Im Gespräch

"Wir matchen Menschen mit Portfolien" Interview mit Karl Matthäus Schmidt

Sie haben angekündigt, mit Quirion professionelle Vermögensverwaltungen allen zugänglich zu machen. An welche Zielgruppe richten Sie sich genau?

Wir richten uns an online-affine, gut informierte und selbstbestimmte Anleger, die sich von herkömmlichen Banken nicht ausreichend betreut fühlen, den Schritt zu Vermögensverwaltern oder Honorarberatern aber bisher aus Kostengründen scheuten.

Ihnen bieten wir bereits ab Anlagebeträgen von 10 000 Euro eine professionelle Vermögensverwaltung an. Wir wollen aber auch Kunden gewinnen, die höhere Beträge auf dem Festgeldkonto haben und diese lieber am Kapitalmarkt anlegen wollen.

In der Pressemitteilung wird Quirion als Online-Honorarberatung angekündigt. Wie passt denn das Stichwort "Beratung" mit dem "selbstbestimmten" Kunden zusammen?

Auf der Quirion-Homepage haben wir drei Dienstleistungen:

- Unsere Marktportfolien fußen im Kern auf dem Modell von Nobelpreisträger Eugene Fama und Kenneth French und der Erkenntnis, dass kein Anleger und auch kein aktiver Fondsmanager auf Dauer den Markt schlagen kann. Deshalb werden bei Quirion ausgewählte passiv anlegende Index-Fonds verwendet. Bei den Marktportfolien muss der Kunde lediglich mit einem Schieberegler eine Renditeerwartung angeben. Dann zeigt eine Grafik auf, wie viel Risiko damit einhergeht. So eine Transparenz bietet sonst keine Bank.

- Für diejenigen, die sich über Szenarien der wirtschaftlichen Entwicklung Gedanken machen (beispielsweise kommt die Inflation oder kommt sie nicht?), gibt es als zweiten Baustein vier verschiedene Zukunftsbilder über mögliche wirtschaftliche Entwicklungspfade, zu denen wir ganz spezielle Portfolien gebaut haben.

- Als dritten Baustein bieten wir auch WpHG-relevante Beratung mit zeitanteiliger Berechnung zu einem Stundenhonorar von 150 Euro an. Wenn der Kunde sich auf der Plattform nicht zurechtfindet, kann er telefonisch Kontakt zu einem Honorarberater aufnehmen. Für diesen Fall haben wir sechs verschiedene Beratungsanlässe definiert und Fragebögen hinterlegt, die der Kunde ausfüllen und zurücksenden muss. Dann erhält er ein Angebot, was eine Beratung kostet. Das kann ein Telefonat, ein Gutachten zu seinem bestehenden Depot oder ein individuelles Beratungsgespräch mit Beratungsprotokoll sein.

Eine Kannibalisierung des eigenen Beratungsansatzes fürchten Sie also nicht?

Nein, weil wir mit Quirion eine andere Zielgruppe ansprechen. Der Kunde, der in eine Quirin-Bank-Filiale geht, sucht eine persönliche Beratung und will vielleicht ganz spezielle Themen mit seinem Berater umsetzen. Quirion verfolgt dagegen einen anderen Ansatzpunkt: Wer über Liquidität verfügt und ein kostengünstiges, professionelles Portfoliomanagement sucht, der ist bei Quirion richtig. Diese Kunden wollen keine klassische, persönliche Bankberatung, sondern sind sehr selbstbestimmt. Sie wählen nicht nur ihr Bankangebot aus, sondern entscheiden auch über die Art ihrer Finanzanlage selbst.

Ist man damit nicht wieder bei den Selbstentscheidern, um die sich die Direktbanken bemühen?

Nein, auch das ist nicht unsere Zielgruppe. Ein Direktbankkunde, der im Wertpapiergeschäft unterwegs ist, kauft typischerweise Einzeltitel oder Fonds. Das ist nicht unser Konzept. Es geht nicht darum, vermeintlichen Gelegenheiten oder Trends hinterherzulaufen, sondern wir bieten auf wissenschaftlicher Basis Portfolien an. Am Ende matchen wir Menschen mit Portfolien. Anders gesagt: wir kombinieren Kundenbedürfnisse mit Anlagestrategien. Das ist aus meiner Sicht die Zukunft der Bankberatung.

Unsere Hauptzielgruppe sind also zum einen diejenigen, die heute Festgeld haben und Hilfestellung beim Schritt an den Kapitalmarkt suchen und zum anderen diejenigen, die bereits am Kapitalmarkt unterwegs sind, sich aber nicht professionell aufgestellt fühlen oder ihre jetzige Vermögensverwaltung zu teuer finden.

