Wettbewerb im Retailbanking

Volksbanken im Wettbewerb - weder eingestaubt noch langweilig

Wer holt die Meisterschale? Anwärter gibt es mehr als genug. Längst sind ausländische Institute, No-Banks und Internetbanken in den deutschen Wettbewerb eingestiegen: Das Spielfeld ist international, branchenübergreifend und virtuell. Wer unbeweglich auf seinem Platz verharrt und die "Angreifer" aus falschem Stolz oder aus Bequemlichkeit ignoriert, steht womöglich schon bald auf verlorenem Posten.

Weder Kosten noch Mühen werden gescheut, um die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen und die Konkurrenz zum Beispiel mit Kampfkonditionen - ins Abseits zu drängen. Hier sind Verlängerung und Elfmeterschießen allerdings vorprogrammiert: Um die Zinshopper bei Laune, sprich bei der eigenen Bank zu halten, sind ständige Neuauflagen gefragt. Bei diesem Spiel geht es schließlich nicht um langfristige Beziehungen, sondern um schnelles Geld. Und das ist manchmal auch ganz schnell wieder weg.

Nun darf sich niemand über die schwindende Loyalität der Kunden wundern oder diese gar beklagen. Dank Internet und Co. lassen sich die Angebote der Finanzdienstleister problemlos miteinander vergleichen. Die "lauten" Highlights aus der Palette, Beispiel Tagesgeld, springen auf den Websites oder in den Werbefeldzügen sofort ins Auge. Ein halbes Prozent mehr? Da macht sich kaum jemand die Mühe, das Kleingedruckte zu lesen. Oder sich zu informieren, mit wem man es hier zu tun hat. Größe gilt vielen immer noch als Garant für Leistungskraft. Und prominente Werbe-Ikonen suggerieren nach wie vor Erfolg. Nicht nur auf sportlichem Gebiet. Kreativ sind die Agenturen, die solche Spots konzipieren. Sie denken im Sinne ihrer Auftraggeber. Und die Banken selbst, was haben sie mit diesen aufwendigen Kampagnen im Sinn? Das Wohl ihrer Kunden? Zählt Qualität oder Quantität? Zumindest manche Aktionen geben zu denken. Dass Neukunden beziehungsweise "neues Geld" mit Sonderkonditionen hofiert werden und Bestandskunden das Nachsehen haben, erscheint nicht nur mir fragwürdig.

Der Wettbewerb in der Finanzbranche treibt mitunter sehr bizarre Blüten. Und ruiniert sich dabei Stück für Stück selbst. Im Kampf um die Meisterschale sind die Margen für die gesamte Bankenlandschaft ins Abseits geraten.

Volksbanken ohne Doping

Das "grüne Band der Sympathie" ist verblasst. Zwar soll das hoffnungsgrüne Logo noch bis Ende 2010 erhalten bleiben, aber formaljuristisch wurde die Dresdner Bank am 11. Mai 2009 in die "gelbe" Commerzbank verschmolzen. Die Farbe gelb symbolisiert die Sonne. Bleibt abzuwarten, ob der staatliche Rettungsschirm die schädlichen Strahlen aussondiert und wie versprochen bei all den schutzsuchenden notleidenden Banken darauf achtet, dass die milliardenschweren Finanzspritzen nicht für taktische Fouls missbraucht werden. Oder ist es etwa kein unsportlicher Eingriff in den Wettbewerb, wenn die holländische Mutter mit zweistelligen Milliardenbeträgen gestärkt wird und die deutsche Direktbanktochter mit wettbewerbsverzerrenden Konditionen wirbt? Kämpft hier nicht unzulässiges Doping gegen anständige Fitness?

Mit absolut fairen Mitteln behauptet sich das Team der Genossenschaftsbanken. Gegründet mit den Prinzipien Hilfe zur Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung schöpft es seine Stärken nach wie vor aus den eigenen Reihen. Nur in dieser Bankengruppe gibt es eine Identität zwischen Kunde und Eigentümer. Die Mitglieder haben Geschäftsanteile erworben, sind also Teilhaber und Kunde zugleich.

Kein reines Profitstreben

Demnach laufen die Interessen von Kunde und Bank parallel, denn die Mitglieder vertreten und erleben beide Seiten. Und: Sie leben und arbeiten in der Region, in der die Bank ihren Wirkungskreis hat. Also hat die Förderung dieser Region oberste Priorität. Reines Profitstreben oder die großmännische Jagd nach einer utopisch anmutenden Rendite stehen bei Genossenschaften nicht auf dem Trainingsplan.

