IT im Vertrieb

Versteckte Schätze im Beratungsprotokoll nutzen

Als das gesetzlich vorgeschriebene Protokoll für die Privatkundenberatung im Wertpapiergeschäft eingeführt wurde (§ 34 Abs. 2 a WpHG), hatten die Institute zunächst erhebliche organisatorische Aufgabenstellungen zu lösen. Es ging darum, kundenfreundliche Protokolle zu entwerfen und den Einsatz in der Praxis umzusetzen. In diesem Prozess bezweifelten viele Beobachter den Nutzwert der protokollierten Inhalte und prangerten gleichzeitig den bürokratischen Aufwand an. Zu Unrecht, wie sich aus heutiger Sicht feststellen lässt. Denn die Kritiker übersahen dabei die Chancen, die das Protokoll in Bezug auf Vertrieb und Qualität der Beratung liefert. So bergen die im Kundengespräch dokumentierten Informationen einen wahren Schatz für Kundenbetreuung und Vertrieb.

Im Wertpapiergeschäft bildet derzeit die Zielgruppe der 30- bis 39-jährigen Privatanleger die potenziell größte Kundengruppe für Aktienkäufe im Neugeschäft. Ausgehend vom "Know-your-customer-Prinzip" sind daher für den Vertrieb aktuelle Informationen, die Aufschluss über das Kundenverhalten geben, höchst willkommen. Dabei stellt sich beispielsweise die Frage, welche Faktoren den Abverkauf für diese Kundengruppe positiv und welche negativ beeinflussen und welche Wünsche die Anleger umtreibt. An dieser Stelle bietet die Auswertung des Beratungsprotokolls wertvolle Hinweise. Denn zum Auftakt eines jeden Kundendialogs zur Wertpapieranlage werden im Beratungsprotokoll Wünsche und Ziele des Kunden standardisiert abgefragt und dokumentiert.

Stimmungsbild der Kundenmotive

Der Bank bietet die gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Datensammlung an dieser Stelle eine wichtige Auswertungsbasis. Denn repräsentativ zusammengefasst lässt sich für die Vertriebsverantwortlichen ein Stimmungsbild der Kundenmotive zeichnen und durch regelmäßige Auswertungsintervalle nachverfolgen. Die beim Kunden abgefragten wesentlichen Anlageziele und deren Gewichtung (§ 34 Abs. 2 a WpHG) sind demnach nicht nur zur Erfüllung einer regulatorischen Pflichtaufgabe wertvoll, sondern lassen sich darüber hinaus als Stimmungsbarometer nutzbar machen.

Über die wesentlichen Anlageziele und deren Gewichtung hinaus bieten die im Beratungsprotokoll abgefragten Standards eine ganze Reihe weiterer Informationen, die als Basis dienen, den Wirkzusammenhang zwischen den Anlageempfehlungen von Wertpapiergeschäften und dem Kundenverhalten sichtbar zu machen. Dazu zählt etwa der Anlass, der zum Gespräch mit dem Berater geführt hat, oder die protokollierte persönliche Situation und Risikobereitschaft des Kunden - ausgedrückt in Anlagehorizont und Anlagestrategie.

IT-Strategie der kleinen Schritte

Um die vorgeschriebenen Daten für den Vertrieb praktisch nutzbar zu machen, gilt es, die Protokollinformationen in die bestehenden Banksysteme einzubinden. Die gute Nachricht für Budget-Verantwortliche: Hier empfiehlt sich eine Strategie der kleinen Schritte. Denn bei der Aufnahme der Daten aus dem Beratungsprotokoll geht es zunächst darum, eine zentrale Datenhaltung sicherzustellen. Die bereits bestehenden Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM) der Banken sind ohne Weiteres in der Lage, die Informationen entsprechend zu erfassen. Anschließend geht es darum, mit Unterstützung der vertriebsorientierten Softwarelösung des Hauses eine Datenanalyse aufzusetzen. An dieser Stelle empfiehlt sich der Einsatz von Data-Mining-Techniken. Unter Berücksichtigung von Datenschutz- und Sicher heitsaspekten bietet sich so die Möglichkeit, Kunden entsprechend ihren Wünschen nach Potenzialen zu segmentieren und passgenaue Angebote zu entwickeln.

Dazu zählen die im Kundengespräch geschilderten Erfahrungen mit unterschiedlichen Anlageklassen, Vorsorgeziele oder sonstige persönliche Aspekte der Kundensituationen.

Ergänzend können die Institute beispielsweise die unterschiedliche Akzeptanz aktiver oder passiver Vertriebsansätze berücksichtigen. Diese Daten liefern dem Bankberater für den Einzelfall eine wichtige Entscheidungsgrundlage, ob seine Kunden eher eine aktive Ansprache wünschen oder es sich eher empfiehlt, einen Besuch in der Filiale abzuwarten.

An dieser Stelle wird deutlich, dass sich die Beratungsprotokolle als wichtige Quelle nutzen lassen, um konkreten Kundenwünschen auf die Spur zu kommen.

