Blickpunkte

Leitzinssenkung - Das Falschsparen wird zementiert

Die erneute Leitzins-Senkung der europäischen Zentralbank hat die Sparer an scheinend relativ kalt gelassen. Das legt zumindest eine vor der Zinsentscheidung durchgeführte Umfrage des Marktforschungsunternehmens Maritz Research unter 882 Erwachsenen in Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen von mindestens 3 000 Euro (Single) oder 5 000 Euro (Mehrpersonen) nahe. Denn fast 40 Prozent der Befragen sahen hier keinen Anlass, ihr Geld vor Inflationsverlusten zu schützen. Lediglich 30 Prozent denken eigenen Ausagen zufolge über eine verstärkte Anlage ihres Vermögens in Wertpapiere, Aktien und Fonds nach.

Das die Kommentare aus der Bankenbranche septisch bis negativ ausfielen, muss angesichts dessen nicht verwundern. "Die EZB ist schon zu weit gegangen", formuliert es die Targobank, der DSGV bezeichnet die Entscheidung der Zentralbank als "gefährlichen Weg" und der BVR als "Placebopolitik auf Kosten der Sparer". Der VÖB bewertet die erneute Zinssenkung und den negativen Einlagenzins für Kreditinstitute als "zumindest effektlos", und auch der Bankenverband hält die Folgen des negativen Einlagenzins für "mehr als ungewiss".

Während Impulse für die Wirtschaft in den Krisenländern von dem neuerlichen Zinsschritt ebenso wenig erwartet werden, wie sie durch die vorangegangenen erreicht wurden, ist das Signal für die ohnehin stark angeschlagene Sparkultur in Deutschland fatal. Das Sparklima im nächsten Monat wird dies sicher widerspiegeln.

Negativzinsen für die Einlagen der privaten Kunden werden zwar vermutlich die Ausnahme bleiben. Schon um einen massiven Abzug von Einlagen zu vermeiden, der als Folge solcher "Strafgebühren" fürs Sparen zu erwarten wäre, werden sich Banken und Sparkassen bemühen, ihre Kunden von negativen Zinsen zu verschonen. Die Ertragslage der Kreditinstitute wird dadurch aber weiter belastet.

Schon allein deshalb müssten Anlageberater ihren Kunden verstärkt zu Aktien und Fonds raten, um wegfallende Zinserträge durch Provisionen wettzumachen. Womit das Feindbild vom Anlageberater, der im Eigenintresse der Bank in bestimmte Produktklassen hineinberät, wieder einmal bestätigt wäre - zumindest dann, wenn sich der erhoffte Anlageerfolg nicht einstellt.

Das wiederum bedeutet: Angesichts der immer neuen Höchststände an den europäischen Aktienmärkten muss eine seriöse Wertpapierberatung die Kunden nachdrücklich auf eine anstehende Kurskorrektur vorbereiten, um spätere Unzufriedenheit zu vermeiden - nicht gerade ein überzeugendes Verkaufsargument für die risikoscheuen deutschen Sparer. Das "Falschsparen" der Deutschen wird also vermutlich trotz (oder wegen) der sinkenden Zinsen eher weiter zementiert. Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X