Dass sich die Rolle als Kapitalgeber für die Mitglieder in barer Münze auszahlt, garantiert die hohe Dividende. Die Volksbank Mittelhessen verzinst die Geschäftsanteile schon seit über zehn Jahren mit sieben Prozent! Im Vergleich mit anderen sicheren Geldanlagen ist das einzigartig. Zumal die Dividendenzahlung keinen faden Nachgeschmack mit sich bringt, wie das oft bei solchen Aktiengesellschaften der Fall ist, deren Erträge aus riskanten Geschäften und/oder Personalabbau resultieren. "Des einen Freud, des anderen Leid" trifft bei Volksbanken nicht zu. Im Gegenteil: Erfolg, Verantwortung und Mitgliederförderung gehen Hand in Hand.

Dies wird auch trotz Wettbewerbsdruck und Finanzkrise so bleiben. Dafür sorgt schon die streng demokratische Struktur. Das Stimmrecht wird pro Kopf, nicht pro Kapitalanteil ausgeübt. Wobei jede Genossenschaft eine offene Gemeinschaft ist: Jeder Kunde ist entweder Mitglied oder potenzielles Mitglied - sprich Eigentümer oder potenzieller Eigentümer.

Ist diese Bankform eingestaubt? Wohl kaum. Spätestens seit den heftigen Turbulenzen in der Branche wird immer deutlicher, dass gerade die Genossenschaftsbanken zeitgemäß und zukunftsorientiert sind. Sie erfüllen die Anforderungen einer modernen Gesellschaft, die eine tragfähige und verantwortungsvolle Balance zwischen Eigennutz und Solidarität für sich finden muss.

Ist diese Bankform langweilig? Für diejenigen, die ständig die Regeln ausreizen möchten und die den Wechsel zwischen Gier nach mehr und Angst vor Verlust als spannendes Hobby verstehen, vielleicht schon. Jedoch wären einige von ihnen heute froh darüber, hätten sie sich in den letzten Jahren nicht ganz so viel Spannung und Aufregung gegönnt ...

Garantiert "heuschreckenfrei"

Was uns stark macht, bringt gleichzeitig auch Nachteile mit sich. Mit über 14 000 Geschäftsstellen sind die Genossenschaftsbanken in Deutschland vertreten. Die Größe ist gepaart mit Dezentralität und einem Höchstmaß an Flexibilität. Gleichzeitig garantiert die flächendeckende Präsenz räumliche und persönliche Kundennähe. Der Vorteil ist allerdings teuer bezahlt.

Die Kostenstrukturen einer regionalen Volksbank mit mehreren Filialen sind gänzlich andere als die einer Direktbank. Schon alleine deshalb wäre es vermessen, im Preiswettbewerb immer und überall ganz vorne mitspielen zu wollen. Deshalb haben wir bewusst entschieden, uns über den Preis und die Qualität zu differenzieren. Nicht nur, weil die Erfolgsaussichten somit bedeutend besser sind, sondern weil ansonsten zwangsläufig die Werte auf der Strecke bleiben würden, die die Kontur unserer Bankengruppe ausmachen: Fairness, Seriosität, Weitsicht, Vertrauen, Verantwortung, Kundenorientierung. Internetkonditionen auf jedem Dorfplatz können wir zwar nicht anbieten. Aber dafür sind die Kirchtürme garantiert "heuschreckenfrei"! Und selbstverwaltet, ohne vom Steuerzahler finanzierte Rettungsspritzen.

Gut? Besser? Ausgezeichnet! In der heißen Zeit der Finanzmarktkrise, im November 2008, wurden die Genossenschaftsbanken mit dem Titel "1. Platz - Bestes Bankenimage" prämiert. Das belegt, dass sich die Menschen trotz oder gerade wegen der negativen Schlagzeilen besonnen haben, worauf es eigentlich ankommt und auf wen in stürmischen Zeiten Verlass ist. Im Ergebnis ein klarer und gerechtfertigter Punktgewinn für die Volksbank-Elf.

Die Verteidigung - worauf die Fans seit jeher bauen können

Die Sicherungseinrichtung des BVR - gespeist von bonitätsabhängigen Beträgen der Mitgliedsbanken - ist das älteste ausschließlich privat finanzierte Sicherungssystem für Banken. Es beinhaltet sowohl einen Institutsschutz, also insolvenzverhindernde Maßnahmen durch Prävention und Sanierung, als auch den Einlagenschutz, der sogar die Inhaberschuldverschreibungen zu 100 Prozent absichert. Dieses System hat sich hervorragend bewährt: Seit 1931 ist keine Kreditgenossenschaft in die Insolvenz gegangen, und noch nie hat ein Kunde einen Verlust seiner Einlagen hinnehmen müssen. Das Vertrauen der Bankkunden in die Sicherheit ihrer Einlagen ist ein unschätzbares Gut. Wir sind froh darüber und auch stolz, dieses Vertrauen auch in riskanten Zeiten begründen zu können.

