Zahlungsverkehr

Das Enddatum verhindert, dass sich die besten Systeme durchsetzen

50 Millionen Kunden kaufen täglich im Einzelhandel ein. 50 Millionen mal bezahlen sie ihre Einkäufe. So nah wie der Handel ist niemand am Verbraucher. Deshalb ist der Handel prädestiniert zur Darstellung der Perspektiven eines gemeinsamen Europäischen Zahlungsraumes aus Sicht der Kunden.

Aus Nutzersicht ist Sepa ein zeitlich nicht beschränkter Prozess, an dessen Ende eine europaweite technische Standardisierung steht, die es ermöglicht, unter Schaffung von Wettbewerb die Bedürfnisse der Verbraucher und der Wirtschaft im Zahlungsverkehr effizienter und kostengünstiger zu erfüllen. Dabei sollen die entstehenden Zahlungssysteme nicht an nationalen Grenzen haltmachen. Die Grundlage dafür wiederum bieten einheitliche gesetzliche Rahmenbedingungen.

Kampf um Besitzstände

Betrachtet man den heutigen Stand der Arbeiten, so kann festgestellt werden, dass dieser Prozess noch nicht beendet ist. Schaut man genauer hin, drängt sich der Verdacht auf, dass der Kampf um Besitzstände noch in vollem Gange ist. Es geht um den Erhalt von Geschäftsmodellen, um den Erhalt von Interchangeentgelten und auch um Marktabschottung gegenüber Newcomern. Grund dafür ist es insbesondere, dass man es den Banken überlässt, sich selbst zu regulieren. Man hat quasi den Bock zum Gärtner gemacht.

Doch der Sepa-Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Somit bleibt die Hoffnung, dass die Politik noch gegensteuert. Es ist an der Zeit, Zwischenbilanz zu ziehen und zu schauen, wo Fortschritte erfolgt sind, wo nachgebessert werden kann und wo möglicherweise Ziele aufgegeben werden müssen. Es muss dabei erlaubt sein zu hinterfragen, ob Sepa wirklich bedeutet, dass alle Prozesse bis ins Detail innerhalb einer vorbestimmten Zeit zu vereinheitlichen sind, oder ob nicht doch im Sinne des Subsidiaritätsprinzips noch einmal nachgedacht wird, was wirklich geregelt werden muss und vom wem.

Die ursprünglichen Ziele des Sepa-Vorhabens bezogen sich auf grundlegende Anforderungen wie Verbrauchernutzen, Kosteneinsparungen, Standardisierung und Wettbewerb.

1. Ziel: Verbraucher sollen profitieren

Tatsächlich ist feststellbar, dass Überweisungen in andere Länder heute gut funktionieren. Doch ist dies nicht auf Sepa zurückzuführen. Man hätte mit einer Ausweitung der bereits existierenden Preisregelung für EU-Überweisungen dasselbe auch erreicht, eine Festlegung auf IBAN und BIC ist dazu nicht erforderlich.

Weiterhin können Verbraucher Lastschriftzahlungen grenzüberschreitend tätigen. Aber ob dies wirklich bereits die Milliar deninvestitionen, die die Banken getätigt haben, wert ist, darf bezweifelt werden. Immerhin sind allenfalls zwei Prozent aller Zahlungen überhaupt grenzüber schreitend.

2. Ziel: Kosteneinsparungen in der Wirtschaft

Studien gehen davon aus, dass insgesamt 123 Milliarden Euro in den ersten sechs Jahren eingespart werden könnten. Doch der aufgeführte Nutzen ist auch ohne einheitliche Sepa-Verfahren erreichbar. Elektronische Rechnungen und Avise sind längst Realität. Es gibt in diesem Bereich Standards, die ohne Weiteres europäisch genutzt werden könnten.

Allerdings sind Vorteile insbesondere für Großunternehmen möglich. Unter dem Begriff "Payment Factory" sind künftig neue Konzepte denkbar, die den grenzüberschreitend tätigen Handelshäusern Kosteneinsparungen versprechen. Doch muss die Frage erlaubt sein, ob dies nicht alles auch mit anderen Mitteln erreicht werden kann und insbesondere, ob vorhandene nationale Verfahren hierbei tatsächlich hinderlich sind und nicht parallel weiterbetrieben werden können.

