Banken und Medien

Social-Media-Monitoring und Krisenkommunikation

Das Durchforsten des Internets nach kritischen Inhalten gleicht der Suche nach der Stecknadel im Datenhaufen. Nach einer jüngsten Analyse werden in 60 Sekunden im Internet rund 41 000 Facebook-Posts, 278 000 Tweets und 72 Stunden Videomaterial auf Youtube veröffentlicht. Kein Wunder, allein in Deutschland sind 74 Prozent aller Internetnutzer in einem sozialen Netzwerk angemeldet1) , ein Großteil von ihnen ist täglich aktiv. Ein rasanter technischer Fortschritt, dank dem Menschen immer und überall von ihren Smartphones, Tablets und Laptops aus online sein können, macht es möglich. Social- Media-Monitoring ist der Prozess, bei dem die unüberschaubare Informationsflut im Internet mit technischen und menschlichen Mitteln nach relevanten Informationen professionell durchsucht, ausgewertet und aufbereitet wird.

Es ist keine Neuigkeit, dass die Medienlandschaft im Umbruch ist. Klassische Printmedien haben in Deutschland mit dieser Entwicklung zu kämpfen. Das zeigen das Aus für die Financial Times Deutschland und beinahe die Frankfurter Rundschau in den letzten Monaten sowie der jüngste Verkauf vieler Printmedien der Axel Springer AG. Kommunikation spielt sich zunehmend online ab. Dies stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Das herkömmliche Presseclipping ist angesichts der Datenmenge, die im Netz ständig produziert wird, schon lange nicht mehr ausreichend, wenn die Kommunikationsabteilungen oder ein Entscheider wissen möchten, was über das Unternehmen gesprochen wird.

Während früher die öffentliche Meinung hauptsächlich durch Medien repräsentiert wurde, kann sich heute in sozialen Netzwerken jeder zu Wort melden - und alles öffentlich gemacht und verbreitet werden. Der Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg als Verteidigungsminister im Zuge der Plagiatsaffäre dürfte noch vielen gut im Gedächtnis sein. Der Schritt war unumgänglich, nachdem sich diverse Wissenschaftler digital zusammengeschlossen hatten, um im sogenannten "GuttenPlag" die Dissertation Guttenbergs zu untersuchen - und dies alles vor den Augen der Öffentlichkeit. Ein weiteres Merkmal des neuen und mächtigen Internets ist seine Schnelligkeit. Beim Flugzeugabsturz des Asiana-Airlines-Fluges 214 im Juli 2013 dauerte es etwa eine Minute vom Zwischenfall bis zum ersten Tweet über den Absturz.

Social Media in der Finanzbranche: Shitstorms auch ohne Skandal

Was bedeutet diese Entwicklung für die Finanzbranche? Auch hier gilt: Skandale unter den Teppich zu kehren ist im digitalen Zeitalter unmöglich. Als die Medien Skandalgeschichten um die sogenannten "Lustreisen" (sueddeutsche.de) der Ergo-Versicherung aufdeckten, ging auch die Netzgemeinde auf die Barrikaden. Einflussreiche Blogger posteten hämische Artikel, mit denen die Stimmung zusätzlich angeheizt wurde und die schockierte Öffentlichkeit konnte ihrem Ärger in den sozialen Netzwerken Luft machen. Auch wenn die öffentliche Empörung mittlerweile abgeflaut ist - das Internet vergisst nicht. Blogartikel und Postings in sozialen Netzwerken sind weiterhin abrufbar - und somit kann auch das Thema in Sekundenschnelle durch Teilen eines Blogartikels eines einflussreichen Bloggers jederzeit wieder aufgenommen werden. Manchmal braucht es noch nicht einmal einen Skandal, um eine PR-Krise zu entfachen. Empörungswellen in der digitalen Welt, sogenannte Shitstorms, können auch rein durch das Netz produziert werden. So erklärten vegane Netzaktivisten im Jahr 2012 der ING-Diba den sogenannten "Wurstkrieg". Hintergrund war ein Werbespot mit Basketballstar Dirk Nowitzki, in dem er in einer Metzgerei eine Wurstscheibe verspeist. Innerhalb von zwei Wochen gab es allein auf der offiziellen Facebook-Präsenz der ING-Diba über 1 400 Posts mit rund 15 000 Kommentaren, in denen sich wechselseitig Veganer, Vegetarier und Fleischesser zu Wort meldeten - bis die Bank, die sich bisher zurückgehalten hatte, der Diskussion ein Ende bereitete.

Social-Media-Monitoring bei Sparkassen seit 2008

Die Masse der produzierten Daten wird eher zu- als abnehmen. Angesichts dieser Entwicklung haben sich auch die Sparkassen dazu entschieden, ihre Arbeit auf diese Entwicklung auszurichten und neue Kommunikationswege zu beschreiten. Die Wich tigkeit des professionellen Social-Media-Monitorings neben dem regulären Unternehmenspressespiegel ist beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) bereits seit Jahren ein Thema. 2008 wurde die erste Lösung im Auftrag des DSGV umgesetzt. Der Auftrag wurde vom zentralen Internet-Dienstleister, dem Sparkassen-Finanzportal, umgesetzt.