Champions League? Klingt international. Wenn dieser Begriff hier Verwendung findet, dann sicher nicht deshalb, weil die Volksbank Mittelhessen große Expansionspläne hegt. Im Gegenteil: Unsere Bank ist in Mittelhessen gewachsen, und genau hier wollen wir auch künftig tätig sein. Wir verstehen uns als Finanzpartner

für unsere Region - unsere Entwicklung ist sehr eng mit diesem Wirtschafts- und Lebensraum verbunden. Deshalb sind regionale Förderung und Corporate Citizenship für uns weit mehr als Imagefaktoren, die sich gut vermarkten lassen.

Champions League ist für uns in diesem Zusammenhang ein Synonym für die Spitzenklasse in der Qualität. Genau in dieser Liga möchten wir mitspielen. Ausgehend von unseren Wettbewerbsvorteilen haben wir ein Leitbild erarbeitet, das hierfür Orientierung gibt und Maßstäbe setzt. Nah und schnell, persönlich und direkt, groß und stark (für eine Volksbank), innovativ und kompetent, bodenständig und regional: Die Wortpaare zeigen, in welchem strategischen Rahmen wir uns bewegen.

Die genossenschaftliche Pflicht der Mitgliederförderung haben wir zur Kür erhoben. Um die diesbezüglichen Aktivitäten objektiv messen und bewerten zu können, gibt es auf der Geno-Scorecard Volksbank Mittelhessen den Bereich "Mitglieder & Region". Neben der obligatorischen Vertreterversammlung führen wir 36 regionale Mitgliederversammlungen durch. Darüber hinaus profitieren die Teilhaber vom Mitgliederprogramm "mehr&wert". Ganz uneigennützig ist das Programm nicht: Durch die aktive Mitglieder- und Regionförderung wächst die Kundenbindung, und das zahlt sich in barer Münze für die Bank aus.

Eine Bank, die hohe Ziele hat, darf ihr Leistungsspektrum nicht auf gewöhnliche Dinge beschränken. Sie darf auch nicht nur Zahlen vor Augen haben, weil die Zahlen sonst vielleicht schon bald Grund zur Besorgnis geben. Gerade für eine Volksbank, die auf langfristige Kundenbeziehungen Wert legt, ist Mitdenken und Weiterdenken gefragt: Was brauchen die Kunden? Was bringt ihnen einen spürbaren Nutzen? Was erwarten sie von ihrer Hausbank? Und mit welchen Besonderheiten können wir sie positiv überraschen?

Wir haben nachgedacht und Erfolg versprechende Antworten für die Volksbank

Mittelhessen gefunden. Zum Beispiel den Unternehmerdialog im Firmenkundengeschäft. Oder das Mittelstandskolleg "Wissen macht stark, Praxis macht fit", das es so nur bei uns gibt. Spezielle Bereiche wie der "medService" für niedergelassene Ärzte und Apotheker kommen den Anforderungen der jeweiligen Zielgruppen - darunter auch kommunale Entscheidungsträger - genau entgegen. Im Vermögensmanagement beschäftigen wir neben anderen Experten zwei zertifizierte Estate Planner, weil dieser Bereich für die Klientel wichtig, notwendig und auch sehr willkommen ist.

Der Spielmacher leitet die Angriffe ein - wir lernen auch!

Im Anreiz- und Themenvertrieb setzen wir auf aktuelle Themen, hohe Aufmerksamkeit und marktfähige Preise, die nicht selten mit denen der Internetbanken mithalten können, sie manchmal sogar übertreffen. Dazu konzipieren wir innovative Produkte wie die individuelle Bildkarte, die wir als erste deutsche Bank unseren Kunden anbieten.

Den Spagat zwischen Qualitäts- und Preisführerschaft streben wir an - und beherrschen ihn in manchen Disziplinen schon perfekt. "Stuck in the middle"? Wir bringen den Beweis, dass man auf beiden Seiten erfolgreich agieren kann: Von standardisierten Lösungen und einfachen Produktansätzen über Teil- oder Gesamtbedarfsberatungen bis hin zu individuellen hochqualifizierten Finanzkonzepten.