Dieser Ansatz passt zum generellen Umdenken im Vertrieb, der derzeit in vielen Chefetagen der Bankenbranche formuliert wird. Der Privatkundenvorstand Martin Zielke von der Commerzbank kündigte jüngst diesen Richtungswechsel an, indem er künftig jedem Berater mehr Zeit für Kundengespräche einräumen will. Dabei sollen die Kundenbetreuer eigenverantwortlicher handeln und die bisher eher als softer Faktor bewertete "Kundenzufriedenheit" fließt deutlich stärker als bisher in die Performanceauswertung der Filialen mit ein. Ähnlich äußert sich die Hypovereinsbank: Auf Jahressicht werden dort Kundenzufriedenheitsmessungen in die Vertriebskennzahlen mit aufgenommen.

Der Fokus auf kurzfristige Zielvorgaben ohne ausdrückliche Einbindung der Ergebnisse zur Kundenzufriedenheit dürfte damit zum Auslaufmodell werden - gleichzeitig rückt das Kundenmanagement in den Blickpunkt. Die am Kundenwunsch ausgerichtete Vertriebsstrategie ebnet den Weg für Differenzierungsmöglichkeiten. Um mit diesem Strategieschwenk erfolgreich zu sein, sind die Institute jedoch gefordert, ihre Mitarbeiter ausreichend bei der Umsetzung zu unterstützen.

Hier stehen allerdings viele Banken erst am Anfang. Denn was beispielsweise die Beratungsprotokolle betrifft, vermitteln sie ihren Beratern häufig selber das Gefühl, dass es bei den Inhalten nur um lästige Bürokratie geht. So wird das Ziel, eine spürbar bessere Beratung zu liefern und dabei gleichzeitig die Vertriebsziele des Instituts im Blick zu behalten, verfehlt.

Filialbanken sollten ihren Vorteil nutzen

Im Vergleich der Institutsgruppen wird eine schnelle Umsetzung des Strategiewechsels samt Einbindung des Beratungsprotokolls in das Kundenmanagement an erster Stelle bei den Filialbanken gelingen. Der Grund liegt im vertieften Kundenwissen, das aufgrund ihrer Marktpositionierung und langjähriger Kundenverbindungen in der Regel bereits vorhanden ist und sich mit Hilfe der neuen Analyseinhalte wirksam ergänzen lässt. Das Wissen um die tatsächliche Qualität der Beratung und die Einbindung aller Informationsquellen in das Kundenmanagement bildet an dieser Stelle eine wichtige Voraussetzung dafür, flexibler auf Änderungen im Nachfrageverhalten reagieren zu können.

Die Institute sollten so etwa die Chance nutzen, im Wertpapiergeschäft die Reaktion der Kunden auf verschiedene Anlageklassen zu erfassen und nutzbar zu machen. In der Auswertung aller Antworten lassen sich wiederum nach Zielgruppen aufgeschlüsselt wichtige Anhaltspunkte für die Vertriebsstrategie gewinnen. So lässt sich beispielsweise überprüfen, ob der in den allgemeinen Branchenprognosen für die kommenden Jahre vorher gesagte Rückgang der Nachfrage für festverzinsliche Wertpapiere bei der eigenen Klientel der Bank ebenfalls sichtbar wird oder sich die Kundenstruktur möglicherweise genau entgegen dem allgemeinen Trend entwickelt. Diese Ausrichtung des Kundenmanagements auf den Qualitätsaspekt ist von grundlegender Bedeutung, wenn es um die Positionierung der Filialbanken im Wettbewerb geht. Denn die passgenaue Beratung ist Kernwert der Filialbanken und wichtig für die Abgrenzung zu Online-Wettbewerbern.

Auf dem Weg zum "Trusted Advisor"

Banken sollten sich künftig verstärkt engagieren, mit dem Beratungsprotokoll nicht nur eine regulatorische Pflichtaufgabe zu erfüllen, sondern die darin gewonnenen Informationen für ein besseres Kundenmanagement zu nutzen. In der Projektpraxis hat sich bereits gezeigt, dass unter Einbeziehung aller verfügbaren Quellen ganz neue Einsichten für den Vertriebserfolg generiert werden können.

Eine Auswertung der Gesprächsanlässe macht beispielsweise frühzeitig Trends sichtbar, was die Kunden dazu antreibt, Beratungen nachzufragen.

Häufen sich die Kundenmotive bei den

Angaben zu Anlagezielen, beim Kapitalbedarf oder der Einschätzung zu Kauf oder Verkaufsvorschlägen, lassen sich wertvolle Hinweise für das Angebotsportfolio gewinnen.

Darüber hinaus gibt eine detaillierte

Analyse der Beratungsprotokolle Aufschluss darüber, welche Begründung für die Anlageempfehlung von den Kunden besonders häufig akzeptiert wird und an welcher Stelle es Schwächen gibt. Dazu zählen beispielsweise Hinweise des Beraters zur Diversifikation, positive Analysteneinschätzungen zu einem Marktsegment oder Analystenempfehlungen zu Einzeltiteln. Damit kommt die Bank auf dem Weg voran, ein "Trusted Advisor" zu sein.

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