Aufmerksamkeit erhielt das Thema Monitoring auch durch einen Shitstorm gegen eine Sparkasse, welcher durch eine einfache Kundenbeschwerde auf Twitter ausgelöst wurde. Wegen einer fehlenden Sozialversicherungsnummer (für einen Riestervertrag) wurde die ec-Karte einer Kundin gesperrt und anschließend aus Sicherheitsgründen eingezogen. Das offenkundige Fehlverhalten der Sparkasse wurde im Blog des Freundes der Kundin veröffentlicht. Innerhalb weniger Stunden verbreitete sich der Artikel mit negativen Anmerkungen auf Twitter.

Krise als Chance begreifen

Muss jede Krise im Social Web für ein Unternehmen schädlich sein? Noch immer richten einige Unternehmen nur ungern eigene Kanäle ein - aus Angst vor Shitstorms. Sie übersehen dabei, dass gerade in den sozialen Netzwerken Krisen auch eine Chance sind. Nirgendwo sonst haben Unternehmen die Möglichkeit, so einfach und direkt mit ihren Kunden zu kommunizieren.

Die ING-Diba konnte beispielsweise durch ihr Statement bezüglich des Werbespots viel Verständnis in der Community erzeugen - und gleichzeitig ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und neuen Fans für ihren Facebook-Markenauftritt verzeichnen. Fachmedien und Blogs berichteten ebenfalls positiv über das Vorgehen.

Die erwähnte Sparkasse hatte sich im Vorfeld für ein professionelles Monitoring entschieden und wurde schnell über den Vorfall informiert. Sowohl der Kundenberater als auch der Marktbezirksleiter erschienen persönlich bei der Kundin und entschuldigten sich für den Vorfall. Die Folge: Ein weiterer Blogartikel des Freundes der Kundin, welcher die schnelle Reaktion lobte. Dank des Artikels schwenkte auch die Stimmung gegenüber der Sparkasse in der Twitter-Community um. Hierbei wurde auch gelobt, dass ein großes und regional verzweigtes Unternehmen wie die Sparkassen-Finanzgruppe auf die Beschwerde so schnell und persönlich reagierte. Diese Meldung wurde von weiteren reichweitenstarken Blogs aufgegriffen und verbreitet.

Wie die vorangegangenen Beispiele der Krisenkommunikation im Social Web demonstrieren, sind eigene Kommunikationskanäle in sozialen Netzwerken eine einfache Möglichkeit, um mit der Öffentlichkeit gerade in Krisensituationen in Kontakt zu treten. Auch wenn man sich - wie das Beispiel ING-Diba zeigt - die Kritiker auf die eigene Plattform holen kann, signalisiert ein Unternehmen auf diese Weise die Bereitschaft, in einen offenen Dialog mit jedem zu treten, vom Kunden bis zum Fachjournalisten. Ohne einen eigenen Unternehmensauftritt vergibt man die Möglichkeit, sich in die Diskussion mit einzubringen.

In die Krisenkommunikation einbeziehen

Entscheidend ist an dieser Stelle, dass auch die eigenen Social-Media-Kanäle professionell betreut und in diesen gestellte Anfragen auch beantwortet werden. Viele Unternehmen haben soziale Netzwerke bereits als Kanäle zur Imagepflege, Kundenbindung und Kundenservice entdeckt. Social Media ist, wie der Asiana-Airlines-Absturz einmal mehr demonstrierte, schneller als herkömmliche Medien. Daher ist es für Unternehmen essenziell, soziale Netzwerke und vor allem die eigenen Präsenzen in Krisennotfallpläne der Unternehmenskommunikation mit einzubeziehen.

Tritt die Krise ein, ist es mit reinem Monitoring nicht getan - die Community erwartet proaktive Statements der Unternehmen in den sozialen Netzwerken, direkt an sie gerichtet. Eine Pressemitteilung ist hierfür nicht ausreichend. Die Community auf Facebook, Twitter und Co besteht nicht aus Fachjournalisten und erwartet, entsprechend informiert und angesprochen zu werden. Natürlich haben auch Journalisten ständig ein Auge auf die Aktivitäten in sozialen Netzwerken. Die Mechanismen, die im Krisenfall ablaufen sollen, müssen daher bereits im Vorfeld geklärt werden. Es braucht für den Krisenfall vorbestimmte Prozesse: Ansprechpartner und ihre Kontaktdaten, Formulierungen und Freigaben müssen vordefiniert sein, damit möglichst schnell reagiert werden kann.