Dass wir unbeirrt an den genossenschaftlichen Grundwerten festhalten, heißt nicht, dass wir uns bequem zurücklehnen und jeglichen Reformbedarf ignorieren. Das Gegenteil ist der Fall. Stichwort Multi-Ka-nal-Vertrieb: Die Volksbank Mittelhessen pflegt altbewährte Standards wie den stationären Vertrieb in den Geschäftsstellen und ergänzt diese mit modernen und innovativen Spieltechniken. Beispiele hierfür sind der telefonische Volksbank Direkt-Service und unsere hauseigene Internetbank www.volksdirektbank.de.

Ertragsaspekte bei der Volksdirektbank nicht im Vordergrund

Mit beiden bestätigt unsere Bank die Vorreiterrolle, die sie im Laufe ihrer über 150-jährigen Geschichte schon mehrmals gezeigt hat. Zwar zeigen die Erfahrungen bezüglich des Direkt-Service grenzwertige Skaleneffekte, aber der regionale Bezug ist wichtiger. Ertragsaspekte standen bei der Einführung der Volksdirektbank auch nicht im Vordergrund.

Vielmehr demonstriert dieses Angebot einerseits die Stärke und Kreativität der Volksbank Mittelhessen, andererseits die Kundenorientierung, die sich unter verschiedenen Perspektiven beweisen muss - besonders bei jüngeren und mobilen Kundengruppen. Dass das gelungen ist, wurde unter anderem von der Wirtschaftswoche bestätigt: "Mit ihrem jüngsten Modell gehört sie (die Volksbank Mittelhessen) daher wohl zu den innovativsten Banken in Deutschland. Sie bietet eine Direktbank mit 100 Prozent Filialservice: Der Kunde kann sein hochverzinstes Tagesgeldkonto und andere Produkte nicht nur wie bei anderen Banken über das Internet, sondern auch über die Filiale eröffnen und verwalten. Damit gehen die Hessen weit über den Service von Direktbanken wie ING-Diba oder Comdirect hinaus ..."

Es gibt träge und begeisterte Fangruppen. Dass die genossenschaftliche Mitgliedschaft mancherorts völlig unauffällig, fast schon vergessen vor sich hin dümpelt, ist zwar traurig, aber Realität: eingestaubt, durch Fusionen verfremdet, nur alte Leute, einzig die Dividende zählt. Weil wir uns damit nicht zufrieden geben wollten, hatten wir vor ein paar Jahren das Mitgliederprogramm "mehr&wert" ins Leben gerufen. Selbstlos ist dieses Engagement, wie schon bemerkt, allerdings nicht. Vielmehr ist es eine strategische Investition in die Mitgliederbindung, die sich positiv auf den Vertrieb auswirkt. Denn Bindung heißt Partnerschaft. Bindung wirkt emotional und beeinflusst Entscheidungen. Identifiziert sich das Mitglied mit seiner Bank, fühlt es sich ihr verbunden und bei ihr gut aufgehoben, rücken Preise und Konditionen in den Hintergrund. Im Idealfall wirkt die Mitgliedschaft wie eine Firewall, die als Verteidiger jede noch so hartnäckig werbende Konkurrenz abwehrt. Echte Fans werden ihrem Team auch nicht untreu, wenn es ein Gegentor kassiert oder ein Spiel verliert.

Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten

Das Mitgliederprogramm liefert darüber hinaus die besten Argumente, um neue Mitglieder zu gewinnen. Und weil sowohl Leistung als auch Kommunikation stimmen, bleiben die meisten unserer Bank sehr lange treu, oft über Generationen. Wir bieten ihnen einen Platz in der VIP-Loge, und sie tätigen mit uns ihre Finanzgeschäfte. Die Zahlen belegen, dass wir mit unseren Mehrhabern weit mehr Ertrag erwirtschaften als mit Mitgliedern, die nicht an "mehr&wert" teilnehmen, oder mit sonstigen Kunden.

Und nach dem Spiel ist vor dem Spiel: Wir waren immer da und werden immer da bleiben. In der Region, in der wir "Heimspiele" absolvieren. Weil das Teamwork und die Leistung in unserer Bank stimmen, wir mit offenen Augen die Veränderungen im Blick behalten, uns auf unsere Stärken konzentrieren und selbstbewusst im Wettbewerb antreten. Gestärkt durch die Unterstützung von loyalen Mitgliedern und zufriedenen Kunden, die ihr Geld lieber zu marktgerechten drei Prozent bei uns anlegen als zu verlockenden vier Prozent bei dubiosen Anbietern, die am Zahltag schon längst die Seiten gewechselt oder einen Platzverweis kassiert haben.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors beim Privatkundenforum 2009.

Peter Hanker , Sprecher des Vorstands, Volksbank Mittelhessen eG, Gießen
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