Leitartikel

Sündenfall

sb - Im Sepa-Migrationsbericht der Europäischen Zentralbank war es stets Deutschland, das die rote Laterne der schlecht Vorbereiteten trug. Man hätte also meinen können, gerade hierzulande müsste die Erleichterung über die gewährte Übergangsfrist groß sein. Doch das Gegenteil ist der Fall. Das lag zum einen an dem immerhin fragwürdigen Alleingang, mit dem Michel Barnier den Anstoß für die Sepa-Änderungsverordnung gegeben hatte - mit einem Vorlauf von nur drei Wochen, die es der Kreditwirtschaft unmöglich machten, die Änderungen in den AGB rechtlich einwandfrei abzubilden.

Vor allem aber rührt die Erregung daher, dass dieser neuerliche Kraftakt nach Einschätzung deutscher Kreditinstitute gar nicht erforderlich gewesen wäre. Natürlich hätte es Fälle gegeben, in denen Unternehmen und Vereine zum Stichtag nicht mit den Vorbereitungen fertig waren. Doch darauf waren Banken und Sparkassen vorbereitet. Hier hätte man - gesetzeskonform - mit Konvertierungslösungen Abhilfe schaffen können. Die große Masse der Unternehmen und Vereine hat sich jedoch allem Anschein nach auf Sepa vorbereitet. In vielen Fällen mag die Umstellung ganz bewusst spät erfolgt sein, weil die Unternehmen angesichts wiederholter Änderungen in den Rechtsauffassungen auf Rechtssicherheit warteten, wie es Oliver Grün in diesem Heft beschreibt. Andere Betriebe schoben die Umstellung auf, weil sie Umsatzeinbrüche befürchten. Und dass längst nicht jede im Handelsregister eingetragene Unternehmung eine Gläubiger-ID beantragt hat, ist wohl auch zu Unrecht als Verschleppung in großem Stil gewertet worden. Denn schon vor dem Stichtag gab es Unternehmen, die die Lastschrift gar nicht nutzten; unter den neuen Rahmenbedingungen mag sich ihr Anteil sogar noch erhöht haben. Die vermeintliche Fehlquote ist somit nicht unbedingt ein Anzeichen für Versäumnis, sondern mindestens teilweise eine Frage der Nutzung von Zahlungsinstrumenten, an der vielleicht auch die zusätzlichen sechs Monate nichts Grundlegendes ändern werden.

Dass es also wirklich zu nennenswerten Stockungen im Zahlungsverkehr gekommen wäre, hätte Michel Barnier nicht die Übergangsphase ausgerufen, wird somit von vielen Marktteilnehmern bezweifelt. Ganz offenkundig hat das Bewusstsein, zum Stichtag fertig sein zu müssen, seine Wirkung getan, wie es schon zuvor bei der Euro-Einführung und der IT-Problematik der Fall war. Auch damals erwiesen sich Sorgen darüber, was zum Stichtag passieren würde, als unbegründet. Zwar hinkt dieser Vergleich, weil beide Themen tatsächlich in erster Linie IT-Probleme waren, während Sepa in sämtliche Unternehmensprozesse hineinspielt und damit ungleich komplexer ist. Und vielleicht rührte daher die offensichtliche Panik der EU-Kommission kurz vor den Europawahlen.

Einen Gefallen getan hat man dem Markt mit der Übergangsfrist aber wohl nicht. Denn wenngleich alle Beteiligten sich einig sind, dass so ein kurzfristiges Nachlegen beim "endgültigen" Termin unbedingt als Sonderfall verstanden werden muss - es wurde doch ein Präzedenzfall geschaffen, der die Glaubwürdigkeit solcher finalen Termine infrage stellt. Bei künftigen Projekten wird immer die Frage im Raum stehen, wie endgültig ein "endgültiger" Stichtag denn tatsächlich sein wird. Und es wird dann Marktteilnehmer geben, die eine Fristverlängerung fest einkalkulieren und ihre Planungen darauf ausrichten, wie man es in allen Lebensbereichen erlebt. Das wird dann entweder zu einem Automatismus der "Galgenfristen" führen oder zu Problemen, wenn eine solche wider Erwarten doch verweigert wird. In diesem Sinn ist die Übergangsphase für Sepa ein Sündenfall. Das heißt aber nicht, dass die Frist nicht sinnvoll genutzt werden kann. Kreditinstitute können noch die letzten Nachzügler ansprechen, damit sie vor dem 1. August Sepa-ready werden. Andere Unternehmen haben die Chance, ihre Sepa-Prozesse zu verbessern. Auch der Gesetzgeber sollte die Chance nutzen, um nachzubessern. Denn noch wartet der Online-Handel auf eine Lösung für das E-Mandat.

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