Die Rüsselsheimer Volksbank eG hat zum Jahresanfang 2008 den VR-Mitgliederbonus eingeführt. Was waren Ihre Beweggründe für die Installation des neuen Programms?
Aus diversen empirischen Analysen ist bekannt,
dass ein durchschnittlicher Kunde heutzutage im Besitz von zirka 15 Verträgen bei sieben unterschiedlichen Finanzdienstleistern ist,
über 20 Prozent der Kunden einer Bank keine Geschäfte mehr mit dieser tätigen oder die Kontoverbindung komplett ruhen lassen und
25 Prozent aller Bankkunden ohne Weiteres bereit wären ihr Kreditinstitut zu wechseln, wenn sie ein lukratives Angebot bekommen.
Unser strategisches Ziel ist es daher, das Alleinstellungsmerkmal der Mitgliedschaft deutlich herauszustellen. Unsere Mitglieder und Kunden sind aktuell bereit, die Bankverbindung zu wechseln, wenn es ihnen an schlüssigen Angeboten, guter Beratung und emotionaler Bindung zu ihrer genossenschaftlichen Bank fehlt.
Genau dieses wollen wir mit dem VR-Mitgliederbonus ändern. Einer unserer strategischen Leitsätze lautet daher: Jeder Kunde soll auch Mitglied sein!
Wie möchten Sie dieses Ziel konkret erreichen?
Im Rahmen von Marktbeobachtungen stellten wir uns die Frage, wie es gelingen könnte, den Mitgliedern spürbare Vorteile zukommen zu lassen. Sehr schnell stießen wir bei den Überlegungen auf steuerliche Problematiken in Form der verdeckten Gewinnausschüttung. Dadurch schieden direkte Vergünstigungen zum Beispiel bei der Kontoführungsgebühr oder bei diversen Anlagen aus. Wir erkannten aber auch, dass das Thema "Payback" bei den Kunden auf eine große Affinität stößt.
Gleichzeitig suchten wir nach einer Möglichkeit, uns von den Mitwettbewerbern abzugrenzen. Keiner unserer Mitbewerber hat das Thema Förderung der Mitglieder auf seiner Agenda so verankert wie die Volks- und Raiffeisenbanken. Die Groß- und Privatbanken arbeiten nach dem Shareholder-Va-lue-Ansatz. Der Kunde selbst spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Nur in der Genossenschaft hat der Kunde, der auch gleichzeitig Anteilseigner ist, die Möglichkeit, hautnah am Unternehmen teilzuhaben. Über die Mitglieder- beziehungsweise Vertreterversammlung steht jedem Mitglied beziehungsweise Vertreter eine Stimme zu. Diese Nähe zum Unternehmen kann er in dieser Gesellschaftsform mit überschaubarem Kapitaleinsatz ausüben.
Die Mitgliedschaft wurde bis zur Einführung des VR-Mitgliederbonus im Januar 2008 eher diffus erlebt. Über den Bonus wird sie in Euro und Cent spürbar.
Was erwarten unsere Mitglieder von uns:
Materielle Vorteile bei Finanzdienstleistungen,
Vorteile bei Informations-/Service-/Beratungsleistungen im Finanzbereich,
soziale Anerkennung und persönliche Aufwertung durch besondere Betreuung,
Identifikation und Gemeinwohlorientierung,
Angebote zur Mitgestaltung.
Genau dies können wir mit dem VR-Mitgliederbonus und dem flankierenden Marketingkonzept für das Mitglied erlebbar machen. Je mehr Geschäfte das Mitglied mit uns macht, desto höher ist die Partizipation am Ergebnis.
Nach welchen Parametern errechnet sich die Höhe des an die Mitglieder ausgezahlten Bonus?
Wir haben ein sogenanntes Mitgliederbonushaus eingeführt. Für das Jahr 2008 wird ein Bonuspunkt einem Euro entsprechen. Das Bonushaus stellt die fünf Bonussäulen dar (siehe Abbildung 1). Pro gezeichnetem Geschäftsanteil können maximal 14 Bonuspunkte erreicht werden. Die Kunden können auf der Website der Bank (www.r-volksbank.de) einen selbsterklärenden Onlinerechner nutzen, mit dem sie die eigene Situation durchspielen und gegebenenfalls ihren VR-Mitgliederbonus optimieren können. Bewusst wurde beispielsweise bei den Geldeingängen auch das Taschengeld berücksichtigt, um bereits den jugendlichen Mitgliedern eine intensive Partizipation am Bonus zu ermöglichen. Wir sind stolz darauf, auch in den jüngeren Altersklassen eine hohe Anzahl von Mitgliedern vorweisen zu können (siehe Abbildung 2).