3. Ziel: Technische Standards im Interbankenverkehr

Die Kreditwirtschaft hat sich selbst reguliert. Entstanden sind Rulebooks zu Überweisungen und Lastschriften sowie ein Grundsatzpapier zu Kartenzahlungen. Gegen Standardisierung ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Doch es darf keinen Missbrauch geben. Akzeptierte Normen wie ISO oder XML sind sicher eine gute Hilfe. Allerdings dürfen unter dem Deckmantel der Standardisierung keine Bedingungen geschaffen werden, die nicht notwendig sind, um das gegenseitige Clearing zu ermöglichen. Damit würde eine Einschränkung erfolgen, die insbesondere neue Anbieter davon abhalten soll, in den Markt einzutreten. Das Beispiel der Rulebooks zeigt, dass hier ganze Abläufe als integriertes Verfahren beschrieben werden. Es gibt hier keine Ansatzmöglichkeit für Dienstleister, zumindest Teilprozesse zu übernehmen und für Wettbewerb zu sorgen.

Sowohl die Entwickler von Rulebooks als auch der Gesetzgeber müssen also angehalten werden, darauf zu achten, dass eine Festlegung aller Prozesse bis ins Detail nicht zielführend ist.

4. Ziel: Mehr Wettbewerb

Bislang ist nicht erkennbar, dass Preise durch Sepa-Standards gesunken sind. Es konnten keine neuen Services entstehen oder Effizienzgewinne realisiert werden. Im Gegenteil wurden in einigen Ländern attraktive Debitsysteme eingestellt, um auf internationale "Sepa-fähige" Debitkarten zu wechseln. Dennoch hat sich die Paymentindustrie enorm weiterentwickelt. Der Markteintritt innovativer Anbieter steht kurz bevor oder ist bereits erfolgt. Dienstleister, Telefonprovider, Handyhersteller und führende Onlineshops stehen mit Plänen zum mobilen oder Online-Bezahlen in den Startlöchern. Allerdings würden alle absehbaren innovativen Weiterentwicklungen und Produkte auch ohne Sepa stattfinden. Zumindest ist absehbar, dass eine Selbstregulierung der Branche nicht dazu führt, dass Innovationen vereinfacht werden. Auch weitere positive Entwicklungen im europäischen Zahlungsmarkt sind nicht auf die Sepa-Bemühungen der Kreditwirtschaft zurückzuführen, sondern eher politischer Einsicht zuzuschreiben. Exemplarisch seien die Anfangserfolge im Kampf gegen ungerechtfertigte Interchangegebühren genannt.

Unabhängig von Sepa-Rulebooks und Sepa-Verordnungen können durch Förderung des Wettbewerbs enorme Anstöße für eine positive Marktentwicklung gegeben werden. Es wird deutlich, dass einerseits eine unüberlegte und zu weit gehende Gesetzgebung und andererseits die Selbstregulierung einer Branche die Handlungsfreiheit der Nutzer einschränken kann und damit Wettbewerb behindert. Die Politik muss daher klare Regelungen schaffen, die Wettbewerb fördern und Wahlfreiheit ermöglichen.

Bislang eher Nachteile als Vorteile

In der Summe muss festgestellt werden, dass Sepa bislang eher Nachteile gebracht hat als Vorteile. Mit Überweisung und Lastschrift gibt es zwar grenzüberschreitende Systeme. Diese konnten aber auch ohne Sepa-Anstrengungen der Kreditwirtschaft politisch durchgesetzt werden.

Hohe Investitionen bei Banken und die Abschaltung nationaler Systeme ohne unmittelbaren gleichwertigen Ersatz lassen Einsparungen für die Wirtschaft in weite Ferne rücken. Es bestehen im Gegenteil eher Befürchtungen, dass die Finanzindustrie durch Preissteigerungen bei künftigen Se-pa-Produkten die getätigten Investitionen zurückholen will. Durch die Selbstregulierung einer Branche besteht zudem die Gefahr einer Monopolisierung. Der unnötige Detaillierungsgrad der vom EPC erarbeiteten Standards verhindert den Neueintritt von Anbietern und wirkt wettbewerbsbeschränkend.