Auch die Direktbanken arbeiten ja derzeit daran, den Anlegern mehr Hilfestellung bei der Zusammenstellung ihres Depots zu geben ...

Das ist richtig. Dabei handelt es sich jedoch zumeist um regelbasierte Systeme auf Einzeltitelbasis. Im Grunde sind solche Ansätze lediglich eine Übersetzung von Althergebrachtem in eine Direktbank. Und dort, wo ein Vermögensverwaltungsansatz besteht, werden Produkte eingesetzt, die aus der Provisionswelt kommen.

Was uns massiv unterscheidet ist, dass wir mit ETFs arbeiten, die andere Anbieter gar nicht anbieten, weil sie daran nichts verdienen.

Und mit einem Preis von 0,38 Prozent des angelegten Vermögens pro Jahr bieten wir die bisher preisgünstigste Vermögensverwaltung in Deutschland an. Das ist ein ganz wesentlicher Wettbewerbsvorteil in Deutschland.

Welche "Halbwertzeit" hat eine solche Differenzierung vom Wettbewerb?

Das ist schwer zu sagen. Unseren neuen, wissenschaftlich fundierten Ansatz bietet derzeit kein anderer Marktteilnehmer in der gleichen Konsequenz an wie wir das tun. Er passt auch gut zu unserem Geschäftsmodell der Honorarberatung, die auf Unabhängigkeit und Transparenz setzt. Das muss man erst einmal kopieren und in den Systemen abbilden - und das zu dem günstigen Preis.

Ist der dritte Bestandteil von Quirion - der Button "Honorarberatung wählen" - der Einstieg in die Online-Beratung mit Webcam oder Live-Chat? Oder landet auch der online-affine Kunde dann in der persönlichen Beratung?

Wenn der Kunde eine Skype-Verbindung hat, können wir die Beratung jederzeit über Skype anbieten. Ansonsten spricht er erst einmal am Telefon mit seinem Berater.

Sehen Sie die Zukunft der Beratung in den elektronischen Kanälen? Oder wird Beratung auch künftig etwas Persönliches bleiben?

Das ist sicher eine Frage der Höhe und Komplexität des Vermögens. Insofern gibt es Grenzen der online-gestützten Beratung. So sind manche Fragestellungen wie beispielsweise Erbfolgeregelungen nur im persönlichen Gespräch zu lösen. Dafür haben wir unsere 14 Niederlassungen mit rund 100 Honorarberaterinnen und -beratern direkt vor Ort beim Kunden.

Fakt ist aber, dass sich nicht für jedes Vermögen eine persönliche Beratung in einer Filiale lohnt. Deshalb haben wir als dritten Baustein bei Quirion, die Möglichkeit geschaffen, stundenweise die Expertise eines Beraters zu buchen. Wir werden die dort hinterlegten Beratungsanlässe zielgerichtet weiter ausbauen, beispielsweise in Richtung Altersvorsorge. Dort können wir den Kunden dann auf Honorarbasis individuelle Beratung anbieten. Für Kunden, die weniger komplexe Vermögen haben, ist das aus meiner Sicht eine gute Möglichkeit, zu einer unabhängigen, verbraucherfreundlichen Beratung zu kommen.

Hat die Akzeptanz der Honorarberatung inzwischen zugenommen?

Wir stehen noch ganz am Anfang, die Honorarberatung in Deutschland bekannter zu machen. Die Menschen müssen erst lernen, dass es eine Alternative zum provisonsorientierten Produktverkauf gibt. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit erforderlich. Unsere neue Online-Plattform wird dabei helfen, das Modell der Honorarberatung weiter zu verbreiten. Zumal bei Quirion die Einstiegshürden gering sind, deshalb sprechen wir damit eine wesentlich breitere Zielgruppe an.

Das Potenzial ist deshalb groß. Die Vereinigten Staaten haben uns gegenüber 23 Jahre Vorsprung in der Honorarberatung mit einem Marktanteil von 20 Prozent. In Deutschland ist mit einem Prozent Marktanteil noch viel Luft nach oben.

Wie sieht denn die Marketingstrategie für Quirion aus?

Wir befinden uns gerade in der Phase, in der wir das Angebot life stellen und werden in diesem Jahr mit Werbung anfangen, insbesondere im Internet, zum Beispiel auf Finanzportalen, großen Medienwebseiten, vielleicht auch Facebook. Hier wird es darum gehen, im "trial and error"-Verfahren zu lernen, was bei den Internet-Usern am besten funktioniert. Auf Basis unserer Erfahrungen werden wir dann überlegen, wie wir 2014 Gas geben.

Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen?

Natürlich werden wir unsere Zeit brauchen, bis der Markt das Konzept von Quirion versteht. In fünf Jahren wollen wir jedoch mit Abstand die größte Online-Honorarberatungsplattform in Deutschland sein.

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