Blickpunkte

Öffentlichkeitsarbeit - Ergo entschuldigt sich

Der Ärger bei der Ergo-Versicherung reißt nicht ab. Kaum hat sich der öffentliche Aufschrei über die "Sex-Reise" der Vertriebsorganisation im Jahr 2007 beruhigt, wurde der Versicherer mit neuen Vorwürfen konfrontiert: Zum einen soll Kunden dazu geraten worden sein, bestehende Lebensversicherungen zu kündigen, ohne auf die Nachteile der Vertragskündigung hinzuweisen. Und bei Riester-Verträgen wurde im zweiten Halbjahr 2005 ein falscher Kostensatz berechnet. Der Versicherer selbst hat rund 14 000 betroffene Kunden ausgemacht und will für diese Verträge unaufgefordert eine Neuberechnung vornehmen. Zu den Vorwürfen der Süddeutschen Zeitung, wonach Versicherungsvertreter sich unter dem Vorwand, eine Umfrage im Auftrag des Deutschen Familienverbands durchzuführen, Zugang zu Wohnungen verschafft haben sollen, hat Ergo bislang noch nicht Stellung bezogen.

All das hat das Image des Versicherers schwer beschädigt. Dass alle Vorwürfe die Ära von "Herrn Kaiser" betreffen und man sich von dieser Werbeikone längst verabschiedet hat, ist dabei nur ein schwacher Trost. Denn anders als die Targobank, die nicht nur den Namen, sondern auch den Gesellschafter gewechselt hat, kann Ergo keinen kompletten Neustart hinlegen, sondern muss sich der Verantwortung für das Vorgefallene in vollem Maß stellen.

In der Werbebranche gab es deshalb schon geraume Zeit Diskussionen darüber, ob es unter diesen Umständen ratsam ist, die 2010 gestartete Kampagne "Versichern heißt verstehen" ohne Adaptionen weiter laufen zu lassen. Sie hat sich zwar als äußerst erfolgreich erwiesen. Wer aber mit dem Verständnis für seine Kunden wirbt, kann eigentlich deren Empörung über fragwürdige Vertriebsmethoden und andere Fehler nicht einfach sang- und klanglos übergehen. Das sah offenbar schließlich auch die Konzernzentrale so und hat sich mit Anzeigen in überregionalen Tageszeitungen entschuldigt. "Versichern heißt verstehen ist für Ergo mehr als ein Werbeslogan" heißt es da. Deshalb sollen alle Vorwürfe durch Pricewaterhouse-Coopers unabhängig geprüft werden, um Fehler auszugleichen und ähnliche Vorfälle in Zukunft nicht mehr vorkommen zu lassen.

Ein Ansatz ist das immerhin. Solche öffentlichen Entschuldigungen gab es in Deutschland noch nicht oft. Ob mit den reinen Textanzeigen, die zudem nur eine Einmalaktion blieben, der Vertrauensverlust gemindert werden kann, bleibt indessen fraglich. Reaktionen im Netz waren jedenfalls großenteils negativ. Ein TV-Spot, in dem sich der Vorstand persönlich entschuldigen würde, wie man es etwa aus Japan kennt, wäre dem neuen Anspruch des Versicherers vermutlich besser gerecht geworden. Aber so weit ist Deutschland wohl noch nicht.

Ob das Wiederanlaufen der Imagekampagne (seit 4. Juli wird der zweite Flight fortgesetzt) nach der selbstverordneten vier wöchigen Werbepause vor dem aktuellen Hintergrund eine gute Idee war, wird sich zeigen müssen. Zumindest anfangs wird der Spot bei dem einen oder anderen Kunden vermutlich sicher nur Kopfschütteln ausgelöst haben. Aber vielleicht zählt hier wirklich nur durchzuhalten. Red.

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