Offene Augen und Ohren haben

Vor dem Hintergrund der digitalen Revolution, bedingt durch die rasante technische Entwicklung im Bereich Netzabdeckung und Hardware einerseits und durch die hohe Akzeptanz von sozialen Netzwerken und dem ständigen Informations- und Aktualitätshunger von großen Teilen der Verbraucher andererseits ist die Unternehmenskommunikation vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Jede Minute wird im Internet eine gewaltige Datenmenge produziert, deren Erfassung und Analyse ohne professionelle Hilfe kaum möglich ist. Wer wissen will, wie die Stimmung gegenüber seinem Unternehmen ist, kann sich angesichts dieser Tatsache nicht mehr auf seinen altbewährten Pressespiegel verlassen.

Soziale Netzwerke sind Chancen für Unternehmen, weil Kunden unmittelbar erreicht und zu authentischen Multiplikatoren von Produktnews werden können. Gleichzeitig aber nehmen sie Unternehmen in die Pflicht. Verschwiegen werden kann fast nichts mehr. Jeder Fehler, jede Peinlichkeit kann in der Öffentlichkeit erscheinen. Unternehmen müssen sich bewusst werden, dass sie nicht mehr nur von Fachjournalisten im Interview nach unbequemen Themen gefragt, sondern dass in sozialen Netzwerken zu jedem Zeitpunkt unbequeme Fragen gestellt werden können - und zwar von jedem, dem der Sinn danach steht.

Daraus ergibt sich die Frage, wie Social-Media-Monitoring konkret im Unternehmen verankert werden kann. Gerade die dezentral aufgestellte Sparkassen-Finanzgruppe ist hier mit über 350 000 Mitarbeitern in 418 Sparkassen, neun Landesbanken, 12 regionalen Sparkassen- und Giroverbänden und weiteren zahlreichen Tochterunternehmen und Verbundpartnern vor besondere Herausforderungen gestellt. Der seit 2008 bestehende Monitoring-Service wird mittlerweile von einem großen Teil der Sparkassen, Verbände sowie Tochter- und Partnerunternehmen in Anspruch genommen. Wer die Zeichen der Zeit versteht, kann auch frühzeitig von ihnen profitieren. Wenn ein Geldautomat in einer Filiale kaputt ist, erfahren Sparkassen das über Social-Media-Monitoring oftmals noch vor der technischen Abteilung.

Technische und menschliche Komponente

Die Social-Media-Monitoring-Lösung des Sparkassen-Finanzportals funktioniert mit einer technischen und einer menschlichen Komponente. Mit dem Social-Media-Monitoring-Tool Brandwatch kann das Monitoring als automatisierter Prozess auf die spezifischen Ansprüche einer Sparkasse ausgerichtet werden. Mit diesem Tool können beispielsweise alle Meldungen, welche bestimmte vordefinierte Keywords aufweisen, abgerufen werden. Diese Keywords variieren je nach Sparkasse - denn als öffentlich-rechtliche Institute sind Sparkassen stark an ihre Region geknüpft - auch durch eine Vielzahl an lokalen Förderprojekten und gesellschaftlichen Veranstaltungen. Um es konkret zu sagen: Spezifische Gegebenheiten erfordern immer auch eine spezifische Anpassung der Keywords, nach denen beispielsweise Blogs, Foren, Netzwerke, regionale und überregionale Medien inklusive ihrer Leserkommentare durchforstet werden. In einem weiteren Schritt werden die zusammengestellten Informationen vom Monitoring-Team nach verschiedenen Kriterien qualifiziert und ausgewertet. Hierbei werden selbstverständlich die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen beachtet.

In einem genau mit den jeweiligen Instituten und Unternehmen abgestimmten Eskalationsstufensystem werden die Ansprechpartner dann bei kritischen Meldungen umgehend benachrichtigt. Zusätzlich zum Eskalationsservice werden in regelmäßigen Abständen Reports zum Sentiment im Social Web erstellt - damit beispielsweise die jeweilige Sparkasse auch immer über die generelle Stimmung, Trends und Tendenzen im Social Web im Bilde ist.

Zum Setup des Social-Media-Monitorings gehören auch die Hilfe bei der Erstellung eines Krisenplans und Handlungsempfehlungen für den Krisenfall - denn dann ist es mit reinem Zuhören nicht mehr getan. Social-Media-Monitoring schließt in diesem Fall verschiedene Bereiche ein. Die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit von Unternehmenskommunikation, Marketing, Beschwerdemanagement und IT ist Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Social-Media-Monitoring und Krisenmanagement.

Die Verlagerung der Kommunikation in die digitale Welt ist eine unaufhaltsame Entwicklung. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen die Risiken, aber auch die Chancen begreifen und in ihre Arbeit mit einbeziehen. Die Ergebnisse des Social-Media-Monitorings sind vor diesem Hintergrund zunehmend wichtige Indikatoren für die Wahrnehmung einer Marke und ihrer Produkte. Wenn Unternehmen zuhören, was ihre Kunden zu sagen haben, können sie nur gewinnen. In einem offenen Dialog können dann auch Krisensituationen gemeistert und zum Vorteil gewendet werden.

Anmerkung

1) Quelle: www.berlinbuzz.org, Social Media- Statistik 2012.

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