Wir sehen das Bonusprogramm insbesondere auch als Kundenbindungsinstrument. Durch die Möglichkeit, ihre Ausschüttung quasi durch die Geschäftsverbindung mit der Bank selbst zu bestimmen, ist ein Anreiz geschaffen, intensiver mit der Bank zusammenzuarbeiten. Die Kundenbindung wird gesteigert.
Haben Sie neue Mitglieder gewonnen beziehungsweise auch welche verloren?
Wir haben deutlich Mitglieder gewonnen, allerdings auch in den ersten Monaten einige verloren. Viele Mitglieder, die mit uns keine Geschäfte mehr getätigt haben, sechs Prozent Dividende aber als lukrativ empfanden, haben ihre Anteile gekündigt. Es fand eine Bereinigung unter den Mitgliedern statt, dieses aber ganz in unserem Sinne. Schließlich belohnt der VR-Mitgliederbonus insbesondere die Mitglieder, die mit uns eine intensive Geschäftsbeziehung pflegen.
In Zahlen stellt sich das wie folgt dar: Bis Juli 2008 konnten 692 neue Mitglieder gewonnen werden. Zum Vergleich: im Vorjahr waren es 366. Das entspricht einer Steigerung von 89 Prozent (siehe Abbildung 3).
Wie entwickelten sich die Geschäftsanteile der Mitglieder im Laufe des Jahres?
Die Anzahl Geschäftsanteile wurde um 2 694 auf 65 737 gesteigert.
Inwiefern hat sich das Geschäftsverhalten von Mitgliedern in den vergangenen Monaten bereits verändert?
Unsere Mitglieder haben ihre Geschäftsverbindung mit uns optimiert. Viele haben mit dem Bonusrechner die optimale Bonusausschöpfung errechnet und dementsprechend Gelder zu uns transferiert, beispielsweise Sparpläne oder Uni-Profi-Renten abgeschlossen, Kredite zu uns verlagert oder einfach nur begonnen, den Kindern Taschengeld auf das Konto per Dauerauftrag zu übertragen. Kurz und bündig: Sie haben die Geschäftsverbindung zu uns intensiviert. Deutlich wird dies auch an der Entwicklung des VR-Bonussparplans. Über dessen monatliche Besparung besteht die Möglichkeit, weitere zwölf Punkte zu erreichen. Das entspricht analog dem Bonushaus zwölf Euro.
Wir haben untersucht, wie sich die Volumina unserer neuen Mitglieder im Vergleich 2007 zu 2008 verändert haben: Das Ergebnis zeigt eindeutig, dass der Bonus die Mitglieder zu einer intensiveren Nutzung unserer Dienstleistungen animiert.
Neben der Steigerung der Mitgliederzahl war auch eine spürbare Erhöhung der Volumina bei den Mitgliedern im Aktiv- und Passivgeschäft festzustellen. Die durchschnittlichen Aktiva pro Mitglied konnten im Vergleich 2007 zu 2008 von 6 900 Euro auf 22 300 Euro gesteigert werden, die durchschnittliche Passiva von 4 600 Euro auf 23 900 Euro.
Erwarten Sie für die kommenden Jahre eine höhere Ausschüttung als sie bisher durch die reinen Dividendenzahlungen anfiel?
Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren eine höhere Ausschüttung über die Bonuspunkte erfolgt. Durch die Erhöhung der Mitgliederzahl und in Anbetracht der bisherigen Entwicklung der Geschäftsanteile wird wohl zukünftig eine höhere Summe ausgeschüttet.
Das ist aber für die Bank nicht von Nachteil, da das Geschäftsvolumen gleichzeitig wächst. Nur so kann es letztlich zu höheren Ausschüttungen kommen.
Wie hoch fällt der verwaltungstechnische Aufwand für die Einführung beziehungsweise das Betreiben des Programms aus?
Das ist leider derzeit noch eine Herausforderung. Die Vorbereitung der Einführung ist in unserem Hause in rund vier Monaten vollzogen worden (August bis Dezember 2007, Start im Januar 2008). Die Projektgruppe bestehend aus Mitgliedern der Abteilungen Vertrieb/Marketing, Marktfolge Passiv, Unternehmenssteuerung und Revision und weiteren Fachbereichen bei speziellen Themen, arbeitete mit Hochdruck an der Umsetzung. Selbstverständlich wird die Berechnung der Bonuspunkte je Bonussäule und Mitglied technisch über IDA (individuelle Datenauswertung) vollzogen, dennoch steckt viel Abstimmungsarbeit in den Endberechnungen. Durch die hohe Komplexität und Datenfülle des VR-Mitgliederbonusprogramms, sind die Rechenoperationen des zur Verfügung gestellten Programms in der IDA für Primärbanken nur sehr schwer nachzuvollziehen. Hier ist aber zukünftig von einer deutlichen Verbesserung auszugehen, da das Rechenzentrum Fiducia unserer Kenntnis nach an der Modifizierung des Programms arbeitet und somit die Unterstützung steigen wird.