Blickpunkte

Lehman-Urteile: Unbefriedigende Gewichtung

Zweimal kurz hintereinander, am 23. Juni und am 1. Juli 2009, ist die Haspa vom Landgericht Hamburg zu Schadenersatzzahlungen aufgrund von Beratungsfehlern beim Vertrieb von Lehman-Zertifikaten verurteilt worden. Und in beiden Fällen war die Begründung ähnlich. Nicht, dass man versäumte, die Kunden über das Insolvenzrisiko des Emittenten aufzuklären, wurde vom Gericht als Pflichtverletzung gewertet. Denn dieses sei zum Zeitpunkt der Beratung im Dezember 2006 eher theoretischer Natur gewesen. Die Zertifikate werden vom Gericht ausdrücklich als konservative Anlage gewertet. Dass man der Sparkasse gleichwohl vorwirft, nicht auf das Fehlen einer Einlagensicherung für Zertifikate hinzuweisen, scheint insofern nicht ganz konsequent.

Dies ist aber nach Einschätzung des Gerichts nicht die Hauptsache. Worüber die Kunden hätten informiert werden müssen, sei vor allem das wirtschaftliche Eigeninteresse der Bank am Vertrieb dieser Produkte, sprich Handelsspanne und Provisionszahlungen. Damit wird die "Kick-Back"-Rechtsprechung des BGH auf den Fall angewandt, wonach eine Bank im Rahmen der Beratung darauf hinweisen muss, ob und in welcher Höhe sie eine Rückvergütung oder Provision erhält. Weil die Haspa nicht beweisen könne, dass die Kunden sich auch bei einem Hinweis auf diesen Ertrag für die Sparkasse für das Zertifikat entschieden hätten, wird ein Schadenersatzanspruch festgestellt.

Gerade die Frage, welche Relevanz die Information über die Erträge für die Bank in Bezug auf die Kaufentscheidung hat, hinterlässt aber - zumindest beim juristischen Laien - ein ungutes Gefühl. Dass das Gericht den fehlenden Hinweis auf das Ausfallrisiko des Emittenten nicht überbewertet, ist mit Blick auf die damalige Situation vor dem Lehman-Zusammenbruch sicher gerechtfertigt. Dass aber die Frage des Risikos für den Kunden hinter die Einträglichkeit des Geschäfts für die vertreibende Bank zurücktritt, scheint unbefriedigend. Darf man wirklich davon ausgehen, dass ein Kunde sich nur deshalb nicht für ein bestimmtes, ihm ansonsten lohnend scheinendes Produkt entscheidet, weil er der Bank oder Sparkasse den damit verbundenen Gewinn nicht gönnt? Die Haspa bemängelt noch etwas anderes: Eine Tendenz der Gerichte, im Fall Lehman das Anlagerisiko nachträglich vollständig auf die Kreditinstitute zu verlagern. Mit den Urteilen hätte das Gericht "rückwirkend Pflichten für Banken erkannt, die es vorher nicht gab". Das Institut legt deshalb Berufung ein. sb

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