Weiterhin kommt es durch die Verordnung zur Festlegung der technischen Vorschriften für Überweisungen und Lastschriften in Euro zu einer Vermischung von Sepa-Verantwortlichkeiten. Die Politik geht über die Setzung von Rahmenbedingungen hinaus. Die Wettbewerbsfähigkeit etablierter Produkte wird durch Setzung eines Enddatums beschränkt. Zusätzlich werden technische Anforderungen gesetzlich geregelt, die über das Ziel der Wettbewerbsförderung hinausgehen.

Forderungen an Sepa-Verantwortliche

Daraus ergeben sich folgende Forderungen an die Sepa-Verantwortlichen:

Standards nur dort schaffen, wo es sinnvoll ist. Normen müssen unter Mitwirkung aller Parteien entstehen. Ergebnis müssen Standards sein, die Innovationen nicht einschränken, Schnittstellen beschreiben und die Anforderungen aller Beteiligten berücksichtigen.

Wettbewerb schaffen: Bislang wurde außer Acht gelassen, dass eine Deregulierung zunächst den Markt unübersichtlicher machen kann. Eine Marktfindungsphase gehört daher zum Sepa-Prozess, um für die Auswahl der effizientesten Lösung zu sorgen. Durch mehr Wettbewerb kommen mehr Produkte auf den Markt, die Wahlfreiheit steigt und damit auch die Vielfalt. Zwar steigt auch die Komplexität, aber es besteht die Chance, dass sich genau die Systeme durchsetzen, die von Kunden gewünscht werden. Es kann daher durchaus noch erreicht werden, dass sich europaweite effiziente Zahlungssysteme etablieren. Dies darf allerdings nicht durch Zwang geschehen. Den Innovationen muss genügend Raum gegeben werden, sich zu entwickeln.

Transparenz schaffen: Transparenz ist wesentliche Voraussetzung für Wettbewerb. Bis zur Erreichung von wirklichem Wettbewerb muss - notfalls gesetzlich dafür gesorgt werden, dass ein hohes Maß an Transparenz besteht. Bei Zahlungssystemen besteht oft keine Wahlmöglichkeit der Händler. Es muss daher ersatzweise für Preistransparenz gesorgt werden, um den wahren Wert eines Produktes einschätzen zu können. Es gibt keine Kenntnisse über die Kosten des Clearings, der Zahlungsgarantie, Interbankenentgelten oder über die Aufteilung der Kosten zwischen Kunde und Handel. Daher muss bis zum Erreichen dieser Transparenz notfalls gesetzlich eingegriffen werden. Dazu gehören auch Begrenzungen der Entgelte für Zahlungsmittel.

Marktgetriebene Übergangsphase

Die Zahlungswelt ist sehr vielfältig. Die Vereinheitlichung von Prozessen ist daher ein schwieriges Unterfangen und nicht immer notwendig. Alle Beteiligten müssen in gleicher Weise bei der Gestaltung von Standards gehört werden. Es ist keinesfalls nur Sache der Kreditwirtschaft, sich selbst zu organisieren. Die kreditwirtschaftlichen Prozesse wirken weit in das Gefüge der anderen Wirtschaftsakteure hinein. Das Ziel der Kommission, den Verbrauchernutzen zu steigern, kann nur erreicht werden, wenn sich die Regulierung auf ein Mindestmaß beschränkt. Wettbewerb darf nicht behindert werden, er muss im Gegenteil gefördert werden. Es muss alles getan werden, damit sich eine Branche nicht abschottet.

Dazu gehört eine Phase des Überganges beziehungsweise eines Parallelbetriebes von Systemen. Die Zeitspanne sollte wie ursprünglich von Bundesregierung und Kommission geplant, marktgetrieben sein und nicht von vorneherein beschränkt sein. Die Vorgabe eines Enddatums ver hindert, dass sich die besten Systeme durchsetzen können.

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors beim Symposium "Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2011" der Deutschen Bundesbank.

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