeit jeder einzelnen Anwendung.

Bei dem webbasierten Kontoanlageprozess, äußert sich dies unter anderem darin, dass jedes Institut ein eigenes Kontomodell mit individuellen Konditionen und unterschiedlichem Kartenangebot anbietet und daher in der Lage sein muss, sehr individuelle Einstellungen vornehmen zu können.

Eine weitere Besonderheit stellt das sogenannte "Regionalprinzip" dar. Eine Volksbank Raiffeisenbank hat in der Regel ein nach Postleitzahlen abgegrenztes Geschäftsgebiet, in dem sie exklusiv agiert. Vor der Abfrage der Kundendaten zur Anlage eines neuen Kontos ist daher zu prüfen, aus welchem PLZ-Gebiet der Interessent kommt. Je nach Geschäftspolitik der Bank wird dieses Regionalprinzip unterschiedlich gehandhabt, sodass hier ebenfalls entsprechende Einstellungsmöglichkeiten in dem Software-Modul angeboten werden müssen.

Flexibilität verkompliziert Umsetzung

Weitere Individualisierungsanforderungen bei der Entwicklung der Kontoanfrage online reichten von der Benennung jedes einzelnen Abfragefeldes über die Integration von eigenem Bildmaterial bis hin zu speziellen Kartenangeboten für jedes Kontomodell. Diese Wünsche an die Flexibilität machen die Umsetzung im Back-End kompliziert. Denn aus Sicht der Banken sollte diese Komplexität trotzdem handhabbar sein und möglichst einfache Konfigurationsmöglichkeiten bieten. Die Entwickler sahen sich zu einem Spagat gezwungen. Hinzu kam schließlich noch die Perspektive der Nutzer. Für sie bedeutet eine Kontoeröffnung eine langwierige Prozedur, bei der eine Vielzahl von persönlichen Daten eingegeben werden muss, was sich wiederum in besonders hohen Anforderungen an die Benutzerführung niederschlägt.

Die Eingabemöglichkeiten mussten beispielsweise so einfach, transparent und übersichtlich wie möglich gestaltet werden, damit der Nutzer den Eingabeprozess bis zum Ende der Anwendung durchläuft und seine Daten an die Bank zur Kontoanlage übermittelt. Zur Unterstützung der Eingaben wurden außerdem Hilfetexte, die das Ausfüllen der Felder erleichtern, als sinnvoll angesehen. Dieser Spagat zwischen den Anforderungen an ein Höchstmaß von Flexibilität und an die Benutzerführung gelang den Entwicklern mit Hilfe einer Rich-Internet-Applikation auf der Basis von Adobe Flex.

Usability-Test vor dem Start

In selbsterklärenden Formularen fragt das Modul alle benötigten Informationen ab und überträgt diese anschließend verschlüsselt an die zuständige Bank. Der Kunde muss nur noch seine Unterschrift in der Filiale leisten und schon kann er das Girokonto nutzen. Dass der Antragsteller automatisch zusätzliche Informationen zu den jeweiligen Eingabefeldern erhält und sich in der Nutzerführung gut zurecht findet, hatte die Teilnehmer des Usability-Tests überzeugt.

In dessen Rahmen mussten die Versuchspersonen an dem Prototyp der Web-Bank mit Hilfe eines "Klick-Dummies" innerhalb von fünf Minuten zwei Handlungsaufgaben bewältigen, was auch fast 90 Prozent problemlos schafften. Ziel des ausführlichen Tests war es, die konzeptionellen Grundlagen des neuen Online-Auftritts einem Reality-Check zu unterziehen und beispielsweise Navigationswege, Aktionskanäle, Textaufbau oder Benennungen von Buttons aus Nutzersicht beurteilen zu lassen. Man wollte die Gesamtzufriedenheit der potenziellen Nutzer einschätzen und eine Bewertung unterschiedlicher Website-Merkmale erhalten - auch im Vergleich mit Wettbewerbern aus dem Finanzdienstleistungssektor.

Im Ergebnis wurde ein Stärke/Schwächen-Profil erstellt, das die Basis für die Weiterentwicklung vor dem offiziellen Launch der Web-Bank bildete. Zu den Optimierungsmöglichkeiten, auf die etliche Teilnehmer des Tests hinwiesen, gehörten Inkonsequenzen in der Benutzerführung, der Wunsch nach Informationen zu den Sicherheitsvorkehrungen beim Online-Banking und zusätzliche Farbakzente im Design. Daraufhin wurde der Styleguide von den Experten entsprechend überarbeitet, an einzelnen Templates Änderungen vorgenommen und die Navigations- sowie die Content-Struktur angepasst.

Mit den Rich-Internet-Modulen, die ein integrierter Bestandteil der Web-Bank sind, konnten zudem die hohen Anforderungen an einen modernen Webauftritt erfüllt werden. Für die örtlichen Volks- und Raiffeisenbanken gibt es nun ein spezielles Konfigurationstool, mit dessen Hilfe sich die neue Anwendung schnell und unkompliziert an ihre Wünsche anpassen lässt.

Positive Erfahrungen bei den Pilotanwendern

Außerdem unterstützt eine integrierte Auftragsverwaltung die Bearbeitung der Kundendaten im Kontoeröffnungsprozess. So konnten einige Banken den Arbeitsprozess der Kontoeröffnung vollständig an ein externes Marktservice-Center auslagern, sodass sich interne Prozesskosten einsparen lassen.

Bisher kommt die Web-Bank nach dem Start im Sommer 2006 bei rund 20 Instituten zum Einsatz. Die einzelnen Module - wie etwa die Kontoanfrage online - werden allerdings schon von deutlich mehr Banken auf ihren Websites angeboten, wie beispielsweise bei der Volksbank Lahr eG. Dort wird die Anwendung zur Beantragung eines Tagesgeldkontos "VR-Maxidirekt" mit derzeit 3, 0 Prozent pro Jahr als direkte Antwort auf das Angebot der Direktbanken genutzt. Insgesamt konnte das Institut schon in den ersten Monaten 295 neue Kontoeröffnungen verbuchen, für die Bank in der baden-württembergischen Kleinstadt ein durchaus bemerkenswerter Zuwachs.

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